Zuerst waren wir verwirrt. Medina liegt in Vorderasien, genauer Saudi-Arabien, und auf der Schachtel steht etwas von nordafrikanischen Stätten. Also haben wir ein Lexikon bemüht und siehe da, Medina ist auch der Begriff für die Innenstadt nordafrikanischer Städte. Um diese Innenstädte geht es in dem Spiel.
Zu Beginn gibt es nicht viel von Medina zu sehen. Der in Quadrate unterteilte Spielplan ist fast noch leer. Nur in den vier Ecken stehen bereits die Türme und eine einzige Spielfigur tummelt sich im gebäudelosen Medina um den Start der Marktgasse anzukündigen.
Gleich werden hier reichlich Paläste entstehen und von den Spielern in Besitz genommen werden. Für diese Besitznahme hat jeder Spieler vier Dächer seiner Farbe. Alles andere ist zunächst neutral, obwohl jeder Spieler sein Baumaterial erhält und hinter seinen Sichtschirm packt. Als da wären Gebäudeteile in den Farben grau, schwarz, braun und orange, sowie Ziegenställe, Stadtmauern und Spielfiguren.
Während eines Zuges muss ein Spieler zwei seiner Teile verbauen. Stadtmauern beginnen an den Türmen und wachsen auf den gegenüberliegenden Turm zu. Spielfiguren werden an die bereits existierende Marktgasse angebaut, jedoch immer nur am Ende, so dass sich die Figuren in einer Reihe über den Spielplan schlängeln. Für Gebäudeteile gibt es unterschiedliche Bauvorschriften: gibt es kein Gebäude in einer bestimmten Farbe oder lässt sich an den auf dem Plan befindlichen nichts mehr anbauen, darf man irgendwo auf dem Spielplan ein neues Gebäude dieser Farbe beginnen. Existiert aber schon ein Gebäude, so muss dort angebaut werden, d. h., das nächste Gebäudeteil derselben Farbe muss waagerecht oder senkrecht an das existierende Gebäude angeschlossen werden. Dabei ist immer zu berücksichtigen, dass rund um ein Gebäude die Felder nur Stadtmauern oder Spielfiguren beherbergen dürfen.
Nach und nach wachsen die noch neutralen Gebäude. Sobald ein Spieler ein Gebäude für groß genug hält, setzt er ein Dach darauf und der jetzt Palast genannte Bau gehört ihm. Jeder Spieler hat während des Spiels einen Palast in jeder Farbe in Besitz zu nehmen, eine Farbe doppelt ist nicht erlaubt. Sobald sich jedoch ein Palast in Besitz eines Spielers befindet, dürfen keine weiteren Gebäudeteile an ihn gebaut werden. Um den Palast dennoch zu vergrößern, gibt es die Ziegenställe. Für sie gelten ähnliche Setzregeln wie für die Gebäudeteile, doch dürfen sie auch dann noch an einen Palast gesetzt werden, wenn er "privatisiert" wurde. Sobald alle Spieler Paläste einer Farbe besitzen, werden alle noch nicht verbauten Gebäudeteile dieser Farbe aus dem Spiel genommen.
Außer dem Baumaterial gibt es noch acht Karten, vier für die Paläste und vier für die Türme. Die Karte für einen Palast besitzt immer der Spieler, der den größten Palast dieser Farbe besitzt. Für die Größe zählen alle Gebäudeteile und Ziegenställe. Bei Gleichstand behält der Spieler die Karte, der sie zuerst hatte. Die Turmkarten werden immer dann weiter gegeben, wenn ein Spieler einen privaten Palast mit einem Turm über die Stadtmauern verbindet. Hier zählt also nur der Zeitpunkt, wann der Anschluss erfolgt ist. Da die Karten nur am Spielende Auswirkungen in Form von Punkten haben, sollte man der letzte sein, der eine solche Verbindung schafft.
Das Spiel endet, sobald kein Spieler mehr Baumaterial hinter dem Sichtschirm hat. Nun werden die Punkte der Spieler ermittelt. Jede Karte zählt so viele Punkte, wie ihr aufgedruckter Wert. Jeder Palast zählt einen Punkt pro Gebäudeteil und Ziegenstall, aus dem er besteht. Außerdem gibt es für jede Stadtmauer und jede Spielfigur, die an den Palast angrenzt, einen weiteren Punkt. Wer die meisten Punkte besitzt, gewinnt.
Beim ersten Spiel stehen die Spieler vor dem leeren Spielplan und haben noch keine Ahnung, wie man nun Medina sinnvoll spielen soll. So bestehen die ersten Züge darin, zwei beliebige Gebäudeteile irgendwo auf dem Spielplan zu verteilen. Erst in den nachfolgenden Partien kann man taktisch vorgehen. Nun weiß man die Größe der Paläste einzuschätzen, die Karten zu bewerten und kennt den Wert der Stadtmauern und der Marktgasse. Dann entpuppt sich Medina als ein Bauspiel mit einfachen Regeln und vielen Möglichkeiten.
Meist geht es bei den Spielen sehr ruhig zu, da die Spieler damit beschäftigt sind, ihre nächsten Züge zu planen. Dabei ist es oft so, dass man am liebsten gar nicht bauen möchte, weil man der Meinung ist, nur anderen zu helfen, sich aber nichts Gutes tun kann. Besonders wenn man einen Palast einer Farbe hat, sind die entsprechenden Gebäudeteile nur noch Punkte für die Mitspieler. Wer sie dennoch verbaut, hat aber später den längeren Atem und kann darauf planen, die Turmkarte zu bekommen. So steckt der Spieler immer in dem Dilemma, etwas machen zu müssen, was ihm nicht oder nicht direkt nützt. Das es den anderen genauso ergeht, interessiert dabei zunächst wenig.
Trotz dieses Unwillens, ergibt sich kein negativen Gefühl. Dies liegt sicherlich auch an der Optik, wenn man in einem gemeinsamen Werk sieht, wie die Stadt entsteht. Nach einer kappen Stunde ist die Stadt dann fertiggestellt und der Sieger steht fest. Und einmal mehr weiß man dann, dass es nur wenige Spiele ohne Glücksfaktor gibt, die einer solchen Spieldauer und recht einfachen Regeln so viele taktische Möglichkeiten bieten. (wd)
Steckbrief Medina |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Stefan Dorra | Hans im Glück | 3 - 4 Spieler | ab 10 Jahre | ca. 60 Minuten | Mathias Dietze |