Il VecchioIl Vecchio

Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle: Mein Name ist Michele diGiorgio. Ich bin das Oberhaupt einer der ältesten Familien in Florenz, deutlich älter als diese neureichen Emporkömmlinge der Medici! Deren Oberhaupt, Cosimo de' Medici alias Il Vecchio (Der Alte) hat mit seinen Prahlereien und wichtigtuerischem Handeln die ganze Stadt geblendet. Es wird Zeit, dass der Einfluss dieses Widerlings auf ein ihm zustehendes Maß verringert wird! Wir diGiorgios werden die Geschicke der Stadt unseren verantwortungsvollen Händen zuführen. Man munkelt, dass auch andere Familien solcherlei Pläne verfolgen - doch stehen diese im Rang eindeutig unter uns! 12 Familienmitglieder stehen bereit und warten auf meine Anweisungen. Mein Bruder Paolo beispielsweise ist gerade auf dem Weg nach Mensano. Dort soll er sich mit einem Mittelsmann treffen, der uns einen Ritter als Gefolgsmann vermitteln kann. Zusammen mit dem Abt, der sich uns bereits angeschlossen hat, werden sie einem unserer Mitglieder zu Einfluss in einer Provinz Mailands verhelfen. Ein paar Florin wird uns das wohl kosten, aber am Geld soll unser Ziel nicht scheitern. Je mehr Familienmitglieder in einflussreichen Positionen in Florenz oder den angeschlossenen Provinzen, desto schneller schwindet die Macht von Il Vecchio - bis er zurück in die Bedeutungslosigkeit geschickt wird!

FlorenzIl Vecchio ist die dritte Veröffentlichung von H@ll Games, hier erstmalig unter Mitwirkung von Pegasus. Anders als "Luna" und "Vor den Toren von Loyang", welche die Köpfe für erfolgreiches Spielen kräftig zum Rauchen brachten, ist Il Vecchio von erfrischender Leichtigkeit, ohne jedoch banal zu sein: Der Spielplan zeigt die in zwölf nummerierte Gebiete unterteilte Toskana. An jedes dieser Gebiete grenzen drei oder vier Orte an. In den Ecken des Spielplans befinden sich, mit Ausnahme des Südwestens, die von Signore diGiorgio bereits erwähnten Provinzen. In der Mitte finden wir Florenz, das Zentrum der Macht Il Vecchios, welche durch eine vorgegebene Anzahl Medici-Wappen symbolisiert wird. Alle Orte, die nicht direkt mit Florenz oder einer der Provinzen verbunden sind, zeigen eines von fünf verschiedenen Symbolen. Den zugehörigen, ebenfalls oben erwähnten, Mittelsmännern kommt eine zentrale Rolle beim Abbau der Macht Il Vecchios zu. Steht ein Familienmitglied mit einem Mittelsmann in einem Ort, so kann es mit dessen Hilfe, je nach Mittelsmann, einen von drei verschiedenen Gefolgsleuten, Geld, Schriftrollen, Bischöfe oder Kutschen besorgen. Wozu brauchen wir all dies? Nun, der Reihe nach: Das Familienmitglied, welches die Hilfe des Mittelsmanns in Anspruch genommen hat, wird hingelegt und ist somit inaktiv. Der Mittelsmann selbst reist weiter zum im Uhrzeigersinn nächsten Ort mit "seinem" Symbol - es sei denn, ich möchte das nicht. Dann kann ich einen Bischof abgeben, was zur Folge hat, dass der Mittelsmann nicht weiterreist und mein Familienmitglied stehenbleibt, ich aber trotzdem den Ertrag erhalte.

MailandDiesen kann ich mit Hilfe des Bischofs auch an Orten erhalten, ohne dass der entsprechende Mittelsmann sich dort aufhält. Kutschen benötige ich zum Reisen, denn prinzipiell muss ich für jeden Ort, den ein Familienmitglied weiterreist, einen Florin zahlen - gebe ich eine Kutsche ab, so legt es eine beliebige Entfernung kostenlos zurück. Vielleicht in eine der Provinzen: Um ein Familienmitglied hier platzieren zu dürfen, bedarf es einer bestimmten Auswahl an Gefolgsleuten und Geld. Dafür darf ich das Mitglied auf der entsprechenden Leiste platzieren, was am Spielende Siegpunkte bringt. Außerdem darf ich mir eines der noch verfügbaren Vorteilsplättchen der Provinz aussuchen, diese bringen zu einem beliebigen Zeitpunkt im Spiel einmalige Belohnungen wie Geld, Gefolgsleute und Ähnliches. Schriftrollen schließlich benötige ich, um ein Familienmitglied in Florenz unterbringen zu dürfen. Hier gibt es zwei Bereiche: Den Stadtrat, in welchem ich Tafeln mit für den Rest des Spiels für mich geltenden Vorteilen (wie bspw. vier zusätzliche Florin, wann immer ich per Mittelsmann fünf Florin erhalte) und den Adel, in welchem man Tafeln bekommt, welche am Spielende Siegpunkte für bestimmte Bedingungen, bspw. Familienmitglieder in allen drei Provinzen zu haben, einbringen. In beiden Bereichen darf man sich aus fünf Tafeln eine auswählen, wann immer man ein Familienmitglied auf der entsprechenden Leiste platziert. Sowohl in Florenz als auch in den Provinzen befinden sich auf den Leisten auf einigen Feldern Medici-Symbole. Besetzt ein Familienmitglied ein solches Feld, so schwindet die Macht Il Vecchios, symbolisiert dadurch, dass das oberste Medici-Wappen vom Stapel genommen wird und an den Besitzer des jeweiligen Familienmitglieds geht. Außerdem tritt eines von drei verschiedenen negativen Ereignissen ein, was eine Intrige der Medici darstellt - kampflos geben sie die Macht nicht ab!
Damit haben wir den Großteil der Aktionsmöglichkeiten bereits abgehandelt. Hinzu kommt noch die Möglichkeit, alle inaktiven Familienmitglieder wieder zu aktivieren, sowie das Einbringen neuer Familienmitglieder auf den Spielplan. Dieses geschieht per Wurf zweier W6, das Familienmitglied wird in einen Ort in dem Gebiet mit der erwürfelten Zahl gestellt.

SpielplanausschnittEine der großen Stärken von Il Vecchio liegt darin, dass man genau eine Aktion ausführen darf, wenn man an der Reihe ist. Dadurch legt das Spiel ein faszinierendes Tempo an den Tag, welches nicht einmal durch die Auswahl der Plättchen in den Provinzen oder in Florenz entscheidend gebremst wird: Die Regel gibt die Anweisung, einfach weiterzuspielen, während der Mitspieler seine Wahl trifft und das funktioniert prima - ich habe jedenfalls keine Situation erlebt, in denen der Mitspieler seine Auswahl an die währenddessen gemachten Spielzüge ausrichten hätte können. Dies sollte aber nicht über die taktische Tiefe hinwegtäuschen: Es macht großen Spaß, die eigene Ausrichtung immer wieder neu zu modifizieren, je nachdem, mit welcher Vorteilstafel aus Florenz man ins Spiel startet und welche man sich im Laufe des Spiels noch so auswählt. Dabei sollte man stets ein wachsames Auge auf die Gegenspieler haben und antizipieren, was in deren Köpfen so vorgeht. Das Timing im Umgang mit den Mittelsmännern und die Frage, ob man sie bei Benutzung weitersendet oder doch lieber einen Bischof opfert, damit man den Gegenspielern das Leben nicht erleichtert ist ein faszinierendes Element, welches immer wieder für Emotionen - und somit für das Salz in der Suppe - sorgt. Hinzu kommen die zahlreichen kleinen und großen Vorteile aus den Provinzplättchen, vor allem aber von den Tafeln aus Florenz, bei denen die eine oder andere von frustrierten Gegenspielern schnell den Stempel "zu stark!" verpasst bekommt. Zu Unrecht, denn alle Vorteile sind nur so stark wie die Qualität der daran angepassten Spielweise und das richtige Timing. Sie sind sie gut aufeinander abgestimmt und laden zu immer neuen Spielweisen ein. Erwähnenswert sind noch die taktischeren Regelvarianten: Hierbei würfelt man seine Familienmitglieder nicht ein, sondern setzt sie gezielt dorthin, wo man sie haben will. Außerdem gibt es die Möglichkeit, auf die Il Vecchio-Ereignisse zu verzichten. Da ich ein Freund eines gewissen Glücksfaktors bin, hätte ich nicht gedacht, dass mir diese Varianten zusagen. Doch nach einigen gespielten Partien hat es mich dann doch ein wenig gestört, dass Kleinigkeiten wie Würfelwürfe oder das falsche Ereignis zur falschen Zeit in letzter Instanz über Sieg und Niederlage entscheiden konnten. Mittlerweile bevorzuge ich daher die taktischere Variante - dies ist aber reine Geschmackssache.

Plättchen Meuchler und KutscheRüdiger Dorn ist ein Autor, den ich sehr schätze - dies bestätigt Il Vecchio erneut. Es ist schnell und schnörkellos, bietet dabei jedoch reichlich spielerische Raffinesse, so dass der Spielreiz, vor allem in einer festen Runde, mit jeder weiteren Partie steigt. In der öffentlichen Wahrnehmung ist dieser Titel meiner Meinung nach unterrepräsentiert - er hätte mehr Aufmerksamkeit verdient. (fd)

Steckbrief
Il Vecchio
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Rüdiger Dorn H@ll Games 2 - 4 Spieler ab 10 Jahre 60 - 80 Minuten Andreas Resch