Vor über 30 Jahren bekam ich ein Spiel geschenkt. Es hieß Deutschlandreise. Der größte Teil des Spielplans war mit einer Deutschlandkarte überzogen. Obwohl wir am Ende der 60er Jahre waren, zeigte sie nicht nur die Bundesrepublik, sondern auch die DDR. Eine Grenze gab es nicht, keine Mauer behinderte den Verkehr zwischen Ost und West. Das Spielprinzip war einfach. Man erhielt Städte aus den verschiedenen Regionen Deutschlands, eine davon war die Startstadt. Aufgabe war es, die anderen Städte anzufahren und wieder an den Ausgangspunkt zurückzukehren. Motor war ein Würfel, der in jedem Zug bestimmte, wie weit man ziehen durfte. Erreichte man einen Ort auf seiner Rundreise, so verfielen überflüssige Würfelpunkte. Damit nun die "6" nicht übermächtig wurde, gab es für drei Sechsen ein Telegramm. Es war ein Aufgabe, die man erfüllen musste, bevor man seine Rundreise fortsetzen durfte.
Als Kind spielte ich dieses Spiel sehr gerne und noch heute sind meine Kenntnisse in der Geographie deutscher Städte überwiegend auf dieses Spiel zurückzuführen, denn von Stralsund im Nordosten der neuen Bundesländer bis hin zu Lörrach im Südwesten der alten sind mir viele Städtenamen ein Begriff. Da ich das Spiel gerne spielte und ein Schulkamerad die Europareise besaß, wünschte ich mir die Weltreise und bekam sie auch. Das Prinzip war ähnlich, doch gab es nun nicht mehr nureinfache Verbindungen, sondern Eisenbahn- und Fluglinien sowie Schifffahrtswege. Wollte man zwischen zwei Verkehrsmittel wechseln, musste man stehen bleiben. Die Benutzung der Schifffahrtswege kosteten grundsätzlich den ganze Zug, gingen dafür in einigen Fällen auch um die halbe Welt, z. B. von Adelaide in Australien über Kap Horn in Chile nach Montevideo, der Hauptstadt Uruguays. Durch den Wechsel der Verkehrsmittel dauerte ein Weltreise deutlich länger als eine Deutschlandreise. Ich hatte damals an dieser Weltreise genau so viel Spaß wie an der Deutschlandreise und manche Hauptstadt eines Landes ist mir nur dadurch bekannt, dass sie auf der Karte dieser Weltreise eingetragen war.
Diese Weltreise erfuhr jetzt eine Neuauflage. Das Grundthema ist dabei geblieben: Die Spieler machen weiterhin eine Weltreise und auch ist weiterhin ein Motor der Würfel. Jetzt aber sind die Zielorte nicht mehr nach Kontinenten sortiert, sondern gleichmäßig nach West (Amerika und der äußerste Westen Europas und Afrikas), Mitte (Europa, Afrika und Vorderasien) sowie Osten (Asien und Australien). Auch wurden die Verkehrsmittel modernisiert. Auf den Kontinenten gibt es nur noch eine Form der Fortbewegung, ob es sich um Flugzeug, Eisenbahn oder Schiff handelt, wird nicht näher erläutert. Zwischen den Kontinenten gibt es Fluglinien, für die man ein bestimmtes Ticket braucht. Dieses gibt es in sieben bestimmten Städten, die quer über den Plan und über alle Kontinente verstreut sind. Der Wechsel erfordert kein Stehen bleiben mehr und die "6" wird nicht mehr mit Telegrammen bestraft. Dafür wird die "1" mit einem Aktionskärtchen belohnt, das eine von drei Sonderaktionen erlaubt: entweder gehe ich zu einem Mitspieler, rufe einen Mitspieler zu mir her oder darf eine Stadt tauschen. Da zusätzlich auch noch weniger Städte auf dem Spielplan sind, wird der Spielablauf gegenüber der Ausgabe von früher wesentlich beschleunigt und dem heute gewünschten Spielgefühl angepasst.
Zur Modernisierung gehört auch eine klar verbesserte Ausstattung. Statt Fähnchen, die mit einer Spitze in die Startstadt gesteckt wurden und so hässliche Löcher auf dem Spielplan hinterließen gibt es nun durchsichtige Kegel mit einer Farbmarkierung. Auch sind die Karten nicht mehr einfach nur perforierte Pappschnipsel, sondern Karten mit Bild und einer Beschreibung der Stadt auf der Rückseite (was beim Kartentausch die oberste Stadt sichtbar macht). Zum Schluss wurde die Wertung noch geändert. Neutrale Städte bringen wie die eigenen Städte Punkte, wenn man sie anfährt. Sieger ist nun nicht mehr automatisch der schnellste Spieler, sondern der mit den meisten Punkte. Da aber alle Spieler für ihre nicht angefahrenen Städte Minuspunkte erhalten, hat der schnellste immer noch die besten Aussichten auf den Gewinn.
Diese Weltreise macht auch noch heute Spaß, wenn man Lust auf ein Würfelwettlaufspiel hat. Geblieben sind die Ungerechtigkeiten der Städte und vor allem des Würfels. Das gehört dazu und beim nächsten Mal kann es schon wieder ganz anders laufen. Geblieben ist auch die Einfachheit des Spielablaufs und vor allem die Möglichkeit, seine Geographiekenntnisse aufzubessern, auch wenn man heute nicht mehr nach Montevideo muss, weil es der Rationalisierung zum Opfer gefallen ist. (wd)
Steckbrief Weltreise |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Jochen Zeiss | Ravensburger | 2 - 6 Spieler | ab 8 Jahre | 30 - 45 Minuten | schelenz.design |