Interview by Email

Michael Knopf ist einer der bekanntesten und im Internet umstrittensten Spielerezensenten. Er schrieb früher für die "Süddeutsche" und wechselte dann zur Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, die derzeit keine Spielerezensionen mehr führt. Seine Spielekritiken und weiteren Aktivitäten im Bereich der Gesellschaftsspiele dokumentiert er auf Siegpunkt.de, als Printmedium findet man aktuelle Kritiken in der Fachzeitschrift "Spielbox".

Michael Knopf Wir danken Michael Knopf herzlich für seine Bereitschaft, bei diesem Interview mitzuwirken, für seine persönlichen, offenen Antworten und den guten Einblick in seine journalistische Arbeit.

Hier die Fragen, die wir und einige Leser Michael Knopf gestellt haben
die Antworten erhält man nach Klick auf die Nummer.

1 Wie kommen Sie dazu, sich mit einer Zigarette im Mund zu präsentieren?
2 Sie haben auf die (sicherlich berechtigte) kritische Frage von Claudia Rupp bezüglich Ihrer öffentlichen Darstellung als Raucher nur sehr arrogant reagiert. Haben Sie denn die Problematik nicht erkannt? Oder wollen Sie nur auf unkritische Fragen vernünftig antworten?
3 Du bist gelernter Journalist. Was sind deine Schwerpunkte in deiner journalistische Arbeit. In wie weit rechnest du "Spielen" als einen deiner Schwerpunkte?
4 Bei dir ist die Ausrichtung als "politischer Journalist" sehr weit gefasst. Wie sehen angesichts der angespannten politischen Weltlage deine Prioritäten aus? Welcher Spiele kann man derzeit Spielen? Wie stehst du zu Cosims, gerade in einer solchen Zeit?
5 Du hast als Journalist viele Spielrezensionen verfasst. Was kennzeichnet für dich eine gute Rezension?
6 Zusatzfrage Hallo Michael:  Auf die Frage vom 07.03. hast Du folgendermassen geantwortet: (Zitat )
Auf den ersten Blick klingt das ganz gut und man könnte Dir eigentlich recht geben. Allerdings habe ich in letzter Zeit vermehrt auch wieder alte Ausgaben der Spielbox durchgeblättert, wobei mir zwar der Schreibstil positiv, der Inhalt der Kritik aber eher negativ aufgefallen ist wenn es darum ging, dass Du Spiele bewertet hast, die ich noch nicht kannte - alleine aus der "Geschichte" hatte ich in den meisten Fällen keinerlei Ahnung, worum genau es bei diesem Spiel geht und kann folglich für mich persönlich kein Fazit ziehen (ausser: aha, M. Knopf findet das Spiel gut / schlecht). Außer einem "Leseerlebnis" ist die Kritik soit für mich völlig wertlos. Denkst Du nicht, dass mit einem gesunden Mass an "trockener Regelnacherzählung" dem Leser mehr geholfen wäre?
7 Deine Rezensionen werden zweischneidig gesehen, auf der einen Seite lieben viele Leser deinen Stil, doch auf der anderen Seite empfinden sie deine Artikel als provokant und manches Mal lösen deine Rezension sogar größere Proteste aus. Wie siehst du dies?
8 Bevor ich meine Frage stelle, lieber Michael Knopf, möchte ich kurz etwas zum Thema "Rauchen auf Fotos" bemerken: Die Einwürfe der Dame und des Herrn waren völlig deplatziert. (bin übrigens selbst Nichtraucher). OK, jetzt zum eigentlichen Thema. Ihre Diskussion mit Bernd Brunnhofer in der Spielbox: Wenn man das liest, hat man das Gefühl, dass dieser Diskurs fast nur polemisch, und destruktiv geführt wurde (will sagen: Sie redeten beide - tüchtig gewürzt mit Seitenhieben - aneinander vorbei). Wie empfinden Sie dieses Gespräch im Nachhinein?
9 In ihrem Streitgespräch mit Herrn Brunnhofer in der neuesten Spielbox nahmen sie für sich in Anspruch "allgemeiner urteilen" zu können, gleichzeitig wiesen sie darauf hin, dass die Güte eines Spieles nicht direkt damit zusammenhängt, ob es viele Leute mögen. Was macht dann die Güte eines Spieles aus?
10 Welches sind Ihre Lieblingsspiele? Und welche würden Sie nicht einmal geschenkt annehmen?
11 Hallo, mich würde interessieren, wie Du die Spiele für Deine Rezensionen testest, Wie lange? Wie oft spielst Du sie? In was für Runden? Bei einem Spiel mit wechselnden Menschen?
12 Du hast in der Spielbox 2/2002 einen Artikel mit dem Titel "Frauen sind sehr anders" veröffentlicht. Worin unterscheidet sich das deiner Meinung nach die Spielweise von Frauen und Männern? Was stört dich an der Art, wie Frauen spielen?
13 Beurteilen Sie die Spiele anders, als der "normale" Spieler ?
14 Was sind für Dich die wichtigsten Fragen, die Du beim Schreiben der Kritiken beantworten möchtest? Dein persönliches Bewertungssystem, das man aus der SZ, der FASZ und von Deiner Homepage www.siegpunkt.de kennt, erstreckt sich über eine Skala von 1 bis 6. Welche Kriterien sind für Dich bei der Notenfindung am wichtigsten?
15 Die Spielekritiken auf Deiner Homepage haben eine andere Länge und einen anderen Aufbau als die, die bei der spielbox erscheinen, was vielleicht am zur Verfügung stehenden Platz liegen mag (was war zuerst: Deine Homepage oder die Kritiken in der SZ?). Bei letzterer liegt zum Beispiel ein Schwerpunkt u.a. auf der Beschreibung des Mechanismus, die bei den Kritiken auf Deiner Seite eher in den Hintergrund rückt. Worin liegen für Dich die Vor- und Nachteile dieser unterschiedlichen Aufbauten Deiner Kritiken?
16 Du publizierst Rezensionen sowohl in Zeitungen (momentan leider nicht mehr), in der Spielbox sowie auf Deiner Seite im Internet. Welches Medium ist Deiner Meinung nach für Rezensionen von Gesellschaftsspielen am besten geeignet und aus welchem Grund? Werden die Möglichkeiten der entsprechenden Medien Deiner Meinung nach ausreichend in Rezensionen genutzt?
17 Nach welchen Kriterien wurden von Dir die Spiele für die Rezensionen in der SZ oder FAZ ausgesucht? Ging es mehr um "von diesem Spiel muß die Menschheit erfahren, da es gut/schlecht/zu unbekannt/ein Geheimtip ist" oder danach, daß neben Lob auch Dämpfer verteilt werden müssen, daß ein bunter Mix an Spieltypen gewahrt werden sollte, dass Du das Spiel gerade vorliegen hattest, etc...?
18 Es ist häufiger vom zu fördernden "Kulturgut" Spiel die Rede. Wie ist die Einstellung in den Redaktionen von SZ bzw. FAZ dazu? Fiel ihre Rubrik eher unter Kulturgut oder Kinderkram?
19 What were the keys to the healthy growth of the board game industry in Germany? Do you have any tips for helping similar developments in the United States? (Übersetzung PK:Was sind die Schlüssel für das gesunde Wachstum der Brettspielindustrie in Deutschland? Haben Sie Tipps für eine ähnliche Entwicklung in den USA?) (Übersetzung PK:Was sind die Schlüssel für das gesunde Wachstum der Brettspielindustrie in Deutschland? Haben Sie Tipps für eine ähnliche Entwicklung in den USA?)
20 Du hast viele Höhen und Tiefen als Spielekritiker erlebt. Du schriebst für die SZ und die Spielbox und warst in der Jury "Spiel des Jahres", aus der nach eigenem Entschluss gegangen bist. Es folgte der Wechsel zur Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, die jetzt ohne Spielekritiken auskommt, und so bleibt dir "nur noch" die Spielbox. Wie siehst du diese Entwicklung? Welche Gefühle hattest du dabei?
21 Sie kennen sich hervorragend in der Brettspiele-Szene aus und wissen genau, welche Komponenten es für ein perfektes Spiel braucht. Warum entwickeln Sie keine eigenen Spiele?
22 Ist abzusehen, ob es wieder mehr "Knopf" geben wird?
23 Wir haben dir nun viele Fragen gestellt. Möchtest du jetzt uns eine Frage stellen oder möchtest du unseren Lesern noch etwas mitteilen?


3. März (Frage von Claudia Rupp):

Wie kommen Sie dazu, sich mit einer Zigarette im Mund zu präsentieren?

Gegenfrage, liebe Claudia Rupp: Wie kommen Sie dazu, mir das vorzuwerfen? Aber die Antwort ist trotzdem ganz einfach: weil ich rauche. Und weil ich mir gleich gedacht habe, daß es Menschen gibt, die sich offenbar schon vom BILD eines Rauchers belästigt fühlen; und weil das wiederum zeigt, wie weit eine gewisse aggressive Intoleranz hierzulande bereits fortgeschritten ist. Insofern sind Sie ein Volltreffer, danke...

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4. März (Frage von Ernst Knauth): Sie haben auf die (sicherlich berechtigte) kritische Frage von Claudia Rupp bezüglich Ihrer öffentlichen Darstellung als Raucher nur sehr arrogant reagiert. Haben Sie denn die Problematik nicht erkannt? Oder wollen Sie nur auf unkritische Fragen vernünftig antworten?

Und ich dachte, wir wollten hier übers Spielen reden und nicht übers Rauchen... Aber gut, und immer wieder gerne: Ich habe vor allem eine Problematik erkannt, nämlich die Anmaßung, die in der Frage steckt. Die "kritische" Frau Rupp darf es sich gerne verbeten, daß in ihrer Wohnung oder meinetwegen in ihrer Nähe geraucht wird - was ich aber fern von ihr mache und wobei ich mich fotografieren lasse, das geht sie, mit Verlaub, nicht das geringste an, solange ich nicht meine Teddybären schände oder einen Angriffskrieg gegen Österreich vorbereite. Es ist durchaus vernünftig und sogar unbedingt geboten, auf solche offenbar nicht mehr selbstverständlichen Selbstverständlichkeiten hin und wieder hinzuweisen.

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5. März: Du bist gelernter Journalist. Was sind deine Schwerpunkte in deiner journalistische Arbeit. In wie weit rechnest du "Spielen" als einen deiner Schwerpunkte?

Ja, ich bin sogar praktizierender Journalist. Meine Schwerpunkte sind dabei mehr formaler als inhaltlicher Art: Ich schreibe vorzugsweise erzählende und satirische Texte, also zum Beispiel Reportagen und Glossen.
Streng genommen arbeite ich als politischer Redakteur, wobei aber "Politik" in unserer Praxis sehr weit gefaßt ist - das reicht vom Porträt einer Bundestagskandidatin bis zur Restaurantkritik. Spiele spielen in meinem beruflichen Alltag derzeit leider keine große Rolle, sind aber dennoch ein gewissermaßen existenzieller Schwerpunkt - vor allem, weil ich unter "Spielen" mehr verstehe als nur den Umgang mit Schachteln.

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6. März: Bei dir ist die Ausrichtung als "politischer Journalist" sehr weit gefasst. Wie sehen angesichts der angespannten politischen Weltlage deine Prioritäten aus? Welcher Spiele kann man derzeit Spielen? Wie stehst du zu Cosims, gerade in einer solchen Zeit?

Ich muß gestehen, daß zumindest meine spielerischen Prioritäten mit derWeltlage relativ wenig zu tun haben. Es wäre ziemlich lächerlich und in den meisten Fällen wohl auch unehrlich, sich mit demBetroffenheits-Argument "Im Irak ist Krieg, wie kann man da spielen!" moralisch an die Brust zu schlagen; das hilft keinem Menschen und widerspricht sogar der Idee des Spielens, das ja durchaus legal erholsame Auswege in eine andere Welt bietet. Wer keinen Krieg will, muß die richtige Regierung wählen oder anderweitig was Sinnvolles unternehmen (soweit das überhaupt möglich ist), sich aber nicht kasteien. Insofern kann "man" alle Spiele spielen, wenn sie einem gefallen, und darf dazu auch ein Glas Wein trinken... Cosims mag ichgrundsätzlich nicht besonders, aber nicht aus irgendwie ideologischen Gründen - es macht mir einfach seit Kinderzeiten keinen Spaß mehr, Krieg zu spielen. Vielleicht, weil ich auch im sonstigen Leben wenig militärisch veranlagt bin.

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7. März: Du hast als Journalist viele Spielrezensionen verfasst. Was kennzeichnet für dich eine gute Rezension?

Von einer Rezension will ich informiert, aber auch im guten Sinne unterhalten werden; ich will nicht erfahren, welche Strategie wohin führt, sondern wie der Kritiker das Spiel erlebt hat, wie er es einordnet und warum er es mag oder nicht. Er soll nicht objektiv tun, sondern mir eine gute Geschichte erzählen, die ich mit Freude an seinem Stil und an seiner Sicht der Dinge lesen mag. Daraus ergibt sich von selbst, was ich nicht leiden kann: langweilige Regelauslegungen, auf die am Ende ein sogenanntes Fazit folgt.

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Zusatzfrage vom 24. März von Michael Andersch: Hallo Michael:  Auf die Frage vom 07.03. hast Du folgendermassen geantwortet: (...Zitat von oben )
Auf den ersten Blick klingt das ganz gut und man könnte Dir eigentlich recht geben. Allerdings habe ich in letzter Zeit vermehrt auch wieder alte Ausgaben der Spielbox durchgeblättert, wobei mir zwar der Schreibstil positiv, der Inhalt der Kritik aber eher negativ aufgefallen ist wenn es darum ging, dass Du Spiele bewertet hast, die ich noch nicht kannte - alleine aus der "Geschichte" hatte ich in den meisten Fällen keinerlei Ahnung, worum genau es bei diesem Spiel geht und kann folglich für mich persönlich kein Fazit ziehen (ausser: aha, M. Knopf findet das Spiel gut / schlecht). Außer einem "Leseerlebnis" ist die Kritik soit für mich völlig wertlos. Denkst Du nicht, dass mit einem gesunden Mass an "trockener Regelnacherzählung" dem Leser mehr geholfen wäre?

Hallo ebenfalls Michael, wenn das so ist, dann ist es nicht gut. Wer das betreffende Spiel nicht kennt, soll keineswegs bloß erfahren, wie ich es finde (das allein wäre von begrenztem Nachrichtenwert), sondern auch, WAS ich da wie finde und warum; also müssen die Fakten vorkommen, nur eben als Teil der "Geschichte" und nicht in Form einer Regelwiedergabe. Es ist nicht auszuschließen, daß das mal mehr und auch mal weniger gelingt - jedenfalls sollte der Leser niemals vor einem Rätsel stehen, auch wenn es vielleicht nett klingt. Insofern hast Du grundsätzlich recht, obwohl ich natürlich gerne anhand eines konkreten Textes mit Dir streiten würde...

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8. März: Deine Rezensionen werden zweischneidig gesehen, auf der einen Seite lieben viele Leser deinen Stil, doch auf der anderen Seite empfinden sie deine Artikel als provokant und manches Mal lösen deine Rezension sogar größere Proteste aus. Wie siehst du dies?

Ach Gott. Die "größeren Proteste" finden ja meist in einem gewissen Forum statt oder beim jeweils betroffenen Autor oder Verleger, was ihren Umfang schon wieder relativiert - aber unabhängig davon kann ich damit ganz gut leben.

Ich bin gewiß nicht auf Zoff aus und weiß auch gar nicht, was da so schrecklich provozierend ist; aber wirklich schlimm wäre es, wenn meine Texte überhaupt nichts auslösen würden und sich auf dem denkbar kleinsten gemeinsamen Nenner bewegten. Wenn jemand anderer Meinung ist und meine nicht hinnehmen mag, ist es nur normal, wenn er sich beklagt; daß dabei der eine oder andere gleich mich als Person zum Teufel wünscht, ist wohl dem seltsamen Ernst geschuldet, mit dem manche das Thema "Spiel" angehen.

Über sachliche Einwände denke ich natürlich nach, doch grundsätzlich muß ich in diesem einen und einzigen Punkt dem seligen Franz Josef Strauß zustimmen: Everybody's darling is everybody's Arschloch.

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9. März: Frage von Christian Martinez: Bevor ich meine Frage stelle, lieber Michael Knopf, möchte ich kurz etwas zum Thema "Rauchen auf Fotos" bemerken: Die Einwürfe der Dame und des Herrn waren völlig deplatziert. (bin übrigens selbst Nichtraucher). OK, jetzt zum eigentlichen Thema. Ihre Diskussion mit Bernd Brunnhofer in der Spielbox: Wenn man das liest, hat man das Gefühl, dass dieser Diskurs fast nur polemisch, und destruktiv geführt wurde (will sagen: Sie redeten beide - tüchtig gewürzt mit Seitenhieben - aneinander vorbei). Wie empfinden Sie dieses Gespräch im Nachhinein?

Nun, polemisch oder gar destruktiv fand ich das Gespräch keineswegs, und auch das schriftliche Ergebnis liest sich für mich nicht so. Wir sind durchaus anständig miteinander umgegangen und mögen nach wie vor gemeinsam ein Bier trinken - jedenfalls kann ich das für mich sagen, ich habe weder persönlich noch "spielerisch" das geringste gegen Bernd Brunnhofer, im Gegenteil.

Das Problem ist, aus meiner Sicht, unabhängig von den Personen ein ganz anderes: Da stoßen zwei Welten respektive Sichtweisen aufeinander, für die es nicht am Ende einen freundlichen gemeinsamen Nenner geben kann; und es muß ihn auch gar nicht geben. Der Kritiker sieht sich vorwiegend dem Guten, Wahren und Schönen verpflichtet, was mancher abgehoben und weltfremd finden mag - der Autor oder Verleger fühlt sich erstens in seiner Arbeit oder gar Person getroffen und muß zweitens auch ganz andere Aspekte berücksichtigen: Was will das Publikum? Womit sichere ich meine Exstenz oder die meiner Firma? Wie lassen sich Anspruch und Absatz vertretbar vereinen?

In vielen Fällen ergänzen sich diese beiden Sichtweisen, aber manchmal kracht's halt auch, es sind ja Emotionen im Spiel, möglicherweise gibt es einen größeren Vorrat an Ärger. Das macht doch überhaupt nichts. Unser Gespräch sollte diesen Grundsatzkonflikt deutlich machen, es war kein Duell im Morgen- oder Abendgrauen zwischen Brunnhofer und Knopf.

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10. März. Frage von Peer Sylvester: In ihrem Streitgespräch mit Herrn Brunnhofer in der neuesten Spielbox nahmen sie für sich in Anspruch "allgemeiner urteilen" zu können, gleichzeitig wiesen sie darauf hin, dass die Güte eines Spieles nicht direkt damit zusammenhängt, ob es viele Leute mögen. Was macht dann die Güte eines Spieles aus?

Die Güte eines Spiels... Für eine Antwort darauf, wenn ich sie denn wirklich wüßte, reichte wohl nicht einmal das ganze Internet, und vermutlich sieht das sowieso jeder anders. Ich sehe es in aller Kürze so: Das Spiel muß mich zunächst mal auf eine Weise fesseln, die schwer zu analysieren und zu beschreiben ist; es handelt sich um ein Gefühl,ein Erlebnis, einen bestimmten "Kick". Den empfindet mehr oder weniger jeder Spieler, wenn auch beileibe nicht bei denselben Spielen - als  Kritiker mit entsprechender Erfahrung sollte ich in der Lage sein, die Ursache dieses Kicks so weit wie möglich herauszufinden und mitzuteilen, also Kriterien zu entwickeln, auf deren Basis ich mehr sagen kann als "Das ist gut" oder "Das taugt nichts". Die üblichen Aspekte wie Originalität, Spannung, Spieltiefe und dergleichen sind dabei hilfreich, aber nicht hinreichend; man kann ja auch die besondere Qualität eines "guten" Buches nicht dergestalt erklären, daß man eine Reihe von Kriterien abhakt, es bleibt immer ein nicht wirklich nennbarer Rest, für den es im Grunde nur das Wort "Donnerwetter!" gibt.
Umgekehrt ist die Sache etwas einfacher: Ein Spiel darf nicht langweilig, platt, banal, unfertig, unzugänglich, künstlich kompliziert und so weiter sein. Und auch wenn man mir das immer mal wieder vorwirft: Die Qualität ist für mich überhaupt keine Frage von "anspruchsvoll" oder "einfach", selbst ein simples Würfelspiel kann einen mitreißen. Allerdings spielt es tatsächlich keine Rolle, wie beliebt das Spiel ist - wer die bloße Nachfrage als Argument gelten ließe, landete beim Niveau von "Deutschland sucht den Superstar".

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11. März: Frage von Martin Zimmermann: Welches sind Ihre Lieblingsspiele? Und welche würden Sie nicht einmal geschenkt annehmen?

Das dürfte die schwierigste anzunehmende Frage sein... Was bedeutet denn "Lieblingsspiel"? Daß ich es immer wieder spiele? Leider komme ich wegen der vielen Pflichtschachteln und der naturgemäß begrenzten Zeit sehr selten dazu, einfach nur ins Regal zu greifen und aus purer Lust zu spielen - Lieblingsspiel hin oder her, das wäre sehr platonisch.
Oder bedeutet es, daß ich bestimmte Spiele für die subjektiv besten überhaupt halte? Da ist es wie beim Essen: mal dies, mal das, je nach Tagesform und Appetit.

Aber es gibt natürlich in verschiedenen Kategorien eine Reihe von Titeln, die ich keineswegs missen möchte: "Intrige" (wenn die Mitspieler Boshaftigkeit vertragen), "Die Macher" (wenn sehr viel Zeit ist), diverse "Siedler"-Ausführungen (vor allem auch das Zweier-Spiel), "Zoff im Zoo" (eines der wenigen stichartigen Kartenspiele, die mir wirklich gefallen), Canyon" oder "Bluff" oder "Sharp Shooters" oder "Mamma Mia" (zum Absacken), "Bohnanza", "Speed Circuit", aber auch ältere Spiele wie "Acquire" oder "Tal der Könige", aber auch Klassiker wie "Backgammon", und, und, und... das nimmt keine Ende, man sollte mal wieder Zeit haben.

Nicht einmal geschenkt möchte ich das meiste von dem, was in diesem und im vergangenen Jahr auf den Markt gekommen ist, weil es dem leidigen Trend entsprechend "einfach", in Wirklichkeit aber mutlos, einfallslos und reizlos ist. Und noch weniger geschenkt will ich all die Spiele haben, die sich ohne eine eigene Idee an irgendwelche Erfolge anhängen, also ans "RTL-Skispringen" oder all die Quiz-Sendungen und sonstigen Medienspektakel. Außerdem mag ich, siehe oben, die Stichspiele in ihren zahllosen Varianten nicht besonders - aber das ist tatsächlich rein subjektiv und kein Qualitätsurteil.

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12. März Frage von Claudius Möller: Hallol, mich würde interessieren, wie Du die Spiele für Deine Rezensionen testest, Wie lange? Wie oft spielst Du sie? In was für Runden? Bei einem Spiel mit wechselnden Menschen?

Hallo Claudius, die Antwort ist ebenso einfach wie unergiebig:
Ich"teste" die Spiele so, daß ich das Gefühl habe, sie seriös beurteilen zu können. Alles andere hängt vom Einzelfall ab: Manche Spiele kann man sehr schnell einschätzen, bei anderen merkt man, daß es in verschiedenen Besetzungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen könnte, daß die vierte Partie möglicherweise ganz anders verlaufen wird als die erste oder daß die letzten Feinheiten erst im Laufe der Zeit auszuloten sind - dann wird der Aufwand eben größer.

Wichtig ist mir bei der Zusammensetzung der Runden, daß ich die Mitspieler in ihren Vorlieben und Abneigungen, Stärken und Schwächen halbwegs kenne, weil ich dann ihre Stimmungen und Urteile besser einordnen kann; aber unabhängig davon will ich die Leute sowieso kennen und mögen, mit denen ich regelmäßig spiele, weil es ja auch ein angenehmer Zeitvertreib und nicht nur Arbeit sein soll. Deshalb bin ich absolut kein Freund von Großveranstaltungen und anonymen Gruppen unter dem Motto "Hauptsache, ich spiele und teste, egal mit wem".

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13. März: Du hast in der Spielbox 2/2002 einen Artikel mit dem Titel "Frauen sind sehr anders" veröffentlicht. Worin unterscheidet sich das deiner Meinung nach die Spielweise von Frauen und Männern? Was stört dich an der Art, wie Frauen spielen?

Vielleicht sollte ich zunächst darauf hinweisen, daß dieser Artikel eine GLOSSE war und kein Kommentar oder Privatbekenntnis - ich habe ein bestimmtes Phänomen aufgegriffen, überhöht und verallgemeinert, wie man's in solchen Texten halt so macht. Es wäre sehr fahrlässig, davon auf meine Einstellung zu (spielenden) Frauen zu schließen. Aber natürlich soll eine Glosse auch provozieren, was ja gelungen zu sein scheint...

Ernsthaft betrachtet, gibt es vermutlich nur in einigen Randbereichen und in gewissen Tendenzen Unterschiede: Frauen sind nach meiner Erfahrung zum Beispiel nicht so sehr für Fußball-Spiele oder Autorenn-Spiele zu begeistern, dafür mögen sie, sagt man, Legespiele oder allgemein "ruhigere" Spiele ganz gern - das gilt aber seltsamerweise auch für mich. Andererseits kenne ich persönlich fast nur Frauen, die strategischen Spielen die gleiche Leidenschaft entgegenbringen wie Männer und es auch an der nötigen Boshaftigkeit und Rücksichtslosigkeit nicht fehlen lassen. Da sind viele Klischees im Umlauf, die wie alle Klischees einen wahren Kern haben mögen, aber keineswegs mit der Wahrheit verwechselt werden dürfen.

Ich würde also lieber zwischen verschiedenen Spieler-Typen unterscheiden (und auch Menschen-Typen, nebenbei bemerkt), die mir mehr oder weniger liegen, als zwischen Männern und Frauen. Eine "Art, wie Frauen spielen", gibt es in dieser Pauschalform nicht, weshalb mich auch gar nichts daran stören kann.

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14. März Frage (von Michael Schramm): Beurteilen Sie die Spiele anders, als der "normale" Spieler ?

Ich weiß nicht, wie der "normale" Spieler urteilt - aber vermutlich urteilt er überhaupt nicht in der Art eines Kritikers, sondern beläßt es dabei, daß ihm etwas mehr oder weniger gefällt; das reicht ja auch für den Hausgebrauch und führt dazu, daß er ein Spiel öfter spielt oder eben nie mehr, ohne über die jeweiligen Gründe groß nachzudenken. Meine Arbeit fängt an diesem Punkt erst an, wie ich bei einer früheren Frage schon erläutert habe: Ich muß analysieren, vergleichen, einordnen, ich habe angesichts jedes neuen Spiels bereits Hunderte schon vorhandener Titel im Kopf. Das prägt notgedrungen die Sicht- und Herangehensweise, und in speziellen Fällen löst es einen gewaltigen Seufzer aus: MeineGüte, muß es das jetzt auch noch geben?! Für wen? Und warum?

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15. März Frage (von Kathrin Nos): Was sind für Dich die wichtigsten Fragen, die Du beim Schreiben der Kritiken beantworten möchtest? Dein persönliches Bewertungssystem, das man aus der SZ, der FASZ und von Deiner Homepage www.siegpunkt.de kennt, erstreckt sich über eine Skala von 1 bis 6. Welche Kriterien sind für Dich bei der Notenfindung am wichtigsten?

Ich möchte kundtun, um welche Art von Spiel es sich handelt, was man dabei erlebt, worauf es vor allem ankommt, womit es sich eventuell vergleichen läßt, warum ich es gut oder schlecht finde - das sind so ungefähr die wichtigsten Fragen, soweit es um den Leser geht. Das heißt aber nicht, daß ich mich beim schreiben an einen solchen Katalog hielte und zufrieden wäre, wenn die letzte Frage abgehakt ist; das läuft wesentlich unbewußter ab, ich muß vor allem selbst das Gefühl haben, daß der Text meine Eindrücke und Überlegungen gut wiedergibt. Mehr kann ich dazu im Grunde nicht sagen, ich "plane" die Kritiken ja nicht, im Gegenteil: Wenn's gut geht, entwickelt der Text ein Eigenleben, das ich vorher nicht kennen kann.

Bei der Bewertung ist das Problem, daß jedes denkbare Notensystem nur ein Kompromiß ist, ob es nun von eins bis sechs reicht oder bis zehn wie in der "Spielbox". Eine Note ist ein Stempel, vielleicht ein Leseanreiz und bestenfalls eine grobe Einstufung; aber je ausdifferenzierter ein System andererseits ist, desto schlechter ist es auch wieder, weil etwa die Note 5,7538 eine Objektivität und Meßbarkeit vortäuschen würde, die es nicht gibt. Deshalb bin ich mit meiner Schulskala recht zufrieden und behelfe mir bei der Vergabe mit der Wortbedeutung ("Davon mehr!" bis "Bitte nicht!"), die sich ganz gut mit dem Gesamteindruck in Einklang bringen läßt. Hinzu kommt - wie in einer Schulklasse... - der VergleichWelches Spiel hat diese oder jene Note schon bekommen, liegt das aktuelle drüber oder drunter oder fällt es in eine ganz andere Kategorie? Das kann allerdings auch unangenehm ausufern, wenn man schon sehr viele Noten vergeben hat.

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16.März:  Frage (von Kathrin Nos): Die Spielekritiken auf Deiner Homepage haben eine andere Länge und einen anderen Aufbau als die, die bei der spielbox erscheinen, was vielleicht am zur Verfügung stehenden Platz liegen mag (was war zuerst: Deine Homepage oder die Kritiken in der SZ?). Bei letzterer liegt zum Beispiel ein Schwerpunkt u.a. auf der Beschreibung des Mechanismus, die bei den Kritiken auf Deiner Seite eher in den Hintergrund rückt. Worin liegen für Dich die Vor- und Nachteile dieser unterschiedlichen Aufbauten Deiner Kritiken?

Historischer Abriß: Zuerst gab es die Kritiken in der SZ mit einer vom Layout und der Platzierung vorgegebenen Länge - die habe ich eins zu eins auf meine "Spielwiese" im Internet übernommen, allein schon aus praktischen Gründen, um nicht zweimal schreiben zu müssen. In der "Spielbox" ist natürlich wesentlich mehr Platz als in einer Tageszeitung, und vor allem hat sie auch andere Leser, die zum Beispielmehr über den Mechanismus wissen wollen.

Aus diesen beiden Sachverhalten ergab und ergibt sich der Unterschied im Aufbau der Kritiken: Wo ich weniger Raum habe, beschränke ich mich auf das in meinen Augen Wesentliche und schreibe eher "feuilletonistisch"; ein Zeitungsleser beziehungsweise Normalspieler will ja nicht in die mechanistischen Einzelheiten eingeführt werden, sondern wissen, ob ein Spiel etwas taugt und warum. Die Beschränkung hat den Vorteil, daß man sich nicht in Details verliert und stets versuchen muß, das Wesen mit relativ wenigen Worten wiederzugeben - womit natürlich der Nachteil einhergeht, daß in manchen Fällen auch eigentlich notwendige Informationen auf der Strecke bleiben müssen. Hier liegt wiederum der Vorteil der langen Form, die ich aber wegen ihrer Tendenz zur eher trockenen Regel- oder Strategiebeschreibung sprachlich weniger interessant finde. Auch deshalb bleibe ich im Internet beim Kleinteiligen, obwohl die Kritiken dort momentan nicht auf einer Zeitungsfassung beruhen, sondern sozusagen Sonderanfertigungen sind.

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17. März: Frage von Arne Hoffmann: Du publizierst Rezensionen sowohl in Zeitungen (momentan leider nicht mehr), in der Spielbox sowie auf Deiner Seite im Internet. Welches Medium ist Deiner Meinung nach für Rezensionen von Gesellschaftsspielen am besten geeignet und aus welchem Grund? Werden die Möglichkeiten der entsprechenden Medien Deiner Meinung nach ausreichend in Rezensionen genutzt?

Natürlich bin und bleibe ich ein Fan des bedruckten Papiers und habe lieber was in der Hand, als daß ich auf den Bilschirm starre - die Möglichkeit des Ausdruckens will ich mal außer acht lassen. Ob es sich um Spielekritiken oder andere Texte handelt, ist dabei zunächst unwichtig: Wirklich ist für mich, was ich anfassen, ausschneiden und aufheben kann, das Internet hat im Vergleich dazu etwas sehr Oberflächliches, Flüchtiges, vielfach auch Beliebiges und manchmal Bodenloses. Mir fehlt da mitunter eine kompetente Redaktion, die Menschen davor bewahrt, mit unlesbaren, nebensächlichen Schreibübungen um sich zu werfen; aber natürlich, es muß ja auch niemand lesen...

Unabhängig von solchen Grundsatzbetrachtungen ist eine Kritik eine Kritik, und ihre Qualität hängt nicht vom Medium ab, in dem sie erscheint. Ein Unterschied besteht nur in der Zielgruppe, dem Zugang und den technischen Möglichkeiten, mehr als den reinen Text zu bieten - in diesem Punkt ist das Internet selbstverständlich besser geeignet mit seinen vielfachen Verknüpfungen und multimedialen wie interaktiven Fähigkeiten. Genutzt wird das bei Spielen selten, es bleibt meist (und auch bei mir) beim Text, wie er theoretisch ebenso in der Zeitung stehen könnte. Dafür nutzen die Zeitungen ihre Möglichkeiten leider immer weniger, weil sie das Thema für kindisch bis unerheblich halten und meinen, mit ein paar "Kauftips" vor Weihnachten sei die Sache erledigt. Jene Minderheit, die in Spielen ein kulturelles Ereignis sieht, sitzt offensichtlich nicht an den richtigen Stellen.

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18. März: Frage von Arne Hoffmann: Nach welchen Kriterien wurden von Dir die Spiele für die Rezensionen in der SZ oder FAZ ausgesucht? Ging es mehr um "von diesem Spiel muß die Menschheit erfahren, da es gut/schlecht/zu unbekannt/ein Geheimtip ist" oder danach, daß neben Lob auch Dämpfer verteilt werden müssen, daß ein bunter Mix an Spieltypen gewahrt werden sollte, dass Du das Spiel gerade vorliegen hattest, etc...?

Bevor ich in der Jury "Spiel des Jahres" war, habe ich mir immer genau so viele Spiele ausgesucht, wie ich auch tatsächlich besprechen konnte -ohne vorher zu wissen, ob das jeweils ein Lob oder einen Verriß ergeben würde. Grundsätzlich legte und lege ich schon Wert darauf, bei Autoren, Verlagen und Spieltypen eine Art "bunten Mix" ohne Schlagseite zu haben und auch solche Spiele zu besprechen, hinter denen nicht sowieso ein größerer Werbe-Etat steckt. Andererseits sind manche Spiele - etwa die "großen" der "großen" Verlage oder Autoren - einfach Pflicht, vergleichbar mit dem neuen Roman eines bekannten Schriftstellers. Nur wenn ich mit einer bestimmten Gattung grundsätzlich wenig anfangen kann (Cosims, Tabletop, Sammelkarten, in Teilen auch Stichspiele) lasse ichdie Finger ganz davon, weil es etwas unfair wäre.

Diese Kriterien habe ich in der Jury beibehalten, als mir mehr oder weniger alle Spiele vorlagen, und jetzt ist es ohnehin wieder wie früher. Manchmal kommt es dabei durchaus vor, daß ich der Menschheit ein Spiel ans Herz legen will, ansonsten sehe ich mich jedoch weniger als "Ratgeber" oder "Einkaufsberater" denn als Kritiker - weshalb ich, anders als manche Kollegen, Verrisse für einen unverzichtbaren Teil der Tätigkeit halte und nicht etwa für Platzverschwendung. Wenn immer nur gelobt wird, verliert das Lob jeden Wert, weil es sich von nichts abhebt und keine Kriterien erkennbar werden. Außerdem ist es fürs allgemeine geistige Klima wichtig, daß Mist auch als solcher benannt und nicht unter den Teppich gekehrt wird...

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19. März: Frage von Jörg Junkersfeld: Lieber Herr Knopf. Es ist häufiger vom zu fördernden "Kulturgut" Spiel die Rede. Wie ist die Einstellung in den Redaktionen von SZ bzw. FAZ dazu? Fiel ihre Rubrik eher unter Kulturgut oder Kinderkram?

Als "Kulturgut" im eigentlichen Sinne, also auf einer Ebene mit Büchern, Filmen, Musik oder Bildern, sieht vermutlich kaum eine Redaktion die Spiele, möglicherweise nicht einmal in den einschlägigen Fachblättern. Das dürfte auch für die SZ gegolten haben, und in der FAZ gilt es schon zweimal.

Im Grunde kommt es darauf aber gar nicht so sehr an, wenn man nicht gleich eine komplette "Kulturberichterstattung" etablieren will, was deutlich mehr sein müßte als der mehr oder weniger regelmäßige Abdruck von Rezensionen.
Für Letzteres genügt es schon, wenn wenigstens die Spiele als solche ernst genommen und nicht als irgendwie unseriös, nebensächlich und Minderheitenluxus betrachtet werden; und das hängt wiederum in den meisten Fällen schlicht und einfach davon ab, ob der jeweils verantwortliche Redakteur einen Sinn dafür hat oder nicht. Deshalb ist es auch für freie Mitarbeiter nahezu unmöglich, Entscheidungen in dieser Hinsicht zu beeinflussen; und sogar wenn man in der Redaktion selbst sitzt wie ich, aber nicht im richtigen Ressort, und keine besonderen Beziehungen zum Zuständigen hat, kann die Überzeugungsarbeit verdammt schwierig und langwierig werden.
Die SZ ist im übrigen ein schönes Beispiel für die wechselnde und personenabhängige Konjunktur des Themas: Zu meiner Zeit gab es außer den Kritiken und hin und wieder anderen Geschichten auch die vorweihnachtlichen "Empfehlungen" verschiedener Leute aus der Branche, analog zu Büchern oder Schallplatten. Jetzt ist das vorbei, was aber nicht an mir oder meinem Nachfolger liegt, sondern daran, daß auch die Leitung des Ressorts gewechselt hat und mit ihm dessen Charakter. Bei der Literatur würde das nicht passieren, sie gilt als Pflicht unter allen Umständen. Es gibt also viel zu tun - doch ich wüßte nicht, wer es täte. Jedenfalls wäre ein Einsatz der "Freaks" in diesem Sinne wesentlich fruchtbarer als so manche Insider-Diskussion, die stattdessen geführt wird.

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20. März: Frage von Richard Heli: What were the keys to the healthy growth of the board game industry in Germany? Do you have any tips for helping similar developments in the United States? (Übersetzung PK:Was sind die Schlüssel für das gesunde Wachstum der Brettspielindustrie in Deutschland? Haben Sie Tipps für eine ähnliche Entwicklung in den USA?) (Übersetzung PK:Was sind die Schlüssel für das gesunde Wachstum der Brettspielindustrie in Deutschland? Haben Sie Tipps für eine ähnliche Entwicklung in den USA?)

The truth is: I don't know. We have a lot of people in Germany who like to play, for example card games, but it's similar (or better) in other countries like Greece or Turkey; the growth of the board game industry may have had many reasons, including some coincidences and the 25 years of the award "Spiel des Jahres". I don't know enough about the situationin the United States to give you any tips, I'm sorry!

Ich weiß es nicht, ehrlich gesagt. Viele Menschen in Deutschland spielen, zum Beispiel Kartenspiele, aber das ist in anderen Ländern wie Griechenland oder der Türkei genauso oder noch besser; das Wachstum der Brettspielindustrie mag viele Gründe gehabt haben, einige Zufälle und die seit 25 Jahren verliehene Auszeichnung "Spiel des Jahres" inbegriffen. Über die Situation in den USA weiß ich zu wenig, um Tips geben zu können, tut mir leid!)

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21. März: Du hast viele Höhen und Tiefen als Spielekritiker erlebt. Du schriebst für die SZ und die Spielbox und warst in der Jury "Spiel des Jahres", aus der nach eigenem Entschluss gegangen bist. Es folgte der Wechsel zur Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, die jetzt ohne Spielekritiken auskommt, und so bleibt dir "nur noch" die Spielbox. Wie siehst du diese Entwicklung? Welche Gefühle hattest du dabei?

Das frage ich mich auch manchmal, doch habe ich bislang noch keine befriedigende und ewig gültige Antwort gefunden. Es ist immer müßig, einer bestimmten Entwicklung im nachhinein einen Zusammenhang oder gar Sinn geben zu wollen - vieles ist ja Zufall und hätte auch ganz anders kommen können. Es gäbe folglich zu jeder Etappe sehr viel zu erwägen und zu erzählen, und manches wäre wir auch zu persönlich, als daß ich es hier mal so schnell nebenbei ins Netz posaunen möchte.

Mit allem Vorbehalt also: Man kann der Geschichte, wenn man will, sicher eine gewisse innere Logik und Konsequenz zusprechen. Ich habe mich mittels meiner Kritikertätigkeit und einiger anderer Aktivitäten zunächst dem Zentrum des organisierten Spielewesens bis zu jenem Punkt genähert, an dem ich kurze Zeit später vermutlich Vorsitzender der Jury "Spiel des Jahres" geworden wäre - unter den damals gegebenen und immer noch herrschenden Umständen wollte ich das aus den bekannten Gründen aber nicht.

Ein halbes Jahr nach dem Austritt habe ich dann, ohne daß das etwas damit zu tun gehabt hätte, auch die Zeitung gewechselt; die neue Redaktion war und ist äußerst spielfern, weshalb mein zunächst erfolgreicher Versuch, dort ebenfalls Kritiken zu etablieren, nun als Ergebnis der Zeitungskrise zumindest mittelfristig wieder gescheitert ist. Ich habe mich damit, alles in allem, vom oben erwähnten Zentrum wieder entfernt und bin als Kritiker derzeit mehr Vergangenheit als Gegenwart, wenigstens an den Veröffentlichungen gemessen.

Diesen Zustand könnte ich nun beklagen, wenn er mir nicht auch angenehm vorkäme: Eine bestimmte Phase ist vorbei, ich muß darin nicht alt und zur Karikatur meiner selbst werden, was auch in dieser Branche schon vorgekommen sein soll. Offen ist nur noch, welche Schlüsse ich daraus ziehe. Gut möglich, daß ich eines Tages ganz aufhöre und nur noch zum Spaß spiele, was mir sehr verlockend erscheint; es kann aber auch ganz anders kommen, irgendwie und irgendwann. Geplant habe ich mein Leben noch nie.

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22. März:  Frage von Daniel Meier: Sie kennen sich hervorragend in der Brettspiele-Szene aus und wissen genau, welche Komponenten es für ein perfektes Spiel braucht. Warum entwickeln Sie keine eigenen Spiele?

Weil das eine mit dem anderen leider relativ wenig zu tun hat. Der beste Autor kann als Kritiker völlig unfähig sein, und der kenntnisreichste Literatur- oder Filmkritiker muß noch lange nicht in der Lage sein, selbst ein Buch zu schreiben oder als Regisseur zu agieren - weshalb es übrigens auch ziemlich hirnrissig ist, einem Rezensenten vorzuhalten, er solle es erst mal selbst besser machen, bevor er andere kritisiere. Aus dem Wissen um die "Komponenten" erwächst noch keine Kreativität, im Gegenteil: Es kann auch lähmen und dazu führen, daß man einfach aus bekannten Teilen mechanisch etwas scheinbar Neues zusammenbastelt, das dann nicht mehr oder sogar weniger ist als die Summe dieser Teile. Wahrscheinlich wäre es besser, die Sache naiv und in kindlicher Schöpferlaune anzugehen. So ist es grundsätzlich - das schließt aber nicht aus, daß ich eines Tages mit einem sensationellen Spiel an die Weltöffentlichkeit trete und jede andere Arbeit einstellen kann, wenn nicht überhaupt jede Arbeit. Oder wird es doch ein Jahrtausendroman sein? Mal sehen.

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23. März: Ist abzusehen, ob es wieder mehr "Knopf" geben wird?

Na, es gibt doch eine ganze Menge "Knopf", was nicht bloß mein Körpergewicht betrifft, sondern auch meine Arbeit - nur bei den Spielekritiken bin ich eben momentan etwas auf Eis gelegt und allein auf meine "Spielwiese" und die "Spielbox" angewiesen, weil meine Zeitung in jeglicher Hinsicht spart. Ob das wieder anders wird und gegebenenfalls wann, kann ich nicht absehen; es hängt zuallererst von der Wirtschaftslage und deren Folgen für die überregionalen Zeitungen ab, die sich auch nach der berühmten "Ruck-Rede" noch nicht spürbar verbessert hat. Daß es aber davon abhängt, daß also für Rezensionen nur Platz ist, wenn überhaupt viel Platz ist, weil es viele Anzeigen gibt, ist sowieso schon ein sehr schlechtes Zeichen - weshalb sich mein Optimismus in Grenzen hält. Aber wie gesagt, ich schreibe auch dann, wenn ich nicht über Spiele schreibe.

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24. März: Wir haben dir nun viele Fragen gestellt. Möchtest du jetzt uns eine Frage stellen oder möchtest du unseren Lesern noch etwas mitteilen?

Ach, der Fragen sind genug gewechselt, glaube ich. Es freut mich, daß fast alle von ernsthaftem Interesse geprägt waren; ich habe deshalb auch gerne geantwortet und dabei sogar die eine oder andere Erkenntnis gewonnen. Nun aber Friede auf Erden und den Würfeln ein Wohlfallen - ich gehe einstweilen eine rauchen. Danke und auf Wiederlesen.

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