Wir befinden uns in den USA. Soeben habe ich fünf Claims bekommen. Kleine Karten weisen uns als den rechtmäßigen Besitzer aus. Vielleicht sollten wir doch lieber Grundstücke dazu sagen, denn hier wird nicht nach Gold geschürft, sondern eine Stadt gebaut. Damit eine Stadt entsteht, werden Stadtviertel geplant, und davon gleich acht. Weil es amerikanisch zugeht, sind die Stadtviertel in "Blocks" unterteilt, wie die Amerikaner die quadratischen von Straßen umgebenen Grundstücke nennen.
Bevor aber die Stadt errichtet wird, muß erst einmal die Lage einiger Stadtviertel geplant werden. Dazu wird das erste Stadtviertel, ..., ausgelegt. Nun muß jeder Spieler ein weiteres Stadtviertel anlegen. So entsteht der Grundriß einer unbewohnten Stadt, die derzeit wohl noch besser "Ghost Town" heißen würde.
Jetzt muß Leben in die Bude, Verzeihung, in die Stadt. Dazu dient eine von fünf möglichen Aktionen: die Bebauung: Man gibt die Grundstückskarten ab, auf denen ein Gebäude errichtet werden soll, und stellt das Gebäude auf die Fläche. Danach füllt man seine Grundstückskarten wieder auf fünf Karten auf. Dabei sind die Karten nach Stadtvierteln sortiert, so daß gezielt nachgezogen werden kann.
Zu Anfang des Spiels stehen nur 3 verschiedene Gebäudearten zur Verfügung: Wohnhäuser für die Unterbringung der einheimischen Bevölkerung, Geschäftshäuser zur Schaffung von Arbeitsplätzen und ein Rathaus für die Verwaltung. Während es Wohn- und Geschäftshäuser in drei Größen gibt, benötigt das Rathaus immer nur ein Grundstück. Dafür kommt ihm aber eine zentrale Rolle zu.
Erst wenn das Rathaus steht, wird aus "Small City" eine Stadt. Von jetzt an gibt es mehr Baumöglichkeiten: weitere Gebäudearten, Anlagen und eine Straßenbahn. Die weiteren Gebäude erhöhen den Lebensstandard. Leider sind sie nicht so einfach zu errichten wie Wohn- und Geschäftshäuser, stellen sie doch Ansprüche an die Nachbarschaft. So benötigen Kinos zwei Wohnhäuser in der Nachbarschaft, Banken hingegen Geschäftshäuser und die Post möchte sowohl ein Wohn- als auch ein Geschäftshaus in der Nähe wissen. Das Kaufhaus hat die umfangreichsten Anforderungen: neben Wohn- und Geschäftshaus benötigt es noch ein anderes Gebäude und die Straßenbahn vor der Tür. Zuletzt gibt es noch Kirchen. Diese fordern heiligen Boden und dürfen somit nur auf Grundstücken mit einer Schnapszahl errichtet werden. Außerdem muß das ganze Stadtviertel schon bebaut sein.
Auch Anlagen dürfen erst errichtet werden, wenn das Rathaus steht. Für die Erholung gibt es Parkanlagen, für die industrielle Produktion Fabrikanlagen. Ihre Errichtung ist nur mit speziellen Genehmigungskarten, die in die Grundstückskarten eingemischt sind, möglich. Besitzt man sie, kann man die Anlage bauen, wo Platz ist und die Stadtlage stimmt. Das allgemeine städtischen Interesse an diesen Bauten geht einer privaten Nutzung vor, und so werden die überbauten Grundstücke für den Eigentümer wertlos.
Bevor wir auf die weiteren Aktionen eingehen, ein Wort zur Wertung. Für jede Bebauung gibt es Punkte, die am Ende des Spiels über den Sieg entscheiden. Wohn- und Geschäftshäuser bringen je nach Größe zwischen 2 und 10 Punkte, Bank, Kino und Post je 5, eine Kirche 15 und ein Kaufhaus, der einzige Sonderbau über zwei Grundstücke ist, bringt stolze 30 Punkte. Diese Punktzahl kann aber je nach Umgebung modifiziert werden. So werden Wohn- und Geschäftshäuser in der Nähe von Parks punkteträchtiger, in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer Fabrik hingegen weniger wert. Auch verändert die Stadtlage den Wert dieser Gebäudetypen: die Lage für ein Wohnhaus ist besser am Stadtrand während Geschäftshäuser die Innenstadtlage bevorzugen. Bei der Punktwertung kommen dem Rathaus und der Straßenbahn eine besondere Bedeutung zu: die direkte Nachbarschaft zum Rathaus verdoppelt die Punkt von Geschäftshäusern, Kinos, Banken und Post. Dies geschieht auch, fährt die Straßenbahn vorbei. Sie verdoppelt außerdem auch die Punkte von Wohnhäusern. Besonders lukrativ ist es natürlich, Rathaus und Straßenbahn in der Nähe zu haben: dann werden die Punkte aber nicht vervierfacht, sondern "nur" verdreifacht. Einige Bebauungen bringen keine Punkte: das Rathaus, sowie die Park- und Fabrikanlagen. Aber es wäre ja wohl auch des guten zuviel, für die stinkende Fabrik auch noch Punkte zu verlangen.
Kommen wir nun zu den anderen Aktionen: da ist zunächst einmal der Straßenbahnbau. Auch er beginnt erst nach der Errichtung des Rathauses. Dann kann ein Spieler einen der 17 Gleiskörper verlegen. Ist die Straßenbahnlinie erst einmal eröffnet, kann jeder weitere Spieler sogar zwei Gleise legen. Ein Gleis, dargestellt durch kleine silberne Straßenbahnen, wird immer zwischen den Grundstücken verlegt. So kommen meist zwei Grundstücke in den Genuß der Straßenbahn; lediglich in Stadtrandlage fährt sie nur an einem einzigen Grundstück vorbei.
Ebenfalls erst nach der Errichtung des Rathauses darf die Stadt vergrößert werden. Dazu verwendet man die restlichen Stadtviertel. Sie werden nach denselben Regeln angelegt, die auch schon zu Beginn des Spiels galten. Der Vorteil, die Stadt zu vergrößern, besteht darin, sich zusammenhängende Grundstücke zu verschaffen, denn Grundstücke können bereits erworben werden, bevor das entsprechende Viertel ausgelegt ist.
Die vorletzte Aktion ist der Kartentausch. Man legt dazu beliebige Karten von der Hand unter die entsprechenden Stapel und nimmt neue; allerdings pro Stadtviertel maximal zwei. Durch diese Aktion kann ich Grundstücke, auf denen Anlagen errichtet wurden, loswerden. Außerdem kann ich so meine Karten schneller ändern als durch die Bebauung.
Die letzte mögliche Aktion ist das Passen. Sie wird erst gegen Ende des Spiels attraktiv, wenn bestimmte Grundstücke unbebaut bleiben sollen. Es ist oftmals die einzige Möglichkeit, die Errichtung einer Kirche durch den Mitspieler zu verhindern.
Als wir die Schachtel von Big City öffneten, waren wird sofort von dem Material beeindruckt. Die Gebäude und Anlagen sind dreidimensional, die Straßenbahn kleine Fahrzeuge. Dabei sind sämtliche Gebäudearten fein modelliert. So sind bei den Wohnhäusern die Einfamilienhäuser zu erkennen, beim Kino die Leinwand und die Kirchen haben zwei Türme. Das hervorragende Material wird durch die Stadtviertel aus stabilen Karton und durch Übersichtsblätter, die sowohl die Bedingungen als auch die Punktwerte der einzelnen Gebäudearten übersichtlich darstellen, komplettiert. Diese Ausstattung animiert zum Spielen. Gerade bei einem Bauspiel hängt viel von der Gestaltung ab. Mit den hier gelieferten Bauten entsteht während des Spiels wirklich eine Stadt im kleinen und versetzt somit die Spieler tief in die Thematik.
Als eigenwillig müssen allerdings die Tiefzieheinsätze bezeichnet werden. Die Bauten sind darin übersichtlich untergebracht, aber die Fächer sind so eng, daß die Gebäude nur mühsam herausgeholt werden können. Dazu erstreckt sich das ganze über drei Ebenen. Die einzelnen Einsätze haben zwar Verbindungen, aber sie lassen sich nur schwer ineinanderstecken. Durch die schwarzen Tiefzieheinsätze und die farbliche Gestaltung der Bauten ergibt sich ein repräsentatives Bild, so daß man die Einsätze samt Inhalt am liebsten als Deko-Elemente ausstellen möchte. Leider ist dies für ein Spiel nicht die übliche Verwendung.
Spieler durchlaufen bei Big City eine seltsame taktische Entwicklung. In den ersten Spielen wird relativ kurzfristig geplant. So werden zunächst viele Wohn- und Geschäftshäuser errichtet. Sobald das Rathaus steht, werden die lukrativeren Gebäude umgehend verbaut. Dieses kurzfristige Handeln wird in späteren Spielen von einer längerfristigen Planung abgelöst, die besonders auf zwei Dingen beruht: einmal die Verdopplungen durch Rathaus und Straßenbahn auszunutzen und zum anderen die eigene Errichtung von Kirchen und Kaufhäusern vorzubereiten.
Ein besonderes Augenmerk muß auch auf die ausgeklügelte Vergabe der Punkte gerichtet werden. Größere Wohn- und Geschäftshäuser sind etwas mehr wert als dieselbe Anzahl einzelner Gebäude. Da die Grundstückskarten immer wieder auf fünf aufgefüllt werden, bieten große Gebäude sogar den Vorteil, schnell an neue Karten zu gelangen. Die Sonderbauten Kino, Bank und Post sind ein wenig besser als die Wohn- und Geschäftshäuser. Und dann gibt es noch die Kirche und das Kaufhaus, die pro Grundstück einen deutlich höheren Wert haben. Sie sind allerdings schwer zu errichten und ihr Wert kann nicht verändert werden.
Ein zentraler Punkt ist die Errichtung des Rathauses. Die Verdopplung der Punkte benachbarter Gebäude kompensiert bei guter Planung die punktlose Errichtung des Rathauses. Zwar wird normalerweise direkt nach seinem Bau mit der Straßenbahn begonnen, doch der Errichter des Rathauses kann hier noch eingreifen. Das Rathaus hingegen ist für das Spiel festgelegt.
Neben der schon erwähnten guten Ausstattung hat "Big City" viele Eigenschaften guter Spiele. Da ist zunächst einmal der flotten Ablauf. Jede einzelne Aktion ist schnell durchgeführt, so daß man schnell wieder an die Reihe kommt. Dazu besitzt es eine gute Mischung aus Planung und Glück, aus konstruktiven und destruktiven Elementen, wodurch es sich besonders als Familienspiel eignet. Dies wird auch dadurch unterstützt, daß die Handlungen keine langfristige Strategie, sondern kurzfristige Entscheidungen erfordern. Da bis auf die Grundstückskarten alles Material offen ist, behalten auch jüngere Mitspieler den Überblick.
Durch das Material ist es leicht, Mitspieler für "Big City" zu finden. Diese werden wegen der Kurzweiligkeit, der angenehmen Spieldauer und der Variabilität auch gerne weitere Spiele mitmachen. So wird "Big City" noch häufiger auf unserem Spieltisch landen. (wd)
Steckbrief Big City |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Franz-Benno Delonge | Goldsieber | 2 - 5 Spieler | ab 10 Jahre | 45 - 70 Minuten | Franz Vohwinkel |