Es ist einer der bekanntesten Romane von Jules Verne, die Reise in 80 Tagen um die Welt. Sie basiert auf einer Wette und diese schien schon verloren Doch die Datumsgrenze sicherte dann den Erfolg. Im Dezember 2004 kommt die gleichnamige Verfilmung ins Kino und passend dazu gibt es jetzt das Spiel von Kosmos. Nun mag manch einer aufschreien, weil es ein Merchandising-Produkt ist und man so etwas bereits mit den Spielen zum Herrn der Ringe kannte. Doch bevor man so (vorver)urteilt, schauen wir uns das Spiel erst einmal an.
Der Spielplan zeigt 10 Städte. Wie im Roman beginnt die Reise um die Welt in London, genauer im dort ansässigen Reform Club. Das Startkapitel eines Spielers besteht aus vier Reisekarten und einer Goldmünze. Dazu werden auf einer Skala die noch verbliebenen Tage angezeigt, zu Beginn sind das natürlich 80 Tage.
Bevor ich den kompletten Spielablauf beschreibe, erzähle ich etwas über das Reisen, denn die Fortbewegung ist das Kernstück des Spiels. Grundsätzlich werden für die Fahrten Eisenbahnen und Schiffe benutzt. Um zwischen zwei Orten zu reisen, benutzt man vorgegebene ein bis drei Reisemittel, z. B. eine Eisenbahn oder zwei Schiffe. Eisenbahnen und Schiffe befinden sich auch auf den Reisekarten. Diese Reisekarten zeigen an, wie viele Tage die Reise mit dem entsprechenden Mittel kostet: Eisenbahnfahrten dauern zwei bis sechs Tage, Schiffspassagen vier bis acht Tage. Wenn ich mit Eisenbahn und Schiff fahren muss, kann ich eine Eisenbahn für 5 Tage und ein Schiff mit 7 Tagen spielen und reise für 12 Tage in die nächste Stadt. Eine kleine Ausnahme gibt es dazu allerdings. Zwischen manchen Städten gibt es ein Reisemittel doppelt, z. B. zwischen Suez und Bombay zwei Schiffe. Spiele ich hier zwei Karten dieses Reisemittelns mit gleichem Wert, so verbrauche ich die Tage nicht doppelt, sondern nur einfach. So ist es in dem Beispiel hier besser zwei Schiffspassagen mit acht Tagen zu spielen, als jeweils eine Karte mit vier und mit fünf Tagen.
Wie aber kommt man nun an Reisekarten? Zu Beginn jeder Spielrunde werden je nach Spielerzahl Reisekarten ausgelegt. Diese Karten werden dabei mit einer Aktion verknüpft. Wenn ein Spieler an die Reihe kommt, wählt er eine Karte und erhält damit automatisch die damit verbundene Aktion; jeder Spieler wählt also nicht allein eine Reisekarte sondern eine Kombination aus Reisekarte und Aktion. Einige Aktionen sind dabei sehr einfach: Man bekommt eine Goldmünze, man wird Startspieler für die nächste Runde und man darf bis zu drei Karten tauschen. Weiterhin kann man einen Heißluftballon oder eine Ereigniskarte bekommen oder man nutzt die Möglichkeit, den Detektiv zu versetzen. Diese Aktionen schauen wir uns etwas detaillierter an:
Erreicht ein Spieler London, so ist er vor allen Verlusten weiterer Tage geschützt. Dieser Spieler nimmt nun nicht mehr am Spielgeschehen teil, hat aber noch nicht gewonnen. Von nun an verlieren alle Spieler, die noch nicht London erreicht haben, zu Beginn einer Runde automatisch einen Tag. Das Spiel geht solange, bis der vorletzte Spieler London erreicht hat (bei sechs Spieler bis der vierte London erreicht hat). Die Runde wird noch zu Ende gespielt. Wer London dann nicht erreicht hat oder mehr als 80 Tage verbraucht hat, kann bereits nicht mehr gewinnen. Von den Spielern, die in London angekommen sind, gewinnt nun derjenige, der die wenigsten Tage verbraucht hat, bei Gleichstand derjenige, der früher in London war.
"Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen", lautet eine Volksweisheit. Hier findet die Reise "nur" auf einem Spielplan statt. Das tut der Spannung keinen Abbruch, denn man spielt gleich doppelt: Zum einen spielt man gegen das Spielsystem, das unerbittlich die noch zur Verfügung stehenden Tage reduziert, zum anderen spielt man gegen die Mitspieler, weil man relativ gesehen besser sein möchte. Was die Entscheidungen angeht, so sind jede Runde zwei wichtige zu treffen. Da sind zunächst die Kartenwahl und die damit verbundene Aktion. Hierbei geht es dann auch nicht nur darum, das Beste für mich zu finden, sondern auch darum, den nachfolgenden Spielern nicht die benötigte Karte oder Aktion zu überlassen. Danach stellt sich die Frage, ob man reist oder nicht. Bessere, sprich schnellere Reisekarten sind immer wünschenswert, ein störender Detektiv immer hinderlich, aber die Endauswertung erlaubt nur einen gewissen Rückstand. So muss man gelegentlich - und manchmal zu oft - in den sauren Apfel beißen und (zu) teuer reisen. Im Spielverlauf zeiht sich das Feld ein Stück weit auseinander. Dies erschwert die Vergleichbarkeit der Spielstände, zumal die Karten verdeckt gehalten werden. Deshalb ist Spannung bis zum Schluss gewährleistet. Der erste wird selten mit einem sehr guten Ergebnis London erreichen, doch bringen der automatische Zeitverlust sowie negativ Ereignisse die anderen Spieler unter Druck ihre Reise nun ebenfalls fortzuführen und zu beenden. Wer hingegen zu lange wartet, läuft Gefahr mit einem guten Ergebnis auf der Strecke zu bleiben. Ein trauriges Bild, wenn der Dampfer in New York ohne mich ablegt…
Das Spiel ist für drei bis sechs Spieler ausgelegt. Damit das Spiel für jede dieser Spieleranzahlen funktioniert, wird eine unterschiedliche Anzahl von Karten ausgelegt. So gibt es immer eine Karte mehr als Spieler teilnehmen (bei sechs Spielern darf man auch eine Karte vom Nachziehstapel nehmen, was ohne weitere Aktion bleibt). So hat jeder Spieler eine Auswahl, die im Laufe der Runde durch die Mitspieler eingeschränkt wird. Das Regelwerk ist nicht gerade kurz, jedoch sehr eingängig und behandelt einige Spezialfälle, die dazu dienen, das Spiel noch interessanter zu gestalten. Für Gelegenheitsspieler ergibt sich eine klare Struktur, was an dem klaren Spielziel - möglichst wenig Tage zu verbrauchen - liegt. Aber auch für Vielspieler ist das Spiel sehr interessant. Meine Erfahrung besagt, dass zwar zunächst die mangelnde strategische Möglichkeiten kritisiert, danach das Spiel dennoch häufig auf den Tisch kommt und mit viel Spaß und Engagement gespielt wird. Kosmos ist es hier gelungen, ein Spiel zum Film (bzw. auch zum Buch) herauszubringen, das fesselt wie das klassische Vorbild. Nichts ist es hier mit dem gängigen Urteil, Merchandising-Produkte seien schlecht, ganz im Gegenteil wird hier der Beweis angetreten, dass sie sehr gut sein können. So gut, dass ich das Spiel selbst dann wärmstens empfehlen kann, wenn man weder Film noch Buch kennt. (wd)
Steckbrief In 80 Tagen um die Welt |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Michael Rieneck | Kosmos | 3 - 6 Spieler | ab 10 Jahre | 50 - 70 Minuten | Bernd Wagenfeld |