Farbenblindheit

Rot und Grün - Kein Unterschied?

Zu unserem Bekanntenkreis zählt Torsten, ein leidenschaftlicher Spieler. Er ist farbenblind, genauer Rot-Grün-Farbenblind. Wir sind es gewohnt, daß dies bei vielen Spielenu Schwierigkeiten führt; ein Schlüsselerlebnis hatten wir auf den Essener Spiel '97. Dort wollten wir "Expedition" kennenlernen.

Der Spielplan zeigt eine Weltkarte, und auf den Ozeanen befinden sich rote und grüne Punkte, beide in satten Farbtönengehalten. Für Torsten waren sie nicht unterscheidbar. Somit wurde jeder seiner Züge von einem Dialog ähnlich diesem begleitet: "Ist der Punkt rot?" "Ja! " Ist der Punkt grün?" "Nein!" "Und der?" "Ist grün". "Dann ziehe ich die Expedition auf den grünen Punkt." "Nein, der ist rot." Ein Spielfluß kam so nicht zustande. Völlig enttäuscht und uns fragend, wie so ein Spiel auf die Bestenliste gekommen ist, verließen wir den Queens-Stand.

Erst mit diesem Erlebnis wurde uns richtig bewußt, wie benachteiligt Farbenblinde beim Spielen sind. Wir begannen, in Zusammenarbeit mit Torsten, nach Abhilfen zu suchen. Das erste Spiel, das wir uns vornahmen, war natürlich Expedition. Wir wollten uns mit dem Erlebnis aus Essen nicht zufriedengeben, denn das Spiel weist alle Krite-rien für ein gutes Spiel auf: es war unter verschiedenen Titeln erfolgreich auf dem Markt, hat mit Wolfgang Kramer einen renommierten Autor und wurde für die Bestenliste nominiert. Wenn wir Hilfen bei Farbenblindheit entwickeln wollten, mußten die Probleme bei Expedition zuerst gelöst werden. Farben abzuändern erschien zunächst ganz einfach: man kauft ein paar Klebepunkte und überklebt entweder die roten oder die grünen Punkte. So begannen wir mit braun, hellblau, weiß; eben mit Farbtönen, die noch nicht auf dem Plan von Expedition zu finden sind. Alle Versuche schlugen fehl. Es gab immer eine andere Farbe, die im Farbton zu nah an den Klebepunkten war. Hier erst merkten wir, wie gut die Farbauswahl bei Expedition ist, nur nicht für Farbenblinde. Nachdem wir fast resigniert hätten, kam uns noch eine letzte Idee: weiße Lochverstärkungsringe. Sie wurden um die grünen Punkte geklebt. Die weiße Farbe der Ringe fällt auf dem hellblauen Hintergrund, der durch die Ozeane gegeben ist, kaum auf. Für Torsten waren sie eine ausreichende Hilfe, die roten und grünen Punkte zu unterscheiden. Der Spielfluß normalisierte sich damit; und jetzt kamen die Qualitäten von Expedition voll hervor.

El Grande und Expedition

Für andere Spiele war es viel einfacher, die Schwierigkeiten zu beseitigen. Bei El Grande (Hans im Glück) werden eine große Anzahl Würfel auf den Spielplan gebracht, die dort Caballeros heißen. Wie bei vielen Spielen sind auch hier die Farben rot und grün vertreten. Normalerweise werden die Caballeros, wenn sie auf den Plan kommen, irgendwie in die Regionen gestellt. Dadurch aber mischen sich rote und grüne Caballeros auf dem Plan. Wir sortieren daher die Caballeros und stellen sie innerhalb der Regionen dorthin, wo der betreffende Spieler sitzt. Die Caballeros des Spielers, der vor dem Brett sitzt, stehen also immer im Süden; die Cabelleros des Spielers, der überkopf schaut, im Norden. Entsprechend spielen wir auch die Ursuppe (Spiele von Doris und Frank), in dem wir die Nährstoffe geordnet in die rechteckigen Felder der Ursuppe legen.

MagalonfigurenHäufig sind es nur die Spielerfiguren, die Schwierigkeiten bereiten. Zwar sind sie zahlenmäßig eher wenig in einem Spiel, haben dafür aber grundsätzlich eine bedeutende Rolle. Je nach Form können Spielfiguren markiert werden. Sind sie glatt, kann ein einfacher Klecks Lackfarbe helfen. Pöppel, die eine Verjüngung in der Mitte haben, markiert man einfach durch einen Faden. Mit mehr Aufwand lassen sich auch stimmungsvollere Markierungen entwickeln. So kann man für die Zauberer in Magalon (Ravensburger) kleine Umhänge mit magische Symbolen anfertigen. Apropos Magalon: Wir haben uns einen zweiten Satz Spielfiguren besorgt, sodaß wir Magalon mit zwei Sätzen roter und zwei Sätzen grüner Spielfiguren spielen konnten. So konnten wir auch einmal erfahren, wie es Farbenblinden beim Spielen ergeht. Um Streitereien zu vermeiden, haben wir sicherheitshalber die Figuren unterwärts gekennzeichnet. Obwohl jeder Spieler bei Magalon nur drei Figuren hat, einen Magier, ein Schild und einen Zählstein, reicht dies aus, um die Konzentration vom Spielgeschehen auf die Figuren zu verlagern. Dies ist ein Nachteil, den Farbenblinde regelmäßig erleiden.

Die Farben Rot und Grün sind traditionell in Spielen vertreten, besonders bei den Spielfiguren. Die Verwendung dieser Farben ist jedoch keine Gedankenlosigkeit der Verlage. Für Nichtfarbenblinde sind diese Farben bestens geeignet und für Kinder sind sie leuchtend und ansprechend. Es gibt inzwischen auch eine Reihe von Spielen, bei denen keine Probleme für Farbenblinde auftreten.

Derzeit aktuell ist die Benutzung von Miniaturen als Spielfiguren. Diese Figuren unterscheiden sich durch ihre Form. Das bekannteste Beispiel aus dem diesjährigen Spielejahrgang sind die Fahrzeuge aus Edison & Co (Goldsieber), die sogar nach ihrer Form benannt werden. Miniaturfiguren werden auch bei den großen Abenteuer der kleinen Hobbits (Queens) verwendet. Hier sind die Sockel der Figuren zusätzlich durch Farbe kenntlich gemacht. Wie hilfreich Sockel sein können, zeigt auch Ursuppe. Hier bestehen die Amöben aus einer Stange und einem Holzklötzchen. Die Holzklötchen sind rund, vier-, sechs- oder achteckig, je nach Farbe der Amöben.

Verschiedene Miniaturen

Unterschiedliche Erfolge liefern naturfarbene Spielfiguren wie sie seit Ranina, mein kleiner Frosch will zum Teich (Edition Perlhuhn) Verwendung finden. In diesem Jahrgang finden sich naturfarbene Spielfiguren in Freibeuter (Hans im Glück). Die Problematik mit roten und grünen Spielfiguren ist hier nicht gegeben. Die Farbauswahl bei natürlichen Farben ist gegenüber klaren Farben deutlich eingeschränkt. So finden sich durchaus Farben in einem Spiel wieder, deren Farben ähnlich sind und die bei künstlicher Beleuchtung schwer zu unterscheiden sind. Der hohe Grauanteil und die damit verminderte Klarheit der Farben erschwert es Farbenblinden, ähnliche Farbtöne zu unterscheiden.

Freibeuter/ Entdecker/Siedler von CatanDurch geeignete Farbwahl lassen sich Probleme für Farbenblinde ausschließen. Beste Beispiele sind hier Entdecker (Goldsieber) und die Siedler von Catan (Kosmos). In beiden Spielen werden die Farben weiß, orange und rot verwendet. Hinzu kommt mit blau bzw. schwarz eine dunkle Farbe. Orange und Rot sind aufgrund ihres deutlich unterschiedlichen Graustufenwertes für Farbenblinde einfach zu unterscheiden. Da in beiden Spielen kein Gelb vorkommt, gibt es sogar für die Minderheit der Gelb-Blau-Farbenblinden keine Probleme.

Aus Experimenten mit Rot-Grün-Farbenblinden hat sich ergeben, daß die geeignete Farbkombination für vier Farben aus weiß, gelb, rot und blau besteht. Werden sechs Farben benötigt, läßt sich der Satz um Violett und Schwarz erweitern. Werden in einem Spiel die Farben rot und grün gewünscht, so kann man sich die Eigenschaft, daß Rot eine deutlich dunklere Graustufe gegenüber Grün hat, zu nutze machen. Farbenblinde benutzen diesen Unterschied, um wenigstens einige rote und grüne Farbtöne zu unterscheiden. Deshalb sind Karmesinrot und Laubfroschgrün der beste rote und grüne Farbton. Zudem haben sie die gewünschten Eigenschaft klar zu sein und sind gängige Repräsentanten ihrer Farbgruppe.

Die Auswahl von Farben für Spiele wird nicht danach getroffen, daß Farbenblinde mit dem gewählten Farbensatz zurecht kommen. In vielen Fällen kann der Spieler mit geringem Aufwand Abhilfe schaffen; und er sollte sich nicht scheuen, dies zu tun. Wie wir selbst am Beispiel von Expedition erfahren haben, führen geringe Maßnahmen in betroffenen Spielerrunden zu einer deutlichen Verbesserung der Spielqualität. In den letzten Jahren wurden immer mehr Spiele veröffentlicht, bei denen die Farbproblematik nicht auftrat. Wir können für die Menschen, die unter Farbsehschwäche leiden, nur hoffen, daß sich dieser Trend fortsetzt.

Wolfgang und Brigitte Ditt

Farbenblindheit
Farbenblindheit ist eine erblich bedingte Sehschwäche. Die Fähigkeit, Farben korrekt zu erkennen, wird über das Geschlechtschromosom vererbt. Dadurch bedingt sind ca. 8% der Männer, aber nur 1% der Frauen von Farbenblindheit betroffen. Am häufigsten tritt eine Rot-Grün-Sehschwäche auf. Seltener sind eine Gelb-Blau-Sehschwäche oder der komplette Verlust der Farberkennung.