Ich war hoch erfreut, als ich erfuhr, dass der Hans im Glück Verlag, ein großes Spiel von Reiner Knizia veröffentlichen wird. Sofort wurden Erinnerungen an "Euphrat & Tigris" wach, eines meiner Lieblingsspiele im Bereich der taktischen Spiele, welches für mich völlig zurecht den Deutschen Spielepreis gewann. Damit war auch meine Erwartungshaltung festgelegt: sie war sehr hoch. Zum ersten Mal kam ich dann auf der Nürnberger Spielwarenmesse mit Amun-Re in Berührung, weil ich es dort spielen konnte. Dieses erste Spiel gefiel mir, doch was würde die Zukunft bringen? Hat Amun-Re einen hohen Wiederspielreiz? Bevor ich diese Fragen beantworte, beschreibe ich Amun-Re.
Jeder Spieler vertritt eine Dynastie im alten Ägypten. Jeder Spieler erwirbt Länder, führt dort Landwirtschaft durch, huldigt dem Gott Amun-Re und baut für sein Prestige Pyramiden. Sie bringen die überwiegende Anzahl von Siegpunkten.
Zu Beginn ist der Spielplan leer. Jeder Spieler erhält ein Startkapital von 20 Gold, sowie eine Machtkarte "Baumeister", mit der sich einmal eine Pyramide einfacher errichten lässt. Das Spiel besteht aus sechs Durchgängen. Nach drei Durchgängen ist das alte Reich abgeschlossen und es kommt zu einer Wertung, danach entsteht das neue Reich, gefolgt von der Endabrechnung.
In einem Durchgang werden bis zu sechs Aktivitäten durchgeführt. Zunächst werden so viele Provinzen aufgedeckt und zur Versteigerung angeboten, wie Spieler an dem Spiel teilnehmen. Um eine Provinz zu bekommen, muss ein Spieler darauf ein Angebot abgeben. Die Preise steigen nach der Summenformel: 0, 1, 1+2 = 3, 1+2+3 = 6 usw. Da die Werte auf den Provinzkarten aufgedruckt sind, endet die Reihe bei 36, was in allen bisherigen Spielen ausgereicht hat. Möchte ein Spieler eine Provinz, auf der schon ein Gebot liegt, so muss er höher bieten. Die Versteigerung läuft so lange, bis auf jede der angebotenen Provinzen ein Gebot liegt. Damit dies erreicht wird, müssen Spieler, die überboten wurden, ein neues Gebot abgeben, wenn sie an der Reihe sind. Ohne entsprechende Machtkarten - sie erlauben Ausnahmen vom Standardregelwerk - muss das Gebot dabei auf eine andere Provinz abgegeben werden; ein gegenseitiges Hochschaukeln des Preises ist somit nicht möglich. Sind alle Provinzen mit einem Gebot belegt, wird der Betrag bezahlt und die Provinz in Besitz genommen. Einige Provinzen haben bereits Ausstattung in Form von Bausteinen (für Pyramiden), Machtkarten, Geld oder Bauern aufzuweisen. Alles was auf Karten gedruckt ist, nimmt der Spieler auf die Hand, alles andere gehört ihm über die Provinz.
Danach darf jeder Spieler kaufen: zunächst Machtkarten, dann Bauern und Bausteine. Auch diese Dinge werden nach der Summenformel gekauft, d. h. je mehr ein Spieler kauft, desto höher wird der Preis für das einzelne Teil. Für die Machtkarten wird über die Provinzen ein Limit bestimmt, so dass ein Spieler im besten Fall vier Karten kaufen kann, was teuer genug wird. Bauern benötigen einen Platz in der Provinz, die Provinz mit der größten Landwirtschaft bietet sechs Plätze, andere nicht mal einen einzigen. Bauern sorgen später für Goldnachschub. Eine Machtkarte bringt einen Gratisbauern, der dazu noch nicht einmal einen vorgefertigten Platz benötigt, sondern in der Wüste der Provinz ackert. Bausteine werden für Pyramiden gekauft. Je drei Bausteine ergeben automatisch eine Pyramide; mit einem Baumeister werden nur noch zwei Bausteine benötigt.
Nachdem jeder Spieler gekauft hat, erwartet Amun-Re sein Opfer. Es wird die Qualität der Ernte bestimmen. Jeder Spieler bietet dazu eine Goldbetrag, erhält aber auch über eine Spezialkarte die Möglichkeit, negativ auf das Opfer zu wirken. Nachdem die Opfer feststehen, wird die Gesamtsumme bestimmt und ggf. durch Machtkarten korrigiert. Anschließend erhält der Spieler mit dem höchsten Gebot drei Teile, ausgewählt aus Machtkarten, Bauern und Bausteinen), dann der mit dem zweihöchsten Gebot zwei Teile. Alle anderen Spieler mit einem positiven Opfer erhalten noch ein Teil und Spieler, die negativ geboten haben erhalten drei Gold.
Zuletzt gibt es die Ernte. Das Opfer bestimmt den Ernteertrag, der zwischen 1 und 4 liegt. Soviel Gold bringt nun jeder Bauer seinem Besitzer. Einige Provinzen bieten noch feste Einkünfte, andere Einkünfte aus Karawanenhandel, die es nur bei schlechter Ernte gibt.
Nach drei Durchgängen kommt es zur Wertung. Am meisten Punkte bringen die Pyramiden: grundsätzlich gibt jede Pyramide einen Punkt, aber auch gleichmäßigen Bebauung wird belohnt und auf jedem Nilufer gibt es Punkte für die höchste Pyramide. Einige Provinzen enthalten Tempel, deren Wert ebenfalls über das Opfer an Amun-Re bestimmt wird. Außerdem gibt es Machtkarten, die eine Bedingung an den Spieler stellen. Wird sie erfüllt, gibt es drei Punkte.
Nach dem alten Reich werden alle Teile bis auf die Pyramiden und den Bausteine aus den Provinzen entfernt; also Bauern und Besitzmarker. Die Provinzen sind nun wieder herrenlos. Sie werden im neuen Reich erneut versteigert, dieses Mal aber mit den bereits errichteten Pyramiden, wodurch sich die Werte erheblich ändern. Zum Abschluss des neuen Reichs gibt es die Endwertung, die bis auf eine Sache identisch mit der Zwischenwertung ist: bei Spielende gibt es zusätzlich noch Punkte für die Spieler, die viel Gold besitzen.
Inzwischen liegen eine zweistellige Anzahl von Spielen hinter mir und ich kann überzeugt sagen, dass das Spiel meine hohen Erwartungen erfüllt hat. Obwohl die einzelnen Mechanismen bekannt sind, ergibt sich eine Komposition, die etwas neues schafft. Hervorragend ausgelotet ist die Balance zwischen Interaktion und ausschließlich eigenständigen Entscheidungen. Während die Versteigerung und das Opfer Einflussnahme auf die Situation der anderen Spieler erlaubt, führe ich den wichtigen Kauf - hier werden die meisten Pyramiden gebaut und der Weg für Goldnachschub geebnet - alleine durch. Durch diese Mischung wechseln sich im Spielfluss gemeinschaftliche Phasen mit ruhigeren Phasen ab und einen Augenblick der Ruhe benötigt man bei den vielen Entscheidungen und Möglichkeiten. Die verschiedenen Auswertungen, vor allem bei der Ernte und bei den Wertungen, führen zu widersprüchlichen Interessen und dies kann sogar einen Spieler allein treffen (z. B. Gold für Karawanenhandel bekommen oder aber viele Punkte für die Tempel). Dies erhöht die taktischen Möglichkeiten und verringert die Chance von Interessengemeinschaften, so dass immer wieder unterschiedliche Opferergebnisse erzielt werden.
Besonders pfiffig ist der Wechsel vom alten zum neuen Reich. Da hier die Besitztümer aufgehoben werden, stecken alle Spieler in einer Zwickmühle: wer im alten Reich viel baut, bekommt es vermutlich in der zweiten Hälfte nicht wieder und wer wenig baut, gerät bei den Punkten in Rückstand, zum Teil recht deutlich. Da durch die stehen gelassenen Pyramiden die Wertung am Ende deutlich höher ausfällt als in die in der Mitte, ergibt sich ein schöner Spannungsbogen und auch der Spieler, der nach der ersten Wertung zurückliegt, hat eine Chance auf den Gesamtsieg.
Derzeit veröffentlichen viele Verlage "einfache" Spiele. Amun-Re stellt den Gegenpol zu diesem Trend und ist eine willkommene Abwechslung. Es braucht aber auch den Vergleich mit Spielen aus früheren Jahrgängen nicht zu scheuen. Mit den angegebenen 90 Minuten kommt man sicher aus, sofern keine Regeln mehr erklärt werden müssen und dies ist bei der Tiefe des Spiels eine kurze Spieldauer. Deshalb kann Amun-Re auch öfter auf den Tisch kommen und das wird es auch.
Ich habe mich bei meiner Erwartung an Euphrat & Tigris orientiert (gleicher Autor, gleicher Verlag) und sie wurden erfüllt. Nun warte ich gespannt, ob Amun-Re auch bzgl. Auszeichnungen hier nachzieht. (wd)
Steckbrief Amun-Re |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Reiner Knizia | Hans im Glück | 3 - 5 Spieler | ab 12 Jahre | ca. 90 Minuten | Franz Vohwinkel |