Interview by Email

Interview by Email ist eine neue Interview-Form, bei der die Leser aktiv in das Interview eingreifen können. Dem Befragten wird dabei jeden Tag per Email eine Frage gestellt, die er am gleichen Tag beantwortet und die dann hier veröffentlicht wird. Die Leser konnten Fragen einschicken und so den Verlauf steuern.

 
Wir danken Wolfgang Kramer, dass er sich bereit erklärt hat,
diese neue Form auszuprobieren.

Hier die Fragen, die wir und einige Leser Wolfgang Kramer im Dezember gestellt haben
die Antworten erhält man nach Klick auf die Nummer
 1 Warum haben Sie in den drei Spielen Tikal, Torres und Java Aktionspunkte verwendet?
Sind die Spiele dadurch nicht zu ähnlich geworden?
 2 Bei Tikal und Java werden die langen Wartezeiten kritisiert. Wie sehen Sie das?
 3 Wie kann man Wartezeiten bei anspruchsvollen Spielen - wie z.B. Tikal, Java - reduzieren?
 4 Sie betonen die gute Spielbarkeit von Tikal und Java zu zweit. Es ist bekannt, daß Ihre Frau Ursula an Ihren Spielen mitarbeitet und daß sie auch Mitglied der Spieleautorenzunft (SAZ) ist. Was ist ihr Anteil an diesen Spielen?
 5 Sie haben in diesem Jahr mit "Piraten Pitt" den Deutschen Spielepreis für das Kinderspiel des Jahres gewonnen. Wie kommt ein Autor, der für Erwachsenenspiele bekannt ist, dazu, ein Kinderspiel zu entwickeln.
 6 Wie sehen Sie Destruktivität und Aggressivität in reinen Zweipersonenspielen, bei dem ja ein direktes Gegeneinander herrscht? Ist in absehbarer Zeit mit einem Zweipersonen-"Kramer" zu rechnen?
 7 Spieleautoren verdienen bekanntermassen nicht viel Geld. Ab welcher Auflagenhöhe und welchem Autorenhonorar akzeptieren Sie eine Veröffentlichung?
 8 Was spielen sie am liebsten, wenn es die Zeit - die zwischen dem Erfinden und Probespielen von eigenen Spielen - erlaubt?
 9 Können Sie den Prozess des Spieleerfindens näher beschreiben (Von der Idee bis zur Veröffentlichung)?
10 Lieber Herr Kramer, als langjähriger Fan Ihrer Spiele interessiert mich sehr, woher Sie die Ideen zu Ihren Spielen nehmen und wie Sie diese dann zu einem funktionsfähigem Spiel bringen.
11 Dein Werdegang als Spieleautor ist ganz unterschiedlich verlaufen, zunächst Familienspiele wie Heimlich & Co und Auf Achse, dann Partyspiele á la Punk sucht Lady und nun mit Tikal usw. Spiele, die dem Spieler viel abverlangen. Wie kam es zu so einem unterschiedlichen Verlauf?
12 Beim Testen halten Sie Ergebnisse auf einem Testblatt fest. Welche Kategorien nehmen Sie in Ihr Testblatt auf und wie gestalten Sie es? Was ist dabei wichtig und auf was muß man achten?
13 Haben Sie auch schon einmal daran gedacht, eine Spielshow für das Fernsehen zu entwickeln?
14 Seit einigen Jahren werden aus beliebten Brettspielen immer wieder Kartenspiele entwickelt (u.a. Ihr Spiel "Auf Achse"). Glauben Sie, das ist eine erfolgsversprechende Strategie von Autoren und Verlagen, um das Kartenspiel zu fördern?
15 Wie viele fertige Spielideen liegen bei einem Wolfgang Kramer derzeit daheim rum und wie viele Spiele sollte ein Wolfgang Kramer im Jahr veröffentlichen, um davon gut leben zu können ?
16 Welches Spiel (Spiele) von einem anderen Autor hätten Sie gerne selbst erfunden und warum?
17 Aufgesetzte Themen bei abstrakten Spielmechanismen werden viel diskutiert. Wie stehen sie dazu und was kommt bei Ihren Spielen zuerst? Die Idee, ein Thema umzusetzen, oder ein abstrakter Mechanismus, zu dem ein Thema sich dazugesellt?
18 Welche Spiele spielen Sie selbst am liebsten?
19 Als Spieler wird man oft belächelt, weil man sich mit Kinderkram abgibt. Wie ergeht es einem hauptberuflichen Spieleerfinder
20 Wie sehen Sie als Spieleautor die Manipulation des Deutschen Spielepreises und welche Folgen wird dies für den Preis haben? Welche Massnahmen können Sie sich vorstellen, damit das Ansehen des Preises wiederhergestellt wird
21 Sie haben in Ihrer Antwort vom 01.12. davon gesprochen, eine "Familie mit Spielen" à la "Tikal" und "Java", die eine antike oder mittelalterliche Kultur widerspiegeln, aufzubauen. Gibt es speziell in dieser Richtung schon neue Konzepte oder gar Ansätze zu Realisierungen?
22 Was halten sie davon, mal ein Spiel gemeinsam mit einer unbegrenzten Anzahl von Miterfindern im Internet interaktiv zu entwerfen? Linux (zwar kein Spiel) wurde nach diesem System ein Renner. Viele gute Einzelspiele sind auf ähnliche Weise im Siedler Buch zusammengetragen worden. Für jeden Spielentwicklungsschritt angefangen von der Spielideenfindung bis zur Testung stünden Ihnen möglicherweise 100 Helfer zur Verfügung. Das letzte Wort würde ich Ihnen ohne weiteres zugestehen. Möglicherweise würde auch heirbei die Poeppelkiste www Unterstützung leisten. Wie wär's damit Herr Kramer ?
23 Wie feiern Sie Weihnachten?


1. Dezember 2000

Warum haben Sie in den drei Spielen Tikal, Torres und Java Aktionspunkte verwendet?
Sind die Spiele dadurch nicht zu ähnlich geworden?

Antwort zum ersten Teil der Frage
Aktionspunkte geben einem Spieler in einem Spiel, in dem er unterschiedliche Aktionen ausführen kann, den größtmöglichen Entscheidungs- und Entfaltungsspielraum. Die Aktionen werden nicht vorgeschrieben, sondern der Spieler kann selbst entscheiden, welche Aktionen und wie intensiv er sie ausführt.
Die Verwendung von Aktionspunkten ist für mich ein Spielmechanismus, der sehr gut zu anspruchsvollen Spielen passt - etwa so, wie der Würfel bei einfachen, glücksbetonten Spielen geeignet ist.
Wegen dieser besonders guten Eignung werde ich bzw. wir auch in Zukunft hin und wieder ein Spiel mit Aktionspunkten entwickeln.

Antwort zum zweiten Teil der Frage
Torres ist für mich ein ganz anderes Spiel als Tikal oder Java. Es ist ein Bauspiel und hat seine Wurzeln in Burgenland / Terra Turrium und ist durch die Verwendung der Aktionspunkte viel variabler und spielerischer geworden als seine Vorgänger.
Tikal und Java gehören zusammen. Sie haben vieles gemeinsam: Marke, Schachtelgröße, Maske auf Cover, Spielplan, Aktionstafeln, Geländeteile werden auf Spielplan gelegt, thematisch geht es jeweils um eine herausragende, für uns Europäer exotische Kultur in der Zeit zwischen 700 - 1100 nach Chr.
Beide Spiele sind ganz bewußt so ähnlich gehalten, weil sie den Versuch darstellen, eine Familie mit anspruchsvollen Spielen aufzubauen, bei denen eine antike oder mittelalterliche Kultur neu entsteht.

In den letzen Jahren gab es bei den "Spiel des Jahres Spiele" häufig Erweiterungen, Ergänzungen und Kartenspiele.
Wir möchten bei Tikal diesen Weg nicht beschreiten, obwohl er sehr gut möglich gewesen wäre. Wir möchten eine Familie mit eigenständigen Spielen etablieren. Ob dies gelingen wird und ob noch ein weiteres Spiel in dieser Reihe erscheint, wird davon abhängen, wie Java vom Markt angenommen wird. Der Spielmechanismus der Spiele soll unterschiedlich und eigenständig, aber anspruchsvoll sein. Ich denke, dies ist bei Tikal und Java gelungen. Während Tikal eher ein Familienspiel ist, stellt Java eine strategische Herausforderung dar. Übrigens sind beide Spiele sehr gut zu zweit zu spielen!

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2. Dezember 2000

Bei Tikal und Java werden die langen Wartezeiten kritisiert. Wie sehen Sie das?

Kritik nehme ich immer sehr ernst. Ich höre sie auch sehr gerne bei Tests von Prototypen. Bei einem veröffentlichten Spiel mag ich Kritik überhaupt nicht. Ich leide sogar darunter. Nehme sie aber ernst.
Ich habe einen Artikel geschrieben, an was man ein gutes Spiel erkennen kann (veröffentlicht in meiner Homepage unter Vorträge). Darunter sind auch "kurze Wartezeiten" aufgeführt. Ob eine Zeitdauer als kurz oder lang empfunden wird, ist subjektiv und hängt sehr stark von der Situation ab.

Dazu ein etwas deftiges Beispiel: Wer mit nacktem Hintern auf dem Schoß seines Partners sitzt, für den sind 2 Minuten sehr kurz. Wer aber mit nacktem Hintern auf einer heißen Herdplatte sitzt, für den sind 2 Minuten unendlich lang.

Diese Relativität gilt auch für Spiele. Wartezeiten bei "Mensch ärgere Dich nicht" werden als viel länger empfunden als bei "Schach". Anspruchsvolle Spiele müssen längere Wartezeiten haben, sonst kann die Tiefe eines Spiels nicht ausgelotet werden. Niemand behauptet, Schach oder Scrabble wären schlechte Spiele, weil sie längere Wartezeiten haben.

Bei der Entwicklung eines Spiels entwerfe ich auch immer ein "Testblatt", auf dem alle wichtigen Punkte eines Tests notiert werden. Ein Kriterium ist immer die Zeitdauer eines Spiels. In der Regel haben unsere Testpartien bei Tikal 80 bis 100 Minuten gedauert. Es gibt auch zwei Ausreiser mit 150 Minuten. Die Ursache ist immer bei den teilnehmenden Spielern zu suchen. Es gibt Spieler, die sich nicht entscheiden können und deren Spielzüge das gesamte Spiel aufhalten. So etwas nervt mich auch!

Darf man dies aber dem Spiel anlasten?

Ich denke nein. Die Konsequenz muß sein: "Bestimmte Spiele darf man nicht mit jedem spielen!"

Außerdem gilt zu beachten:

Als ich bei Tikal die Kritik "Wartezeiten" las, habe ich darüber intensiv nachgedacht. Ich habe versucht, Regeln zu finden, welche die Spieldauer reduzieren, ohne daß dadurch das Spiel in seinen Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt wird.

Ich glaube, daß ich eine Lösung gefunden habe, die auch bei anderen anspruchsvollen Spielen mit längeren Wartezeiten in modifizierter Form angewandt werden kann. Dazu morgen mehr.

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3. Dezember 2000

Wie kann man Wartezeiten bei anspruchsvollen Spielen - wie z.B. Tikal, Java - reduzieren?

Bei der Suche nach einer Lösung habe ich mich am Turnierschach orientiert. Hier werden die Zeiten für die Züge eines Spielers auf der Schachuhr festgehalten. Mein Ziel war es, einen Spielmechanismus zu finden, der es erlaubt, mal kurz, mal länger für einen Spielzug zu überlegen und der die gesamte Spielzeit begrenzt. Außerdem sollte der Spieler einen Vorteil haben, der mit weniger Bedenkzeit auskommt und der Spielmechanismus sollte mit geringem Aufwand realisierbar sein.

Für Tikal habe ich mir folgende Lösung ausgedacht:

TIKAL - Z

Zusätzliches Spielmaterial

Spielvorbereitung

Jeder Spieler erhält 6 Chips in seiner Farbe

Spielablauf

Die Regeln der Profiversion werden um folgende Regeln erweitert

Erfahrungen mit Tikal - Z

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4. Dezember 2000

Sie betonen die gute Spielbarkeit von Tikal und Java zu zweit. Es ist bekannt, daß Ihre Frau Ursula an Ihren Spielen mitarbeitet und daß sie auch Mitglied der Spieleautorenzunft (SAZ) ist. Was ist ihr Anteil an diesen Spielen?

Meine Frau arbeitet an allen meinen Spielen intensiv mit. Zweimal ist sie auch als Co-Autorin ausgewiesen (Abenteuer Tierwelt, Inspiration). Sie ist meine erste und wichtigste Testpartnerin. Alle meine Spiele werden mit ihr vielmals getestet. Auf ihr Urteil lege ich ganz besonderen Wert. Sie überprüft meine Spielregeln auf Fehler und Vollständigkeit und findet immer etwas, das ich übersehen oder nicht beachtet habe, ganz abgesehen von meinen Schreibfehlern. Mit ihr diskutiere ich über neue Titel, Themen, Konzepte, grafische Entwürfe, eigentlich über alles. Darüber hinaus erledigt sie alle anfallenden Bürotätigkeiten und hält mir den Rücken frei. Sie ist die gute Fee im Entwicklungsteam.

Bei einer solch intensiven Mitarbeit bleibt es nicht aus, daß häufig ihr Spielgeschmack in meine Spiele einfließt. Meine Frau mag z.B. keine aggressiven Spiele, keine Spiele, in denen viel gekämpft wird, keine destruktiven Spiele. Sie liebt eher harmonische Spiele wie z.B. Der Alchimist.

Wenn man z.B. die Spiele Tikal, Torres, Java und ganz besonders Die Fürsten von Florenz analysiert, wird man feststellen, hier wird niemand rausgeworfen, hier ist wenig Aggression im Spiel und keine destruktiven Elemente. Erst letztens bekam ich aus Amerika ein Email mit etwa folgendem Inhalt:

"Ihre Spiele strahlen eine besondere Wärme aus, sie sind nobel und edel. Können Sie mir sagen woran das liegt? Meine Frau, die nie besonders gerne gespielt hat, konnte ich dadurch zum Spielen bekehren!"

Es gibt Spiele, bei denen man nur dann gewinnen kann, wenn man andere schädigt. Diese Spiele nenne ich destruktive Spiele. Ganz besonders gilt dies für solche Spiele / Spielzüge, bei denen ich für mich nichts Gutes tun kann und nur dadurch Vorteile gewinne, daß ich einen anderen Spieler behindere, benachteilige oder schädige. Konstruktive Spiele sind für mich solche Spiele, bei denen man in seinem Zug die eigene Situation verbessert. Wenn dadurch ein anderer Spieler Nachteile erlangt, so wird dies von den Spielern meist akzeptiert, weil das Motiv der eigene Vorteil und nicht der Nachteil des anderen war.

So gesehen kann ich sagen, meine Frau steht für das konstruktive, harmonische Element in meinen Spielen. Selbstverständlich gilt dies in gleichem Maße auch für meine Co-Autoren, für Michael Kiesling und seine Frau Ina, für Richard Ulrich und seine Frau Ingrid!

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5. Dezember 2000

Sie haben in diesem Jahr mit "Piraten Pitt" den Deutschen Spielepreis für das Kinderspiel des Jahres gewonnen. Wie kommt ein Autor, der für Erwachsenenspiele bekannt ist, dazu, ein Kinderspiel zu entwickeln.

Ich habe schon immer gerne Kinderspiele entwickelt. Mein zweites Spiel hieß "Legemax" und kam 1974 auf den Markt. Es trägt bereits die Wurzeln von "Abenteuer Tierwelt" / "Expedition" in sich. Mein erstes wirklich erfolgreiches Spiel war ein Kinderspiel, hieß "Fahrradtour", kam 1982 auf den Markt und wurde über 100.000 mal verkauft. "Tabaijana" (Herder, 1990) wurde auf die Auswahlliste zum Spiel des Jahres aufgenommen. "Corsaro" (Herder, 1991) erhielt 1991 von der Jury Spiel des Jahres e.V. den Sonderpreis für das beste Kinderspiel.

Kinderspiele sind für das Kulturgut "Spiel" ganz besonders wichtig. Kinder, die nie gespielt haben, werden auch als Erwachsene nicht spielen und ihren Kindern keine Spiele kaufen. Dies setzt sich dann in die Zukunft fort. Die Folgen möchte ich mir gar nicht ausmalen.

Wenn man mich aber fragt, was ich lieber entwickle, so sind es eindeutig die Erwachsenenspiele. Warum? Ich kann sie besser beurteilen und ich spiele sie lieber. Dies spielt beim Testen eine wichtige Rolle. Man muß ein Spiel lieben, um es fünfzigmal und öfters zu testen.

Bei Kinderspielen erlebe ich immer wieder dicke Überraschungen, weil sich die Kinder ganz anders verhalten, als es sich Erwachsene vorstellen. Ein Kinderspiel kann man erst dann beurteilen, wenn man es mit Kindern spielt. Dies sagen auch alle Redakteure / Redakteurinnen von Kinderspielen. Es macht Spaß und ist aufregend, mit Kindern zu testen, weil Kinder mit Leib und Seele spielen. Das Spiel ist die Wirklichkeit und die Wirklichkeit ist das Spiel.

Dazu abschließend eine kleine Geschichte: "Kommt ein Vater von der Arbeit nach Haus, sieht seinen kleinen Sohn in der Wohnzimmermitte schnaubend und tutend auf einem Stuhl sitzen, hinter ihm vier weitere Stühle. Es ist unverkennbar, er spielt Eisenbahn und stellt die Lokomotive dar. Der Vater geht auf seinen Sohn zu und will ihn auf die Stirn küssen. Der Sohn wendet sich entrüstet ab und sagt: "Papi, du darfst mich nicht küssen, sonst denken die Wagen, die Lok wäre nicht echt!"

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6. Dezember 2000

Wie sehen Sie Destruktivität und Aggressivität in reinen Zweipersonenspielen, bei dem ja ein direktes Gegeneinander herrscht? Ist in absehbarer Zeit mit einem Zweipersonen-"Kramer" zu rechnen?

Antwort auf den 1. Teil der Frage
Diese Frage ergänzt meine Antwort auf den Einfluß meiner Frau auf meine Spiele und wie ich über konstruktive und destruktive Spiele denke.

Grundsätzlich gilt das Gesagte auch für Zweipersonenspiele, insbesondere für destruktives und konstruktives Verhalten. Die meisten Zweipersonenspiele sind interaktiv und aggressiv. Dies müßte aber nicht sein. Es gibt eine ganze Reihe von Spielen, bei denen es nur auf die eigene Leistung ankommt, z.B. Take it easy, Rummy oder Rommee, Bridge, Forum Romanum.
Ich selbst kann mit Aggressivität in Spielen gut umgehen, das ist aber bei vielen Menschen nicht der Fall. Als ich als Kind mit einem Freund Go spielte, hörte er zu spielen auf, als ich ihm einige seiner Steine wegnahm. Er hat nie mehr mit mir gespielt.
Es ist der Wettbewerb, der in jedem Spiel enthalten ist, der das Spiel begrenzt und bei manchen Menschen Distanz zum Spiel auslöst!

Antwort auf den 2. Teil der Frage

Ich entwickle lieber Mehrpersonenspiele. Ich sehe immer eine größere Spielrunde vor mir, wenn ich an einem Spiel arbeite. Insbesondere meine früheren Spiele waren in der Regel mit 6 Personen spielbar. Es gibt auch einige Spiele von mir, die mit noch mehr Personen gespielt werden können (z.B. Heimlich & Co. 6 nimmt!, Pepper, Große und kleine A, Haste Worte, Personality).

Die Antwort lautet deshalb nein. Ich bemühe mich dafür, die Spiele für 2-4 Spieler so zu gestalten, daß sie auch gut zu zweit spielbar sind (El Grande, El Caballero, Magalon, Tikal, Torres, Java).

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7. Dezember 2000

Frage von: Uli R. Schmidt

Spieleautoren verdienen bekanntermassen nicht viel Geld. Ab welcher Auflagenhöhe und welchem Autorenhonorar akzeptieren Sie eine Veröffentlichung?

Die Auflagenhöhe bestimmt der Verlag. Das Lizenzhonorar berechnet sich als ein Prozentsatz auf den Nettoabgabepreis des Verlags an den Handel. Im Lizenzvertrag werden als Prozentsatz in der Regel
5 % abgesprochen. Bei einem Verkaufspreis im Handel von ca. 40 DM, kann man von einem Nettoabgabepreis von ca. 20 DM ausgehen, davon 5 % ergibt ca. 1 DM pro Spiel. Wenn ein Co-Autor mitwirkt die Hälfte. Die Auflagen bei Spielen bleiben häufig unter 10.000 Stück. Natürlich gibt es auch einige Spiele, von denen mehr als 10.000 Stück verkauft werden, über 100.000 Stück kommen nur ganz wenige!

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8. Dezember 2000

Frage von: Carsten Wesel

Was spielen sie am liebsten, wenn es die Zeit - die zwischen dem Erfinden und Probespielen von eigenen Spielen - erlaubt?

Ich spiele und kaufe im Laufe eines Jahres ca. 50-60 neue Spiele von anderen Autoren, in der Regel Familien- oder Erwachsenenspiele. Ich halte es für äußerst wichtig, zu sehen, welche Spiele die einzelnen Verlage veröffentlichen, ob es Trends gibt, und welche Spiele meine Kollegen erfinden.

Um entscheiden zu können, bei welchem Verlag man ein neues Spiel einreicht, muß man dessen Programm kennen.

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9. Dezember 2000

Frage von : Erik Carstensen

Können Sie den Prozess des Spieleerfindens näher beschreiben (Von der Idee bis zur Veröffentlichung)?

Es ist nicht einfach dies mit wenig Worten zu tun. Ich versuche es trotzdem, auch wenn es ein etwas längerer Text wird.

Das Entwickeln von Spielen ähnelt einerseits der Tätigkeit eines Künstlers, der immer alle Regeln in Frage stellt, der stets auf der Suche nach Neuem und Originellem ist und der über optische Visionen zum Endprodukt kommt. Andererseits ähnelt es auch der Tätigkeit eines Forschers, der mit Systematik, Analyse und Synthese ans Werk geht, der aber auch immer auf der Suche nach Unbekanntem, Unentdecktem und Neuem ist.

Wie entsteht ein Spiel?

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10. Dezember 2000

Frage von: Sascha Lock

Lieber Herr Kramer, als langjähriger Fan Ihrer Spiele interessiert mich sehr, woher Sie die Ideen zu Ihren Spielen nehmen und wie Sie diese dann zu einem funktionsfähigem Spiel bringen.

Die Antwort wie man von der Idee zum Spiel kommt habe ich oben (am 9. ) beschrieben.

Wie kommt man aber zu einer Idee? Ich glaube, daß jeder Mensch viele Ideen hat, sie meistens aber nicht realisiert! An einem komplexen Spiel arbeite ich häufig ein halbes bis ein ganzes Jahr daran, mitunter auch länger. Das bedeutet, ich brauche gar nicht so viele Ideen. Drei bis fünf Ideen pro Jahr reichen mir, mehr kann ich ohnehin nicht realisieren.

Die Ideen kommen häufig, ohne daß man gezielt danach sucht. Man muß mit offenen Sinnen durchs Leben gehen und alles, was die Sinne erfassen mit Spielen in Verbindung bringen, dann kommen die Ideen meist automatisch.

Man kann natürlich auch ganz gezielt vorgehen. Man untersucht den Markt. Schreibt alles auf, was es an Spielen gibt und überlegt dann, welche Spiele es geben sollte, die es noch nicht gibt. Wenn man dann ein oder zwei oder mehr Ideen hat, wählt man eine aus und fängt an, die Idee zu realisieren.

Meist sind nicht die Ideen das Problem sondern das Realisieren!

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11. Dezember 2000 

Dein Werdegang als Spieleautor ist ganz unterschiedlich verlaufen, zunächst Familienspiele wie Heimlich & Co und Auf Achse, dann Partyspiele á la Punk sucht Lady und nun mit Tikal usw. Spiele, die dem Spieler viel abverlangen. Wie kam es zu so einem unterschiedlichen Verlauf?

Meine ersten Spiele waren überwiegend abstrakte, taktische Spiele mit einem ausgewogenen Glücksanteil (z.B. Tempo, Legemax, Coup, Transcart, Monte Carlo, Sequenz) in der Regel für 2-6 Personen. Diesen Spieltyp mochte ich damals selber sehr gerne.

Bald merkte ich, daß abstrakte Spiele wenig Chancen am Markt besaßen und ich ging zu Spielen mit Themen über, ohne den Spieltyp zu wechseln. Es entstanden dann Spiele wie z.B. Nicki Lauda´s Formel 1, Captain Future, Fahrradtour, Abenteuer Tierwelt, Heimlich & Co, In 80 Tagen um die Erde, Auf Achse.

Als ich mich 1989 als Spieleautor selbständig machte, setzte ich mir zum Ziel, alle Arten/Typen von Spielen mindestens einmal entwickelt zu haben.

Den Spieltyp, mit dem ich begonnen habe (Spiele für bis zu 6 Personen, bei denen Taktik und Glück gut gemischt sind), setzte ich mit Spielen wie z.B. City, Columbus, Phantom, Big Boss weiter fort.

Eine zweite Entwicklungsreihe befaßte sich mit einfachen Spielen mit etwas größerem Glücksanteil. Dazu gehören die Spiele Mitternachtsparty, Die goldene 1, So ein Mist, Nizza, 6 nimmt!.

In einer dritten Entwicklungsreihe beschäftigte ich mich mit "kooperativen Spielen". Es entstanden: Tabaijana, Corsaro, Piratennest, Wir machen mit!

Ich selbst spiele auch sehr gerne "kommunikative Spiele". Deshalb lag es nahe, mich in einer vierten Entwicklungsreihe mit diesem Spieltyp auseinander zu setzen. Veröffentlicht wurden folgende Spiele: Inspiration, Punk sucht Lady, Cartoon, Europa viva, Klappe auf, Personality, Haste Worte, Kaum zu glauben!, Der Alchimist. Diese Reihe möchte ich auch in Zukunft fortsetzen, weil ich weiß, daß es eine große Zielgruppe gibt, die diesen Spieltyp schätzt.

Anspruchsvolle Strategiespiele habe ich erst ab 1994 entwickelt. Die Verlage waren früher nicht bereit, komplexere Spiele zu verlegen, weil sie annahmen, die Zielgruppe hierfür sei zu klein. Die Siedler von Catan haben dies nicht nur eindrucksvoll widerlegt, sie haben auch den Trend zu anspruchsvollen, komplexen Spielen ausgelöst. Plötzlich wollten alle Verlage solche Spiele. Da ich selbst ein Fan dieses Spieltyps bin, habe ich mich ab Mitte der Neunziger Jahre mit Lust und Liebe auf diese Kategorie konzentriert. Verlegt wurden: El Grande, El Caballero, Magalon, Tycoon,
Die Händler, Tikal, Torres, Die Fürsten von Florenz, Java
.

Seit über 25 Jahre entwickle ich Spiele und habe inzwischen nahezu von jedem Spieltyp mindestens ein Spiel veröffentlicht. Abgesehen von den bereits oben erwähnten Spielen gehören dazu: Reaktionspiele (Greif zu, Fang die Tiere), Aktionspiele (Vulcano), Geschicklichkeitspiele (Thrill, Piepmatz), Wortspiele (Haste Worte, Wörterspaß), Memoryspiele (Piraten Pitt), Zweipersonenspiele (Duell der Schamanen), Bauspiele (Burgenland, Torres), Solospiele (Das verflixte Weltraumspiel), Sachspiele für die Think-Reihe (Logotrainer, Chronos), Geographiespiele (Über den Wolken).

Was kommt in der Zukunft? Darauf bin ich selbst auch gespannt!

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12. Dezember 2000 

Beim Testen halten Sie Ergebnisse auf einem Testblatt fest. Welche Kategorien nehmen Sie in Ihr Testblatt auf und wie gestalten Sie es? Was ist dabei wichtig und auf was muß man achten?

Es gibt kein allgemeingültiges Testblatt, das für alle Prototypen eingesetzt werden kann. Man muß für jeden Prototyp ein neues, spezifisches Testblatt entwickeln und man muß das Testblatt von Zeit zu Zeit an den Testfortschritt anpassen.

Allgemeiner Teil eines Testblattes, der für jeden Prototyp verwendet kann:

Spezifischer Teil eines Testblattes am Beispiel TORRES:

  1. Wie voll war der Spielplan am Ende des Spiels?
    Wie viele Bausteine waren auf dem Plan; wie viele Bausteine waren insgesamt im Spiel?
    Wie viele freie Felder gab es?
    Wie viele bebaute Felder gab es?
    Wie viele Felder hätten noch bebaut werden können?
  2. Wie viele Burgen gab es?
    Wie hoch waren die einzelnen Burgen, wie groß waren ihre Grundflächen?
    Dies wurde getrennt je Burg festgehalten.
     
  3. Wie viele Siegpunkte hatten die einzelnen Spieler?
    Wie kanpp waren die Ergebnisse?
    Wie viele Gesamtpunkte wurden erzielt?
    Wie war die Position und Reihenfolge der einzelnen Spieler?
    Gab es einen Reihenfolgewechsel?
    Hatte Start- oder Schlußspieler einen Vorteil?
     
  4. Wie viele Ritter wurden pro Spieler und insgesamt eingesetzt?
    Auf welcher Ebene standen die Ritter bei Spielende.
     
  5. Wie häufig wurden die einzelnen Aktionen gewählt?
    Welche Aktionen wurden bevorzugt?
    Wie viele Aktionspunkte hatten die Spieler?
     
  6. Wie häufig wurde der Bonus für die Königsburg vergeben?
    Welchen Einfluß hatte die Königsburg auf das Spiel?
     
  7. Wertungen: In welcher Runde wurde gewertet?
    Wie häufig wurde im Spiel insgesamt gewertet.
    Wie war der Spielstand nach den Wertungen?
    Ergeben sich Verschiebungen im Spielstand nach den einzelnen Wertungen oder liegt ein Spieler
    immer vorne und einer immer hinten?
    Wann war absehbar, daß ein Spieler gewinnen würde?
     
  8. Anzahl Züge: Wie oft kam ein Spieler an die Reihe?
     
  9. Wie viele Aktionskarten wurden insgesamt eingesetzt.
    Wie viele Karten pro Art?
     
  10. Regeln: Wurden alle Regeln gut verstanden? Wurden alle Regeln verwendet?
     
  11. Spielplan: Anzahl Felder? Sonderfelder?
    Anzahl Felder Wertungsleiste?
    Wie waren die Startfelder angeordnet?
     
  12. Chancengleichheit: Hatten alle Spieler die gleichen Chancen?

Je nach Entwicklungsstand ändert sich das Testblatt und der Schwerpunkt!

Es macht wenig Sinn alle diese Fragen von Beginn an zu stellen.

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13. Dezember 2000  

 Frage von Sascha Lock
Haben Sie auch schon einmal daran gedacht, eine Spielshow für das Fernsehen zu entwickeln?

Ja! Ich habe nicht nur darüber nachgedacht, ich habe auch in der ersten Hälfte der Neunziger Jahre Konzepte dafür entwickelt und diese Konzepte bei TV Sendern vorgestellt. Ich mußte erkennen, daß alle TV Sender sehr eng mit ganz bestimmten Produktionsfirmen zusammenarbeiten, die wiederum eng mit den TV Sendern verbunden sind - meist über die Moderatoren, die eigene Produktionsfirmen haben. Für Außenstehende ist es sehr schwer hier Fuß zu fassen.

Hinzu kommt, daß die Ideen für Gameshows zwar pfiffig aber sehr einfach gestrickt sind. Die Zuschauer am Bildschirm müssen die Regeln innerhalb 15 Sekunden verstanden haben. Dies läßt natürlich für Plagiate freien Raum.

Aus diesen Gründen haben ich mich in den letzten Jahren nicht mehr um Gameshows bemüht.

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14. Dezember 2000

Frage von Sascha Lock

Seit einigen Jahren werden aus beliebten Brettspielen immer wieder Kartenspiele entwickelt (u.a. Ihr Spiel "Auf Achse"). Glauben Sie, das ist eine erfolgsversprechende Strategie von Autoren und Verlagen, um das Kartenspiel zu fördern?

Nein, das glaube ich nicht. Um das Kartenspiel zu fördern, brauchen wir neue, eigenständige Ideen, wie z.B. Uno, Karrierepoker, Tichu, Bohnanza, Siedler Kartenspiel, Magic, 6 nimmt!

Der Grund, warum man aus beliebten Brettspielen Kartenspiele entwickelt, hat eindeutig finanzielle Gründe. Zum einen macht es auf das alte Spiel aufmerksam, zum anderen verhilft es dem neuen Spiel zu einem sehr erfolgreichen Start, der sonst so nie möglich gewesen wäre.

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15. Dezember 2000

Frage von Michael Gundlach

Wie viele fertige Spielideen liegen bei einem Wolfgang Kramer derzeit daheim rum und wie viele Spiele sollte ein Wolfgang Kramer im Jahr veröffentlichen, um davon gut leben zu können ?

Ich habe keine fertigen Spiele bei mir zu Hause in der Schublade. Es gibt aber fertige Spiele, die sich bei Verlagen befinden. Es gibt unfertige Spiele, an denen ich arbeite, bzw. bei denen ich auf Erleuchtung warte. Es gibt einige wenige unfertige Spiele, an denen ich nicht mehr arbeite, weil ich nicht mehr an eine erfolgreiche Realisierung glaube und es gibt eine ganze Reihe von Ideen, für deren Umsetzung mir immer die Zeit fehlt.

Zur zweiten Frage: Wie viele muß ich veröffentlichen, um davon gut leben zu können? Die Anzahl der Veröffentlichungen ist unbedeutend, es kommt allein auf den Verkauf an. Um gut leben zu können, müssen insgesamt etwa 100.000 Spiele (keine Kartenspiele) pro Jahr verkauft werden, bei einem Spiel mit Co-Autor die doppelte Menge.

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16. Dezember 2000

Frage von Roman Pelek

Welches Spiel (Spiele) von einem anderen Autor hätten Sie gerne selbst erfunden und warum?

Es gibt sehr viele Spiele - weit mehr als ich selbst entwickelt habe - die ich gerne selbst erfunden hätte. Man sieht daran, daß meine eigene Leistung in der Welt der Spiele nur ein verschwindend kleiner Beitrag ist. Ich kann natürlich bei weitem nicht alle Spiele aufführen, die mir spontan in den Sinn kommen, aber einige davon möchte ich nennen:

Abschließend möchte ich noch vier Autoren nennen, die viele Spiele gemacht haben, die mir alle sehr gut gefallen: Sid Sackson, Alex Randolph, Klaus Teuber und Reiner Knizia.

Wer jetzt die großen, tagesfüllenden Spiele vermißt, wie 1829, Diplomacy, Civilisation usw. dem muß ich bekennen, daß ich diese Spiele lediglich angespielt habe.

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17. Dezember 2000

Frage von Roman Pelek

Aufgesetzte Themen bei abstrakten Spielmechanismen werden viel diskutiert. Wie stehen sie dazu und was kommt bei Ihren Spielen zuerst? Die Idee, ein Thema umzusetzen, oder ein abstrakter Mechanismus, zu dem ein Thema sich dazugesellt?

Leider sind heute abstrakte Spiele, die in der Tradition der alten Klassiker entwickelt werden, nicht gefragt. Mir fällt aus den letzten vierzig Jahren nur ein einziges erfolgreiches abstraktes Spiel ein, nämlich Abalone. Die kommunikativen Spiele, die ja auch kein Thema haben, zähle ich nicht dazu.

Schmidt Spiele hatten den Mut, eine Serie mit abstrakten Spielen zu veröffentlichen. Obwohl die Spiele von Chris Burm sehr gut sind, wird die Serie wieder eingestellt. Das zeigt deutlich, daß für abstrakte Spiele der Markt sehr klein ist.

Bei meinen ersten Spielen bin ich immer von einem abstrakten Mechanismus ausgegangen. Anfangs der Achtziger Jahre habe ich gemerkt, daß Spiele mit Themen am Markt viel besser ankommen als abstrakte Spiele.

Meine ersten Spiele, die ich vom Thema her entwickelt habe, waren Auf Achse und mit Einschränkungen Formel 1 und Abenteuer Tierwelt.

Die Spiele Heimlich & Co. und Forum Romanum sind abstrakte Spiele, denen ein Thema aufgesetzt wurde. Ich habe bei beiden Spielen ca. 6 Jahre lang nach einem passenden Thema gesucht. Beide wären bei weitem nicht so erfolgreich gewesen, wären sie abstrakt geblieben.

Bei 6 nimmt!, ebenfalls ein rein abstraktes Spiel, dauerte die Suche etwa ein Jahr bis ich auf die Idee mit den Hornochsen kam.

Heute entwickle ich meine Spiele meist ausgehend vom Thema, wenn auch nicht ausschließlich. Ich verwende sehr viel Zeit, um ein gut geeignetes Thema zu finden, das viel Atmosphäre und Emotionalität besitzt, optisch wunderschön umgesetzt werden kann, und bei dem Wettbewerb vorkommt.

Es gibt Themen, die bereits hervorragend verwendbare Mechanismen enthalten, die man nur vereinfachen muß, um sie in ein Spiel übernehmen zu können. Dies war zum Beispiel bei Auf Achse der Fall. Wenn ich ein ansprechendes Thema habe, das keine eigenen, für das Spiel verwendbare Mechanismen besitzt, so muß ich das Thema so lange in meinem Kopf behalten, bis ich auf einen passenden Mechanismus stoße. Dies war z.B. bei Tikal so. Das Thema hat mich schon seit längerer Zeit beschäftigt, aber ich fand keinen geeigneten Mechanismus - dieser kam erst durch die Zusammenarbeit mit Michael Kiesling.

Torres hatte als Prototyp mehr Thema als das jetzt verlegte Spiel. Ravensburger hat Torres als Erwachsenenspiel entwickelt und deshalb mehr auf Abstraktion gesetzt. Heute, nach vielen Gesprächen mit Spielern und Händlern, glaube ich, daß dies ein Fehler war. Torres wäre ohne Auszeichnung "Spiel des Jahres" bereits 2001 vom Markt genommen worden. So nah können Erfolg und Mißerfolg beieinander sein!

Die Frage, ob man auf ein abstraktes Spiel ein Thema aufsetzen soll, kann nur mit einem eindeutigen "ja" beantwortet werden.

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 18. Dezember 2000

Frage von Eckehard Rapp

Welche Spiele spielen Sie selbst am liebsten?

Ich spiele meinen aktuellen Prototyp am liebsten. Wenn dem nicht so wäre, dann hätte ich das Spiel besser nicht erfunden, und dann hätte ich wohl auch keine Lust es fünfzigmal und mehr zu testen. Hier kommt für mich die ganz besonders hohe Spannung hinzu, wie wird das Spiel ankommen. Ich spiele aber auch sehr gerne meine bereits verlegten Spiele und nahezu alle Neuheiten bei den Erwachsenen- und Familienspielen. Jedes Jahr lerne ich so ca. 60 neue Spiele kennen.

In den letzten Jahren kamen viele gute bis hervorragende Spiele auf den Markt, die Lust auf noch mehr Spiele machen.

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19. Dezember 2000

Als Spieler wird man oft belächelt, weil man sich mit Kinderkram abgibt. Wie ergeht es einem hauptberuflichen Spieleerfinder?

In den siebziger Jahren erging mir es ähnlich. Da wurde dann etwas abschätzig von "Spielerchen" gesprochen. Mich hat das aber nicht weiter gestört. Wenn man mit mir ernsthaft über Spielen diskutieren wollte, habe ich erklärt, dass wir trainieren würden - nicht für die Kondition und die Muskeln sondern für die grauen Zellen. Auf meine Gegenfrage, was mein Gesprächspartner dafür tun würde, um geistig beweglich zu bleiben, schaute man mich meist sehr nachdenklich an und es gab fortan kein abschätziges Lächeln mehr.

In den achtziger Jahren konnte ich keine Geringschätzung mehr beobachten und heute wird Spielen auch für Erwachsene als positive und aktive Freizeitbeschäftigung angesehen.

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20. Dezember 2000

Wie sehen Sie als Spieleautor die Manipulation des Deutschen Spielepreises und welche Folgen wird dies für den Preis haben? Welche Massnahmen können Sie sich vorstellen, damit das Ansehen des Preises wiederhergestellt wird?

Als ich erfuhr, dass die Anzahl der abgegebenen Stimmen mit dem Faktor 12 multipliziert wurde, konnte ich dies zunächst gar nicht glauben, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass nur so wenig Stimmkarten eingesandt worden waren, da Umfragen über die besten Spiele sehr beliebt sind (siehe Internet). Inzwischen wurde in der Spielbox eine Stellungnahme von mir veröffentlicht. Der Deutsche Spielepreis war in der Szene und in der Branche eine begehrte Auszeichnung und hatte eine hohe Medienresonanz. Er sollte uns deshalb unbedingt erhalten bleiben. Ich bin optimistisch, wenn es gelingt, das Wahlverfahren unangreifbar zu machen. Die bereits geäußerte Lösung, in anderen Spielezeitschriften ebenfalls Stimmkarten beizulegen, halte ich für nicht so geeignet, da dies dazu führen würde, daß durch den Preis Begünstigte mehrfach abstimmen könnten.

Ich schlage folgendes Verfahren vor:

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21. Dezember 2000

Frage von Sybille Aminzadah

Sie haben in Ihrer Antwort vom 01.12. davon gesprochen, eine "Familie mit Spielen" à la "Tikal" und "Java", die eine antike oder mittelalterliche Kultur widerspiegeln, aufzubauen. Gibt es speziell in dieser Richtung schon neue Konzepte oder gar Ansätze zu Realisierungen?

Ja, wir haben bereits ein Spiel bis auf wenige Details fertig entwickelt, das in diese Familie passen würde. Das Spiel hat ein ähnliches Niveau und Spielgefühl, und es geht natürlich wieder um eine faszinierende Kultur. Ob das Spiel aber in dieser Linie erscheinen wird, hängt vom Verlag ab und der wiederum macht es davon abhängig; ob TIKAL und JAVA weiterhin gut am Markt ankommen werden.

Mehr kann ich dazu leider noch nicht sagen.

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22. Dezember 2000

Frage von Gerd

Was halten sie davon, mal ein Spiel gemeinsam mit einer unbegrenzten Anzahl von Miterfindern im Internet interaktiv zu entwerfen? Linux (zwar kein Spiel) wurde nach diesem System ein Renner. Viele gute Einzelspiele sind auf ähnliche Weise im Siedler Buch zusammengetragen worden. Für jeden Spielentwicklungsschritt angefangen von der Spielideenfindung bis zur Testung stünden Ihnen möglicherweise 100 Helfer zur Verfügung. Das letzte Wort würde ich Ihnen ohne weiteres zugestehen. Möglicherweise würde auch heirbei die Poeppelkiste www Unterstützung leisten. Wie wär's damit Herr Kramer ?

Ein sehr interessanter Vorschlag, dessen Durchführung reizvoll sein könnte.

Je länger ich allerdings darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu der Überzeugung, daß ich aus zeitlichen Gründen Abstand nehmen möchte, zumindest für die Jahre 2001 / 2002.

Man müßte die Idee gründlich überlegen und Rahmenbedingungen festlegen, an die sich jeder halten muß, der mitmachen will.

Folgende Fragen müßten geklärt werden:

  1. Begrenzung der Zeitdauer des Projektes? Ja / Nein? Wenn ja, wie lange sollte das Projekt dauern?
  2. Wie viele Personen sollen mitmachen können? Begrenzt auf ... / Unbegrenzt?
    Wer kann mitmachen? Alle, die möchten?
  3. Kann man jederzeit einsteigen? Auch nach Beginn?
  4. Kann man jederzeit wieder aussteigen? Auch ich selbst?
  5. Soll die Entwicklung öffentlich sein? Ideenschutz?
    Soll es ein geschlossener Kreis sein (Zugang über Passwort)?
  6. Angenommen, das gemeinsam entwickelte Spiel würde verlegt. Wer ist Autor / Herausgeber und wie würden das Honorar verteilt?
  7. Welches Thema soll das Spiel haben?
  8. Welcher Spieltyp soll entwickelt werden? Gibt es eine Vorgabe?
  9. Wie wird bei unterschiedlichen Meinungen verfahren? Demokratische Abstimmung?
  10. Welche Kosten entstehen (Internet)? Wer trägt sie, bzw. wie werden sie aufgeteilt?
  11. Welche Internet Voraussetzungen sind zu schaffen und wer macht dies?
  12. Wer übernimmt Dokumentation der Mitwirkenden, der Ideen, der Testergebnisse usw.
    Wer stellt alles ins Internet?
  13. Arbeiten alle an der gleichen Aufgabe oder könnte man eine sinnvolle Arbeitsteilung erreichen.
    Wer verteilt die Aufgaben und überwacht Durchführung und Termine.

Wer übernimmt die Koordinierung des ganzen Projektes und wie erfolgt sie?

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23. Dezember 2000

Wie feiern Sie Weihnachten?

In den letzten Tagen vor Weihnachten gehen wir auf den wunderschönen Stuttgarter Weihnachtsmarkt und besuchen anschließend gerne ein weihnachtliches Konzert in der Liederhalle oder in einer Kirche.

Am Heiligen Abend wird mit der Familie gefeiert und dabei wird natürlich auch gespielt!

Über die Feiertage gehen wir meist Essen, lesen all die neuen Bücher, die unter dem Weihnachtsbaum liegen und knabbern Gutsle (Weihnachtskekse).

An den Tagen danach schließt sich ein Theater- und / oder Museumsbesuch an.

Den Jahreswechsel feiern wir auf sehr spielerische Art meist zusammen mit Freunden.

 Abschließend möchte ich Brigitte und Wolfgang Ditt für ihr Engagement und allen Lesern der Pöppelkiste, die dieses Interview verfolgt haben, für ihr Interesse danken und wünsche allen

Frohe Weihnachten und ein glückliches, gesundes Neues Jahr!


An dieser Stelle endet das Interview mit Wolfgang Kramer. Wir danken ihm für die Bereitschaft zu diesem Interview und für die vielseitigen und interessanten Antworten. Dies gilt um so mehr, als dass Wolfgang Kramer auch viel Persönliches preisgegeben hat und sich nicht gescheut hat, auch unangenehmere Fragen ausführlich zu beantworten.

Brigitte und Wolfgang Ditt

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