German Games

Vorwort: In den USA hat sich in der Spielewelt, besonders in der Nesgroup rec.games.board der Begriff "German Games" gebildet. Wortwörtlich übersetzt heißt dies Deutsche Spiele, doch damit sind nicht generell Spiele aus Deutschland gemeint, sondern ein Typ Spiel, der derzeit besonders häufig von deutschen Verlagen verlegt wird.

Für die amerikanische Spiele-Site www.discovergames.com haben wir einen Artikel über German Games geschrieben, den wir hier in einer freien Übersetzung vorstellen.

Wir, das sind Brigitte und Wolfgang aus Deutschland, haben in den letzten Jahren beobachtet, dass immer mehr Spiele in den USA veröffentlicht werden, die zuvor in Deutschland herausgekommen sind. Oft handelt es sich dabei um Lizenzprodukte. Für solche Spiele wurde ein neuer Begriff geprägt, die German Games. In einigen Diskussionen und Artikeln wird auch der Begriff German Board Games verwendet, damit man weiß, das es sich nicht um Computerspiele handelt. Was sind aber nun die German Games?

Bevor wir näher auf den Begriff German Games eingehen, begeben wir uns ein wenig in unsere Spielevergangenheit; zu einer Zeit als wir noch viele Spiele kauften, die in den USA veröffentlicht wurden. Es begann in den frühen 80igern mit dem Fantasy-Rollenspiel D&D (TSR) und wurde mit Fantasy-Spielen wie Wizards und Magic Realm (beide Avalon Hill) fortgesetzt. Wir bezogen diese Spiele über spezielle Importläden und die Spiele waren ziemlich teuer. Anfang der 90iger waren wir dann öfter in den USA und konnten die Spiele vorort aussuchen.

Die Siedler von CatanIm Gegensatz zu den Spielen hier, waren die Spiele in den USA entweder ganz einfach oder sehr komplex. Die einfachen Spiele wurden auch in Deutschland veröffentlich, so z. B. Trivial Pursuit (Parker, jetzt Hasbro). Für die komplexen Spiele mit ihren langen Spieldauer gab es jedoch nichts Vergleichbares auf dem deutschen Spielemarkt. Diese Spiele ließen sich anhand der Thematik in zwei Kategorien unterteilen: Science Fiction und Fantasy Spiele sowie Kriegssimulationen. Was es aber in den USA nicht gab, waren Spiele zwischen den ganz einfachen und ganz komplexen; Spiele mit einer mittleren Spieldauer, die einiges an taktischen Möglichkeiten boten, aber dabei nicht zu komplex waren. Zwischen 1994 und 1996 waren wir nicht in den USA. Als wir 1997 wieder dort waren, hatte sich der Spielemarkt verändert. Die Anzahl der komplexen Spiele war zurückgegangen und statt dessen gab es viele Spiele, die wir bereits aus Deutschland kannten. German Games hatten es auf den amerikanischen Markt geschafft. Was aber waren nun diese German Games und welche neuen Eigenschaften brachten sie mit sich?

Eine einfache Definiton von German Games wäre "es sind Spiele aus Deutschland". Dann aber würde die ganze Bandbreite von Tempo, kleine Schnecke (Alex Randolph, Ravensburger) bis El Grande (Wolfgang Kramer & Richard Ullrich, Hans im Glueck) als German Game zählen. Die Herkunft eines Spiels hilft uns also nicht bei der Erklärung, was ein German Game ist. Außerdem, was wäre mit Spielen von Reiner Knizia, der in der Nähe von Windsor (England) lebt? Was wäre mit Spielen von Jumbo und Piatnik, die in den Niederlanden bzw. Österreich sitzen? Und dürfen wir Kardinal & König ein German Game nennen, weil es Franken und Schwaben zeigt und El Grande nicht, weil es eine Karte von der iberischen Halbinsel enthält? Nein, German Games müssen andere Eigenschaften haben als einen geographischen Bezug.

Wir betrachten einmal vier Spiele, um ein bisschen mehr über German Games zu erfahren: den Klassiker Die Siedler von Catan (Klaus Teuber, Kosmos), Euphrat & Tigris (Reiner Knizia, Hans im Glueck), das schon vorher erwähnte Kardinal und König (Michael Schacht, Goldsieber), and den diesjährigen Sieger des Spiel des Jahres Torres (Michael Kiesling & Wolfgang Kramer, FX).

Als die Siedler 1994 erschienen brachten der variable Spielplan, die Interaktion durch das Handeln, der Glücksfaktor und die Art, wie Fortschritte in der Besiedelung der Insel gemacht wurden, ein noch nie dagewesenes Spielgefühl. Die erste Auflage war ab 12 Jahre und gab 90 Minuten als Spieldauer an. Obwohl fast alle Spieler die Siedler mochten, gab es eine große Diskussion, ob ein Spiel mit solcher Komplexität denn Spiel des Jahres werden könnte. Heute blicken wir lächelnd darauf zurück, die Siedler gewannen und setzten neue Maßstäbe für Spieldauer, Komplexität und Interaktion. Viele Spiele mit ähnlichen Strickmuster erschienen seit dem, aber der Erfolg wurde nicht wieder erreicht.

Euphrat und Tigris gewann den anderen bedeutenden deutschen Preis, den Deutschen Spielepreis 1998. Das Spiel selber ist abstrakter und die Spieldauer ist auch ein bisschen länger als bei den Siedlern. Der Höhepunkt sind hier die taktischen Möglichkeiten. Wenn man erst einmal die Regeln verstanden hat, eröffnet sich einem ein hoch interaktives Spiel, deren Ausgang erst mit dem Setzen des letzten Kärtchens auf den Plan feststeht.

Kardinal und König ist das genaue Gegenstück zu Euphrat & Tigris. Mit einer Spieldauer von unter einer Stunde, nur 28 Spielfiguren pro Spieler, einem Spielplan und einem Satz Karten bietet es ebenfalls viele taktischen Möglichkeiten. Gewonnen wird durch Punkte, die man auf vierlerlei Arten erhält; eine Zieltsetzung, die man in vielen Spielen findet.

Das Spiel des Jahres 2000, Torres, führte uns dann in die 3. Dimension. Auch wenn dies nicht grundsätzlich neu war, so war es doch neu für German Games. Die Spieldauer beträgt wieder ungefähr eine Stunde, es gibt wieder viele taktische Möglichkeiten und es gibt viel Interaktion auf dem Spielbrett. Zusätzlich bietet es verschiedene Schwierigkeitsgrade, vom Anfänger bis zum Meister.

Es gibt so viele gute Spiele, dass wir sie hier nicht alle nennen können. Die kleine Auswahl erlaubt es uns aber, nun German Games allgemein zu charakterisieren:

  1. Taktik: German Games bieten vielfältige taktischen Möglichkeiten, um ein Spiel zu gewinnen. Dabei sind die wenigsten Spiele strategisch. Sie erfordern keine langfristige Planung, sondern die schnelle Reaktion auf die jeweilige Spielsituation.
  2. Glücksfaktor: die meisten Spiele enthalten einen Glücksfaktor in Form von Würfeln oder Karten. In vielen Spielen wird der Glücksfaktor berechenbar gemacht und reduziert das Glück auf Wahrscheinlichkeiten, so z. B. durch das Ziehen von fünf Karten, aus denen sich der Spieler eine aussucht.
  3. Interaktion: die Spieler agieren miteinander, z. B. durch Verhandlungen, Versteigerungen, oder durch Konflikte auf dem Spielbrett.
  4. Spieldauer: sie liegt meistens zwischen 60 und 90 Minuten und ist oft von der Spielerzahl abhängig.
  5. Ausstattung: Sie vereinigt Funktionalität und Ästhetik. Spielfiguren sind oft aus Holz und dreidimensional. Spielmaterial, das einmal auf dem Spielplan gelegt wird und dort bis zum Ende des Spiels verbleibt, ist oft aus dicken Karton gestanzt. Für spezielle Gegenstände wird auch schon mal anderes Material wie Plexiglas verwendet. Außerdem sind Brett und Schachtel so gezeichnet, dass sie auf das Spiel einstimmen.
  6. Autor(en): German Games sind von ein oder zwei Leuten entwickelt worden, deren Name(n) auf der Schachtel oder in der Regel genannt wird.
  7. Regeln: Die Spielregeln sind oft ein kleines Heft von 8 bis 12 Seiten. Die Länge der Regeln sind ein Maßstab für die Anzahl der Regeln, die ein Spieler lernen muss und bestimmen somit auch den Grad der Komplexität.
  8. Thema: German Games haben oft historische Themen und spielen im Altertum oder im Mittelalter, aber es gibt auch etliche andere Themen.
  9. Simulationen: German games simulieren niemals historische Ereignisse, besonders keine Kriege. Sehr wohl werden aber geschichtliche Themen aufgegriffen und dienen als Ausgangspunkt für ein Spiel.

ElfenlandDiese neun Punkte können wir nun als Checkliste benutzen, um zu bestimmen, ob ein Spiel ein German Game ist. Wir demonstrieren dies einmal am Beispiel von Elfenland (Alan R. Moon, Amigo), das mit Alan R. Moon einen amerikanischen Autor hat, aber mit Amigo einen deutschen Verlag: (1) Taktik und schnelles Reagieren ist erfodrerlich, weil man die Transportmittel der anderen Spieler mitnutzen muss. (2) Glück ist durch Kartenziehen enthalten und kann durch die richtige Wahl der Transportmittel ausgeglichen werden. (3) Interaktion gibt es durch die Transportmittel und die Hindernis auf dem Spielplan. (4) Die Spieldauer beträgt ca. 60 Minuten. (5) Bei der Grafik von Doris Matthäus und den vielen Holzteilen, besonders den Stiefeln, erübrigt sich jeder Kommentar. (6) Wie schon gesagt ist Alan R. Moon der Autor und natürlich steht der Name auf der Schachtel. (7) Die Regeln liegen dem Spiel in Form eines 12-seitigen Hefts bei. (8) Das Thema stammt aus dem Fantasy-Bereich; dies ist das einzige Kritierium, das Elfenland nicht erfüllt. (9) Elfenland ist keine Simulation. Insgesamt lässt sich sagen, dass Elfenland ein German Game ist.

Die führt uns zu einer anderen Tatsache: German Games müssen nicht aus Deutschland stammen. Das beste Beispiel ist Acquire. Es erfüllt ebenfalls die meisten Kriterien, hat aber mit Sid Sackson einen amerikanischen Autor, hatte seine Erstveröffentlichung mit 3M bei einem amerikanischen Verlag und wurde lange bevor es den Ausdruck German Games gab veröffentlicht. Umgekehrt gibt es auch Spiele aus Deutschland, die kein German Game sind. Hier ist das erfolgreiche 6 nimmt (Wolfgang Kramer, Amigo) ein gutes Beispiel: es erfüllt nur wenige Kriterien, hat aber einen deutschen Autor und einen deutschen Verlag.

TikalSeit 1994 waren alle Gewinner des Spiel des Jahres Germen Games. Der letzte Gewinner, der kein German Game war, hieß 1993 Bluff (R. Borg, F.X.), ein typisches schnelles amerikanisches Spiel.

Zum Abschluss schauen wir noch auf ein Spiel aus diesem Jahr: La Cittá (Gerd Fenchel, Kosmos). Obwohl wir es eindeutig als German Game beziechnen würden, ist es ein wenig anders als alle zuvor erwähnten Spiele. Die Spieldauer beträgt, zumindest bei mehr als 3 Spielern, länger als 90 Minuten und trotz des geschichtlichen Themas hat es Elemente einer Simulation. Außerdem gibt es kein reales Gegenstück La Cittá ist ein Schritt in Richtung der früheren komplexen amerikanischen Spiele, die wir in den 80iger Jahren gekauft haben. Hier endet nun unser Bericht, weil wir dort angekommen sind, wo wir gestartet sind.

Brigitte and Wolfgang Ditt

 

Über die Autoren: Brigitte, geboren 1959, and Wolfgang, geboren 1960, sind seit 1987  verheiratet und haben 3 Kinder im Alter von 12, 10 und 1 (Stand: September 2000). Sie haben u. a. für das größte deutsche Spielemagazin, die Spielbox geschrieben. Seit 1997 führen sie ihr Internet-Magazin "Die Pöppelkiste", deren Inhalte überwiegend auf deutsch sind. Sie entwickelten viele Spielvarianten und auch eigene Spiele. Die Catan-Szenarien sind so beliebt, dass sie sogar auf japanisch übersetzt wurden. Ihr erstes eigenes Spiel wird voraussichtlich Oktober 2001 erscheinen.

Hier sind im Amerikanischen noch Links für den Bezug von Spielen angefügt.