Caylus Magna Carta

In den letzten Jahren sind schon oft Kartenspiele als Ableger zu 'großen' Brettspielen erschienen, viele Beispiele könnte man nennen. Den umgekehrten weg gibt es auch, ist aber eher die Ausnahme. Nach meiner Einschätzung lassen sich die 'kleinen' Spiele in zwei Kategorien einteilen. Zum einen die Ableger, die nur deswegen produziert wurden, um vom Glanz des großen Bruders zu profitieren und dabei auch noch den schmalen Geldbeutel zu erreichen, die aber spielerisch oft einen Offenbarungseid leisten müssen. Und dann die anderen, die ohne die Vorgaben des Vorbilds zu verleugnen, auch eigenständige, neuartige Prinzipien integrieren und damit das Kartenspiel zu einem vollwertigen Spiel mit eigenem Reiz entwickeln. Dass Caylus Magna Carta als Kartenspielversion von Caylus zu dieser letzten Gruppe gehören möchte, zeigt sich wohl schon an der Schachtel, die für 63 Karten, einer Zipptüte mit Holzwürfeln und -zylindern und einer für Pappplättchen mal wieder zu voluminös geraten ist. Das Äußere betrachtet haben wir also ein relativ großes Spiel und, um es vorweg zu nehmen, vom Inhalt her auch.

Prestigegebäude Als Rezensent stehe ich jetzt natürlich wieder vor einem Problem. Wie kann ich dem Kartenspiel gerecht werden, ohne es zu sehr mit dem Brettspiel zu vergleichen. Ich bin selbst gespannt, was dabei herauskommen wird. Look and Feel von Caylus Magna Carta soll mir als Einstiegshilfe dienen. Die Verwandtschaft zum großen Brettspiel ist unverkennbar, sowohl was die Schachtel angeht, als auch die Gebäude, hier abgebildet auf normal dicken Karten, die Prestigepunkte, die Rohstoffe und Arbeiter , das Geld oder das Aussehen und der Aufbau der Regel. Es geht auch hier darum, mit den zur Verfügung stehenden Arbeitern die Effekte der vorhandenen Gebäude so geschickt auszunutzen, dass mit der gewonnenen Ressourcen weitere Gebäude errichtet und vor allem am Schloss gebaut werden kann, um letztendlich die meisten Prestigepunkte ergattert zu haben.

Rohstoffe gibt es in vier Arten, Holz, Stein, Nahrung und Gold, wobei Gold als Joker dient. Mit diesen Rohstoffen werden die Gebäude bezahlt, die zum Schluss Prestigepunkte einbringen. So kostet zum Beispiel der Bau eines Sägewerkes zwei Steine und eine Nahrung und bringt zwei Prestigepunkte. Ein darauf platzierter Arbeiter erhält dann zwei Rohstoffe Holz, aber auch der Besitzer des Sägewerkes hat etwas davon, wenn ein fremder Arbeiter das Gebäude in Anspruch nimmt. War es im Brettspiel ein Prestigepunkt, ist es hier sehr oft ein Rohstoff, im Fall des Sägewerks z.B. ein Holz. Die Änderung ist in meinen Augen aus zwei Gründen notwendig. Zum einen gibt es keine Zählleiste für Prestigepunkte, so dass die Punkte sofort festgehalten werden könnten. Und zum anderen stehen nur vier Arbeiter zur Verfügung, so dass in der Regel durch die Gebäude weniger Rohstoffe, bei etwa gleichen Kosten, hereinkommen.

Bei den Gebäuden gibt es nicht nur einen Satz für alle, sondern jeder hat einen identischen Satz von zwölf verschiedenen, von denen zu Beginn drei auf die Hand genommen werden. Nur diese Handkarten können gebaut werden. Damit ergibt sich zwar einerseits eine glücksabhängige Möglichkeit zu bauen, andererseits stehen aber insbesondere zum Schluss die Gebäude mehrfach zur Verfügung, so dass die Planung etwas erleichtert wird. Allerdings spricht auch hier wieder der Vogt ein gewichtiges Wort mit, denn Gebäude, die sich hinter seiner Position befinden, werden nicht aktiv. Mit dem Vogt lassen sich gegebenenfalls die Mitspieler sehr schön ärgern, aber da Geld meistens knapp ist und jeder Schritt des Vogtes kostet, will die Investition gut überlegt sein.

Gebäude Zum Ende einer Runde haben alle die Gelegenheit mit am Schloss zu bauen. Dazu muss pro Bauschnitt ein Rohstoffpaket Holz, Nahrung, Stein, das je nach Bauabschnitt, vier, drei oder zwei Punkte in Form eines Prestigeplättchen einbringt, bereitgestellt werden. Das erscheint insbesondere zu Beginn interessant, denn Gebäude erzielen niemals vier Prestigepunkte. Und es ist auch deswegen interessant, weil derjenige mit den meisten bzw. zuerst angebotenen Rohstoffpaketen ein Gold als Bonus erhält. Die königliche Gunst aus dem Brettspiel wie auch die Spezialgebäude finden sich bei Caylus Magna Carta nicht. Zum Schluss ist zwar das Schloss von den Punkten nicht mehr so attraktiv, aber das Spielende ist dann erreicht, wenn alle Plättchen des dritten Bauabschnitts aufgebraucht sind. Das mag man gegebenenfalls etwas puschen wollen, wenn abzusehen ist, dass Konkurrenten auf den Bau von prestigeträchtigen Sondergebäuden (sechs, zehn, vierzehn Punkte) zusteuern. So attraktiv diese Prestigegebäude auch sein mögen, so verlangen sie doch ein gutes Rohstoffmanagement und sorgfältige Planung, denn zunächst muss über den Notar (mit einem Arbeiter) ein eigenes Gebäude geschleift werden, so dass ein Bauplatz zur Verfügung steht. Es könnte die Vermutung aufkommen, dass sich das Spiel hinzieht, wenn nicht am Schloss gebaut wird, weil z.B. kein Interesse besteht oder kaum Rohstoffe vorhanden sind. Dem ist aber nicht so, denn dann werden einfach zwei Prestigeplättchen entfernt. Das Spielende rückt zwangsweise näher.

Das bisher Geschriebene möchte ich zur besseren Übersicht und zu kleinen Ergänzungen im Phasenablauf einer Runde zusammenfassen.

  • Phase 1: Einkommen, zwei Geld für jeden
  • Phase 2 : Aktionen
    • Gebäudekarten ziehen (Kosten 1 Geld)
    • Alle (!!) Gebäudekarten tauschen (Kosten: 1 Geld)
    • Arbeiter einsetzen (Kosten: 1 Geld, die Kosten bleiben immer konstant)
    • (Prestige)gebäude errichten
    • Passen (der Erste erhält 1 Geld, und die Reihenfolge beim Schlossbau wird bestimmt)
  • Phase 3: Bewegen des Vogts (Kosten: 1 Geld pro Schritt, maximal drei Schritte)
  • Phase 4: Auswirkungen der Gebäude
  • Phase 5: Schlossbau
  • Phase 6: Vogt (zieht zwei Schritte nach vorne)

War Caylus eher ein komplexes, Strategie betontes Bau- und Ressourcenspiel für Vielspieler, das den Gelegenheitsspieler doch etwas überfordert hat, so versucht der Verlag mit Caylus Magna Carta wohl genau diesen Gelegenheitsspieler mit ins Boot, pardon Schloss zu holen. Dies wird vor allem durch einen gestrafften und einfacheren Ablauf erreicht. Ja, man geht sogar noch weiter, indem man den der Rezension zu Grunde liegenden Standardregel noch eine Einsteigerregel ohne Vogt, Notar und bestimmten Gebäuden zur Seite gestellt hat. So gesehen, wurde das Ziel voll und ganz erreicht. Aber auch ein mehr dem taktisch Komplexen zugewandten Vielspieler wird an Caylus Magna Carta seinen Reiz finden, denn es spielt sich schnell und flott, eine gute Stunde, bietet aber dennoch trotz der Einschränkungen immer noch genug Handlungsoptionen und Gewinnstrategien, um eine dichte Atmosphäre entstehen zu lassen. Und dies in jeder Besetzung, zu viert, genauso wie zu zweit. Caylus Magna Carta hat mir sehr gut gefallen. So gut, das ich es mindestens genauso gerne wie seinen 'großen' Bruder spiele. (mw)

Steckbrief
Caylus Magna Carta
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
William Attia Ystari 2 - 4 Spieler ab 10 Jahre 45 - 75 Minuten Arnaud Demaegd