Auf manche Spiele freue ich mich ganz besonders. Das sind überwiegend solche Spiele, die einem Genre angehören, in der nicht viele Spiele veröffentlicht werden. Deduktionsspiele sind ein solches Genre. So war ich sehr erfreut, als ich auf der Spiel '06 den Prototypen zu Mont- Saint Michel sah. Als ich ihn erklärt bekam, leuchteten meine Augen richtig. Bei diesem Spiel mussten nicht die Spieler Auskünfte erteilen, sondern das Spielsystem beinhaltete alles, was für die Deduktion notwendig war. Bei einem solchen Spiel konnte es keine Falschauskünfte geben, eine der Ursachen, die immer wieder die Spielfreude an Deduktionsspielen trübt.
Auf dem Spieletreff in Oberhof sah ich dann zum ersten Mal Spieler Mont-Saint-Michel spielen. Ich wäre gern dabei gewesen. So bleib mir nichts weiter als die beteiligten Spieler nach ihrer Meinung zu fragen. Diese war entgegen meinen Erwartungen gar nicht so gut. "Am Ende des Spiels kannte man die Figur jeden Spielers", sagten die Spieler einhellig, "und dadurch wurde Spiel zu einem langwierigen Hin- und Hergeschiebe". Ich ließ mich nicht entmutigen und war voller Freude bei meiner ersten Partie.
Als kleinen Einschub erzähle ich hier den Ablauf des Spiels. Auf der Insel Mont-Saint-Michel möchten die Spieler geheimnisvolle Buchseiten entdecken. Dazu stehen insgesamt sechs Figuren zur Verfügung. Durch kleine Zettel in den Figuren wird jedem Spieler eine Figur zugeteilt, einige Figuren bleiben neutral. Über Karten wird bestimmt, an welchem Ort sich die aktuell zu suchende Buchseite befindet. Auf der Buchseite ist auch angegeben, ob der Spieler ein oder zwei Züge mit den Spielfiguren ausführt. Ein Spielzug besteht darin, eine Spielfigur von einem Punkt zum nächsten zu bewegen. Steht dort schon eine Figur, darf diese nun gezogen werden. So ergeben sich längere Kettenzüge. "Die Rampe", ein spezielles Spielfeld, verstärkt den Effekt noch, weil sie der auf sie ziehenden Spielfigur einen Extrazug beschert. Ist der Zug eines Spielers abgeschlossen und steht eine Figur an dem aktuellen Fundort, so bekommt die Figur die Buchseite. Zunächst gibt es Buchseiten mit meist geringem Wert, später dann sogar mit negativen Werten.
Zwischendurch werden im Stapel mit den Buchseiten auch Karten aufgedeckt, die es einem Spieler erlaubt, sich die Identität einer Figur anzuschauen. Eine Weitergaberegel sorgt dafür, dass jeder Spieler während des Spiels genau drei Identitäten kennen lernt.
Sobald die letzte Buchseite vergeben wurde, endet das Spiel. Nun wird für jede Figur der Wert der Buchseiten ermittelt. Der Spieler, dessen Figur hierbei den höchsten Wert erzielt hat, gewinnt. Neutrale Figuren können dabei nicht gewinnen.
Zurück zu meinem ersten Spiel: In der Regel gibt es zwei optionale Regeln. Zum einen darf man sich dabei zu Beginn die Identität einer Spielfigur anschauen, zum anderen wird die Weitergaberegel verschärft, so dass die Spieler recht gleichmäßig die Identitäten anschauen dürfen. Zunächst lassen wir das einmal weg. Das Spiel, es war zu fünft, geht langsam los. Die ersten Buchseiten gehen weg, keiner kennt eine Identität. Es kommt so etwas wie Ratlosigkeit auf, denn im Grunde weiß man nicht, warum man die Buchseiten verteilen soll. Also möglichst ausgeglichen verteilen und darauf warten, dass Identitäten bekannt werden. Nach und nach kommt es auch dazu und dann, ja dann kommt das Phänomen, dass mir die Spieler beschrieben haben. Jeder kennt quasi jeden, manchmal nicht direkt, aber durch Rückschlüsse indirekt. Und so gönnt man dem nachfolgenden Spieler keine gute Buchseite. Das Spiel zieht sich so dahin.
Im nächsten Spiel kommen die Identitätskarten recht spät. Der Beginn wird länger und länger, die Spieler unruhig. "Das wird noch!" beruhige ich, denn ich weiß ja, dass die Identitätskarten noch kommen werden. Ein Spieler versucht die Vergabe der Buchseiten zu erschweren. Es wird mühsam die Seiten an den Mann bzw. an die Figur zu bringen. Endlich ein paar Erkenntnisse. Dann geht es weiter. Bis zur Schlussphase, in der wieder jeder jeden kennt. Sie endet dieses Mal schneller, denn der Zufall sorgt dafür, dass die negativen Seiten zuletzt kommen und damit auch das Königsmachersyndrom.
Nächstes Spiel. Die Identitäten werden früher bekannt und das Hin- und Hergeschiebe beginnt eher. Damit stirbt die Überlegung, schon vor dem Spiel eine Identität anzuschauen, denn je eher sie bekannt sind, je langwieriger wird das Spiel. Auch auf die zweite Option verzichten wir, denn in einem gleichmäßigeren Erfahren der Identitäten sehen wir kein Mittel, die Schwächen des Spiels zu vermeiden. Das Spiel soll übrigens taktischer werden, wenn man sich die Orte notiert und daher im zweiten Abschnitt des Spiels weiß, welches der nächste Ort ist, an dem eine Buchseite gefunden wird. Ich konnte dies leider nicht überprüfen, mir gingen die Mitspieler aus.
Zurück bleiben eine gute Grundidee, ein schön gestaltetes Spiel und ein enttäuschter Wolfgang. Im Nachhinein betrachtet wirken die optionalen Regeln wie der Versuch, den Spielern ein Instrumentarium zu geben, das Spiel nach ihrer Vorliebe zu gestalten. Doch entweder hat man eine lange Anlaufphase oder eine sich dahin ziehende Schlussphase. Schade um die schöne Idee, das gewählte Thema und die tolle Gestaltung. (wd)
Steckbrief Mont-Saint-Michel |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Kathi Kappler, Johann Rüttinger, Rolf Vogt | Drei Magier | 2 - 5 Spieler | ab 8 Jahre | 50 - 60 Minuten | Rolf Vogt |