War bei meiner letzten Rezension Pompeji ein kleiner Ort im südlichen Italien noch vor der neuen Zeitrechnung Schauplatz des Geschehens, betrachten wir nun einen ganzen Kontinent, Afrika, zur Zeit der Kolonialmächte. Händler dieser Mächte versuchen in das Innere Afrikas vorzudringen, um dort ihre geschäftlichen Aktivitäten entfalten zu können. Da die Konkurrenten Ähnliches im Sinn haben, kommt es jedoch hin und wieder zu Reibereien um die besten Handelsplätze.
Öffnet man die Schachtel zu Ins Innere Afrikas fällt zunächst das vielfältige Material auf. Der große Spielplan mit Afrika eingeteilt in 24 Regionen, davon 11 Rohstoffregionen und dem so genannten Herz von Afrika, etwa im Gebiet der heutigen Zentralafrikanischen Republik. Die Händlersteine, hölzerne Scheiben, in den Spielerfarben plus je ein Großhändler sowie graue, neutrale Händler, kleine, hölzerne Würfel als Einflusssteine, 24 Rohstoffmarker für die entsprechenden Gebiete und zum Markieren des Werts in der Rohstoffbörse, die das Spiel treibenden 83 Aktionsmarker, die durch die neun Sondersiegpunktmarker ergänzt werden. Schließlich noch Marker für Handelshäuser, Palaver und Rückzüge, sowie zwei äußerst nützliche Spielerhilfsblätter, auf denen die Zugreihenfolge, die Kosten der Aktionen, die Wertungskriterien festgehalten und die einzelnen Aktionsmarker erklärt sind. Nur zwei, bei bis zu fünf Spielern? Ja, tatsächlich nur zwei, komisch! Und noch etwas Komisches. Will man das Material nach einer Partie wieder verstauen, muss man feststellen, dass das Inlett gar nicht zum Spiel passt, sondern wohl ein Standardinlett ist.
Nachdem alle Rohstoffregionen zufällig belegt und mit einem neutralen Händler ausgestattet wurden (nicht alle Rohstoffmarker kommen also zum Einsatz, was jedes Mal eine neue Verteilung ergibt), auf der Rohstoffbörse der Startwert jeder Sorte und auf der Siegpunktleiste eine Spielerreihenfolge festgelegt wurde sowie die Startküstenregion der anfangs fünf Händler pro Spieler gefunden wurden, werden noch vier Paare von Aktionsmarker ausgelegt.
Von der Philosophie her versucht Ins Innere Afrikas, die Schere zwischen dem Führenden und dem mit den wenigsten Siegpunkten nicht zu weit bzw. gar nicht aufgehen zu lassen. So darf der hinten liegende zuerst einen Startplatz, den vermeintlich günstigsten aussuchen. Und es setzt sich fort bei der Versteigerung der Aktionsmarker. Wie gesagt immer vier Paare liegen aus, aber für die aktuelle Runde ist nur das vorderste interessant. Mit den anderen Paaren kann man sozusagen in die Zukunft schauen und versuchen abzuschätzen, welche Kombination für einen selbst am günstigsten ist.
Denn die Paare bieten unterschiedliche Möglichkeiten, sowohl was die Anzahl der aufgedruckten Aktionspunkte angeht als auch der Aktionen. Ich fühlte mich sofort an Vinci (Eurogames) erinnert, wo auf diese Art die Eigenschaften der Völker festgelegt werden. Die Aktionspunkte reichen von 0 bis 9, höhere allerdings dann ohne zusätzliche Aktion. Diese kann sein, eigene oder neutrale Händler einzusetzen, einen Großhändler (er verdoppelt bei Anwesenheit die Zahl der Händler) einzusetzen, Händler zusätzlich zu bewegen, Handelshäuser zu errichten, die Rohstoffbörse zu verändern oder auf mehrere Arten zusätzliche Siegpunkte zu machen. Wie man erahnen kann, gibt es im Zusammenspiel mit den Aktionspunkten, vielfältige Kombinationen und jede Partie läuft anders. Um das vorderste Paar wird gesteigert, mit den Einflusssteinen und sollte man meinen davon zu wenig zu haben, mit Siegpunkten, was aber nie dem Führenden erlaubt ist (Scherenphilosophie) und natürlich eine zweischneidige Sache ist, zumal die eingesetzten Siegpunkte auf die anderen verteilt werden. Scherenphilosophie bei der Versteigerung bedeutet auch, dass jeder nur ein Gebot abgeben darf, und der mit den wenigsten Siegpunkten als letzter. Er kann also immer schauen was passiert. Der Sieger der Versteigerung setzt zunächst einen neutralen Händler und verbraucht dann seine Aktionspunkte. Apropos neutrale Händler. Sie sind irgendwie lästig, hemmen sie doch die Bewegung, weil umherziehende Händler dort anhalten müssen, verwickeln diese dann in ein Palaver und haben Auswirkung auf die Wertung, die für den aktiven Spieler am Ende seiner Runde erfolgt. Pro besetztem Rohstofffeld gibt es Punkte entsprechend des Wertes (0-5) in der Rohstoffbörse, für jedes einzelne und die Mehrheit der Handelshäuser, für die Kontrolle des Herzens von Afrika. Aber für jeden neutralen Händler in einem Gebiet mit eigenem Händler wird wieder ein Siegpunkt abgezogen. Lästig, ja so lästig, dass die Kontrolle einer Rohstoffregion gesamt gesehen Minuspunkte bringen kann.
Aus der Wertung ergibt sich fast zwangsläufig was man mit seinen Aktionspunkten machen kann, nämlich Händler bewegen, neue Händler einsetzen oder die Rohstoffbörse verändern. Zusätzliche Aktionspunkte kann man sich durch Abgeben von wertvollen Einflusssteinen 1:1 erkaufen. Und danach kann man sich endlich der neutralen Händler entledigen und sie den Konkurrenten auf den Hals hetzen, indem man sie in ein Palaver verwickelt. Aber halt. Dazu wird nämlich ein Palavermarker verdeckt gezogen. Vielleicht hat man keine Verluste oder aber drastische, wie drei verlorene Einflusssteine. Ein Vorteil ist es sicherlich, wenn man diese Glückskomponente dadurch abfedern kann, dass man mit mehreren Händlern anwesend ist und somit Palaverergebnisse zurückweisen kann. Etwas anders sieht ein Palaver mit gegnerischen Händlern aus. Da zählt zunächst einmal die Reputation pro Händler, ein Wert zwischen 0 und 5, der anfangs auf 2 eingestellt wird. Aber ein Palaver wird kaum nur durch Reputation entschieden, da man verdeckt noch Einflusssteine (= drei Stärkepunkte) und bisher nicht eingesetzte Aktionsmarker (= neun Stärkepunkte) in die Hand nehmen darf. Nun kommt auch noch Psychologie ins Spiel, "ich denke, dass du denkst, aber daher denkst du wohl ganz anders usw. usw.". Diese Art des Palaverns zeigt aber auch, dass unsinnig erscheinende Aktionsmarker (z.B. Sondersiegpunkte für die Mehrheit bei Diamanten, wenn man gar keine Diamantenregionen kontrolliert) wertvoll sein können. Ebenso kann ein 0,0 Aktionspunktpaar ohne zusätzliche Aktion wertvoll sein, denn zumindest bringt es am Ende Siegpunkte durch die Wertung, zum Schluss vielleicht die entscheidenden. Zum Abschluss noch ein weiteres Beispiel für die Scherenphilosophie. Alle eingesetzten Aktionspunkte werden am Ende einer Runde unter den nicht aktiven Spielern aufgeteilt. Die haben es dann in der nächsten etwas leichter.
Machen wir mal ein Gedankenspiel und ersetzen Händler durch Armee, neutrale Händler durch Aufständige, Großhändler durch General, Handelshäuser durch Militärbasis, Reputation durch Kampfstärke, dann könnte man meinen, ein ganz anderes Spiel zu spielen. Der Kampf um Gebiete, seine Rohstoffe, das ist wohl der wahre Kern des Spiels. So gesehen wirkt das Händlerthema ziemlich aufgesetzt, aber vielleicht wollte man Seiten des Verlags mal etwas wegkommen von den sonst Konflikt betonten Spielen. Ins Innere Afrika dauert mit seinen gut 60 Minuten angenehm kurz, wenn man, wie in der Regel vorgesehen, bis 42 Siegpunkte spielt. Cosim-Anhänger sind jedoch längere Partien gewöhnt und so geht die Zahlleiste tatsächlich bis (einmal rund) 79. Längeren Partien steht also nichts im Wege. Allerdings sollte man schon einige Freunde und Bekannte einladen. Zu zweit funktioniert das Spiel überhaupt nicht, zum einen wegen der doch eher deterministischen Versteigerung, zum anderen ist Afrika für Zwei einfach zu groß. Da passiert kaum etwas. Richtig Spaß macht Ins Innere Afrikas nur zu viert oder fünft. Durch die vielfältigen Möglichkeiten der Aktionsmarker und den mehr oder weniger direkten Einfluss der Gegner kommt es auch zu vielfältigen Spielsituationen, auf die geschickt reagiert werden will. Eine gute Taktik scheint zu sein, zunächst mit den Siegpunkten eher zu knausern um hinten zu bleiben, dabei aber eine solide Basis aufzubauen und zum geeigneten Zeitpunkt nach vorne zu stürmen. So weit die Theorie. Auf jeden Mal muss man seine Taktik immer den ausliegenden Aktionspaaren anpassen. Daher beinhaltet jede Partie eine neue Herausforderung. Ins Innere Afrikas stellt sicherlich kein Highlight des Spielejahrgangs 2004 dar, gehört aber für mich eindeutig in das obere Drittel. (mw)
Steckbrief Ins Innere Afrikas |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Andreas Steding | Phalanx | 2 - 5 Spieler | ab 12 Jahre | ca. 60 Minuten | Franz Vohwinkel |