Seit Anfang April liegt nun "Die sieben Weisen" von Reiner Stockhausen, bekannt durch "Freibeuter" und "Dolce Vita" (jeweils Hans im Glück) vor.
In jedem Durchgang findet auf wechselnden Zeremonienplätzen ein Machtkampf statt, in dem die Spieler, nachdem sie in die Rollen der Weisen geschlüpft sind, in zwei Bündnissen gegeneinander antreten. Das siegreiche Bündnis gewinnt unterschiedlich wertvolle Kristalle. Wer nach bis zu elf Durchgängen die wertvollsten besitzt ist Sieger.
Elf sechseckig gehaltene Zeremonienplätze sind vorhanden. Auf jedem ist ein Steinkreis, der mich an Stonehenge erinnert, und wichtiger eine wechselnde, hierarchische Reihenfolge der sieben Weisen (Heilerin, Priesterin, Druide, Magier, Alchimist, Hexe, Seher) abgebildet. Drei dieser Plätze liegen immer aus, auf einem wird der Machtkampf ausgetragen, die beiden anderen sind mögliche Machfolgeplätze. Ein zwölfter Zeremonienplatz, der sogenannte "finitum"-Platz leitet das Spielende ein. Er wird zu Beginn unter die letzten drei Plätze gemischt, sodass auf jeden Fall acht, maximal eben elf Durchgänge gespielt werden.
Die Rolle eines Weisen wird durch eine große Rollenkarte, die beim Spieler verbleibt, und eine kleine, die ein eingegangenes Bündnis kennzeichnet, symbolisiert. Zu jeder Rolle (beteiligt sind immer zwei mehr als Mitspieler) gehören noch Machtkarten in den Werten 1 bis 7, wobei die Eins zweimal vorkommt. Dazu später mehr. Acht neutrale Eulenkarten mit den Werten 3, 4 bzw. 5 gehören ebenfalls noch zu den Machtkarten. Von den 36 großen Kristallen in den Werten 2-7 liegen immer 2 (bei drei oder vier Mitspielern ) bzw. 3 (bei fünf) auf den Zeremonienplätzen.
Die kleineren Kristalle (Wert 1) werden erst bei Spielende verteilt: Einschließlich der Eulen wird für jede Rolle geschaut, wer darin die meisten Punkte auf seinen Handkarten hat. Dies wird mit einem kleinen Kristall belohnt. Nach meinen Erfahrungen verändern diese nichts mehr an den bestehenden Verhältnissen, aber ich mag nicht ausschließen, dass sie auch einmal Zünglein an der Waage sein können.
Zwei Zählleisten, die elegant die ausliegenden Zeremonienplätze umrahmen, zwei schwarze Plastikpöppel in Form von Zauberhüten und 14 Zauberkarten vervollständigen das Spielmaterial. Das gesamte Material mit Ausnahme der Kristallplättchen ist in dunklen, magisch mystischen Farbtönen gehalten. Dies mag zwar dem Spielthema angemessen sein, macht aber bei nicht optimalem Kunstlicht so seine Schwierigkeiten. Dann sind die Rollennamen auf den Zeremonienplätzen schlecht zu erkennen und auch Machtkarten farblich schwer zu unterscheiden (insbesondere Druide - Alchimist bzw. Seher - Heilerin). Zum Glück befindet sich noch der Rollenname auf der Karte. Etwas mehr Leuchtkraft der Farben hätte hier einen positiven Effekt gehabt.
Jeder Mitspieler erhält zu Beginn sechs Macht- und eine Zauberkarte. Ein Durchgang bei "Die sieben Weisen" läuft immer in vier Phasen (Rollenwahl, Bündnisverhandlungen, Machtkampf, Auswertung und Abschluss) ab. Zum besseren Verständnis ist es sinnvoll zunächst bei Phase 4, der Auswertung zu beginnen.
Das siegreiche Bündnis eines Machtkampfs teilt die auf dem Zeremonienplatz liegenden Kristalle unter sich auf. Dabei darf der in der Hierarchie höchste Weise zuerst aussuchen. Er wird in der Regel den wertvollsten Kristall an sich nehmen, auch wenn er vielleicht nur wenig oder gar nichts zum Sieg beigetragen hat. Bei einer Verteilung von 4-4-3 mag das kein Problem darstellen, aber bei 7-4-2 ? Die Weisen des unterlegenen Bündnisses erhalten jeweils eine neue Zauberkarte. Das ist so übel nicht, gibt es doch darunter mächtige Sprüche wie 'Nimm drei Machtkarten vom Aufnahmestapel' oder 'Vertausche deine Rollenkarte mit einem Bündnispartner'. Aber im Endeffekt sind es nur Optionen auf Kristalle in späteren Durchgängen und keine Kristalle direkt.
Wie kämpfen nun die zwei Bündnisse (3-2 bei fünf, nie 4-1; 2-2 bei vier, nie 3-1) gegeneinander?
Reihum kann jeder Mitstreiter
Ausgelegte Punkte werden dem eigenen Bündnis gutgeschrieben und sofort auf der Zählleiste markiert, so dass jederzeit sichtbar ist, welches Bündnis gerade führt. Eine zweite, ausgelegte Eins bringt zehn Punkte und ist somit eine besonders starke Karte. Aussteigen, freiwillig oder gezwungenermaßen schwächt zwar das Bündnis, schont aber vorhandene Machtkarten und bringt neue Machtkarten. Der erste Aussteiger nimmt fünf (eventuell starke) vom Stapel auf die Hand und legt drei (meist schwache), auch welche die er bereits besaß, wieder ab. Diese erhält der nächste Aussteiger mit zwei frischen Karten usw. Der Machtkampf ist zuende, wenn alle Beteiligten ausgestiegen sind.
Die Bündnisse für den Machtkampf bilden sich in offener und/oder geheimer Verhandlung. In der Regel wird dies durch Zeigen von Karten erfolgen. Dabei kann man einem potenziellen Partner einerseits andeuten, wie vermeintlich stark man selbst ist, andererseits aber auch, wie stark man in der Rolle des Partners ist. Das ist leicht erklärt, denn nach Abschluss der Verhandlungen dürfen die Bündnispartner beliebig viele Karten miteinander tauschen. Was aber nicht heißt, dass die Karten dann auch gespielt werden müssen. Ein Schelm, wer Böses denkt.
Mit wem aber zusammengehen??? Der ideale Bündnispartner erfüllt das folgende Profil:
Natürlich wird kaum ein Mitspieler exakt diesem Ideal entsprechen, dann gilt es abzuwägen. Ist mir der minderwertigere Kristall auch Recht, wenn ich ihm dafür relativ sicher gewinnen kann? Oder kann das Risiko auf einen höherwertigen eingegangen werden, mit dem Ergebnis, dass im Endeffekt vielleicht nur eine Zauberkarte herausschaut? Oder wird mir das Gesetz des Handelns aus der Hand genommen, in dem sich ein Bündnis bildet und ich in das andere gezwungen werden?
Ein anderer Aspekt kommt in einer Partie zu fünft noch zum Tragen. Hat sich dort ein Zweierbündnis gebildet, kann noch ein dritter Weise dazukommen, ohne abgelehnt werden zu können. Wollen dies mehrere tun, hat der in der Hierarchie höchste Vorrang. Ist das aber nicht einfach nur ein Schmarotzer, der sofort aussteigt und trotzdem den größten Kristall abgreift, der also die aus seiner Sicht idealen Bündnispartner gefunden hat? Vielleicht dann lieber doch sofort ein Dreierbündnis auf die Beine stellen?
Bei der Wahl der Rolle in Phase 1 spielen alle zu den Bündnisverhandlungen gemachten Überlegungen hinein. Zusätzlich kommt noch hinzu, dass die Wahl des am weitesten unten stehenden Weisen auch nicht uninteressant ist, darf er doch zum einen den neuen Zeremonienplatz bestimmen und zum anderen im nächsten Durchgang als Erster eine Rolle wählen. Denn alle Überlegungen und guten Karten sind Makulatur, kommt man an die Reihe und der gewünschte Weise ist nicht mehr verfügbar. Dann muss ganz schnell Plan B greifen, so man ihn denn hat.
Die Regeln für eine Partie zu dritt sind etwas abgewandelt. Dort entfällt die Verhandlungsphase. Entsprechend der Hierarchie legt jeder sein Rollenplättchen an eine Zählleiste und verkündet, ob er alleine kämpfen möchte oder eher nicht. Obwohl der Alleinspieler einen Zählbonus in Form der Summe der beiden ausliegenden Kristalle erhält, hat er kaum eine Chance zu siegen. Hier ist es also günstig, zuletzt das Bündnis wählen zu können, aber da bleibt ja nur der weniger wertvolle Kristall übrig!?
Bei "Die sieben Weisen" kommt es nach meinen Beobachtungen sehr auf die Spielgruppe an. Wenn die richtigen Leute zusammentreffen, kommt ein lockeres, munteres Spielchen zustande. Sind aber Grübler dabei, die etwa die Aussteigerphase verlängern, ziehen sich die Bündnisverhandlungen ewig hin oder wird viel über die vermeintlich zugefügten Ungerechtigkeiten gejammert, wirkt eine Partie eher öde. Dann hat "Die sieben Weisen" keine große Chance, ein zweites Mal auf den Tisch zu kommen. Dabei braucht es aber zwei oder drei Partien, um einige taktischen Finessen, die zweifelsohne in ihm stecken zu entdecken.
Am ehesten hat mir das Spiel zu viert zugesagt. Zu dritt geht es aufgrund der fehlenden Verhandlungsphase zwar erfreulich schnell, aber der Funke springt nicht so richtig rüber. Zu fünft gestalten sich die Verhandlungen mitunter relativ zäh, insbesondere wenn ein mißliebiger Schmarotzer außen vorgehalten werden soll. Auch ist dann die Aussteigerphase für meinen Geschmack zu lang. Bei vier Weisen ist Bündnisgleichheit gewahrt, was spannende Wettkämpfe produziert, aber andererseits nicht heißt, dass man seinen Partner nicht auch hängen lassen kann oder selbst hängengelassen wird.
"Die sieben Weisen" ist ein gutes Mittelding aus anspruchsvollem Spiel, das man trotzdem locker spielen kann, ohne dass es seinen Reiz verliert. Ich bin der Überzteugung , dass ich immer noch nicht alle Tiefen entdeckt habe. Es schlägt im Spielejahrgang 2002 sicher nicht nach oben aus, aber auch nicht nach unten durch. Ein Mittelding halt, das gut zu Alea passt. (mw)
Steckbrief Die sieben Weisen |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Reiner Stockhausen | alea | 3 - 5 Spieler | ab 12 Jahre | 50 - 100 Minuten | Felix Scheinberger |