Amyitis

KamelkarteDa ist wieder eines, ein Spiel mit dem Y im Namen vom Verlag mit dem Y im Namen. Dieses Mal muss Amyitis, Tochter des medischen Königs als Namensgeberin herhalten. Amyitis (oder auch Amyitas) heiratete um 590 v.Chr. Nebukadnezar, den König von Babylon. Dieser ließ ihr zu Ehren einen großen Garten anlegen, der aber wohl nichts mit den berühmten hängenden Gärten der Semiranis zu tun hat, der erst eine oder zwei Generationen später fertig gestellt wurde. Unsere Aufgabe als Adliger des Königsreichs ist es nun, den Garten der Amyitis zum Leben zu erwecken, die dazu benötigten Geldmittel und Tauschwaren aufzutreiben, ihn zu bewässern, mit bezaubernden Pflanzen auszustatten, dabei aber das Gesamtensemble des Palastes nicht aus den Augen zu verlieren.

Ich beschreibe zunächst Amyitis für eine Partie zu viert, auf die Änderungen bei anderen Spielerzahlen, auch im Spielverhalten gehe ich dann später ein. Aber um es vorweg zu sagen, Amyitis ist ein klasse (Mangel)Spiel. Aber bis man dies feststellen kann muss man sich erst durch die Regel arbeiten, sind doch zwei Spielpläne, etliche unterschiedliche Karten und Aktionen zu erklären. So schlimm allerdings ist es auch nicht, denn alles greift schön ineinander und ist leicht verständlich.

Ingenieur Motor des Spiels sind die Gewerbekarten, die in Dreiergruppen entsprechend der Spieleranzahl ausgelegt werden. Das Rekrutieren einer der abgebildeten Personen ist eine der möglichen Aktionen. Zur Verfügung stehen:

  • der Ingenieur. Er sorgt dafür, dass Gartenfelder bewässert werden, so dass später Pflanzen gesetzt werden können. Ein Ingenieur bringt immer sofort zwei Prestigepunkte (Siegpunkte).
  • der Priester. Er besucht einen der drei möglichen Tempel und hofft darauf, am Ende der Runde dort Vorteile zu erlangen.
  • der Bauer. Er sorgt für Nachschub an Waren, die auf den Basaren in Mesopotamien dazu verwendet werden Pflanzen und oder Spielvorteile zu erwerben. Während auf den Basaren immer bestimmte Waren verlangt werden, kann der Bauer nur das bekommen, was gerade an der Reihe ist. Da ist Planung vonnöten.
  • der Händler. Er sorgt dafür, dass die Karawane in Mesopotamien einen Basar weiterziehen kann.

Die erste Karte einer Dreiergruppe gibt es noch umsonst, die zweite kostet einen Taler, die dritte bereits zwei. Spät Helfer zu rekrutieren wird also richtig teuer. Vor allem auch deshalb, weil nicht vorgesehen ist, zu Beginn einer neuen Runde Geld nach zu bekommen. Wer das möchte muss sich frühzeitig um einen Bankier kümmern, der in drei der Basare verpflichtet werden kann. Aber nur gegen die entsprechende Waren und die Karawane muss auch hin. Also zuerst Bauer und Händler aktivieren. Frühzeitig heißt hier, dass nur drei Bankiers der ersten Stufe zur Verfügung stehen. Und nur wer einen solchen hat, kann einen besseren der Stufe 2 erwerben usw. Einer der vier Adligen wird also leer ausgehen und ist damit ohne Chancen auf Geldnachschub? Nein, denn es gibt andere Möglichkeiten und Strategien. Wer z.B. frühzeitig passt (die zweite mögliche Aktion) bekommt jedes Mal, wenn er wieder an der Reihe wäre, einen Taler. Oder man baut eine Pflanze im Garten an, die neben Prestigepunkten auch noch Taler bringt.

PlanzeApropos Pflanze anbauen. Auch die muss man in einem Basar kaufen. Da werden Pflanzen der Qualitätsstufe 1 für den äußeren Ring des Gartens oder 2 für den nächsten angeboten. Qualitätsstufe zwei kostet dann auch immer zwei Waren, die eine vom Basar und dann noch eine weitere, die auf der Karte angegeben ist. Aber im Zentrum des Gartens wird sogar Qualitätsstufe 3 benötigt. Da muss man sich also eine Aufwertungskarte besorgen, durch ein entsprechendes Gartenplättchen oder indem man mit den Bauern eine Mehrheit bei den fünf Warenplättchen einer Reihe erzielen konnte.

Nur mit den über Händler erworbenen Karawanenplättchen von Basar zu Basar ziehen (die dritte mögliche Aktion), ist eher mühsam. Also dann doch lieber eine Karawanenkarte besorgen, die zusätzliche Reichweite verschafft und damit bessere, taktische Möglichkeiten. Wobei auch hier das Prinzip wie beim Bankier gilt. Was auch bei der Palastkarten Gültigkeit hat, die nur Prestigepunkte, dafür aber auf Stufe 6 gleich zehn Stück bringen. Nur wieder drei Karten sind in der Einstiegsstufe vorhanden, Stufe 6 ist gar nur einmal da.

Wenn man das jetzt so liest, wird der Spruch einer Mitspielerin klar, die meinte "Ich will am liebsten alles machen". Aber das geht natürlich nicht, einen groben, roten Faden sollte man schon verfolgen. Das Schöne an Amyitis ist nun, dass man mit verschiedenen Strategien zum Ziel kommen kann. Welche die vermeintlich beste ist, vermag ich auch nach mehreren Testspielen nicht zu sagen. Da wäre z.B., dass man sich vornehmlich um Palastkarten kümmert. Alle bis Stufe 6 erworben bringen 31 Prestigepunkte. Wenn man nun noch weiß, dass der Sieger so um die 45 Punkte liegt, sind 31 schon mehr als die halbe Miete. Auch könnte man nur mit den Ingenieuren arbeiten. Jedes Mal zwei sichere Punkte und dazu noch Bonuspunkte für die Mehrheit der Bewässerungen, wenn eine Pflanze angebaut wird. Dann noch die Priester in den Tempel schicken, der jede Runde zwei Prestigepunkte einbringt, und sich fast nicht um Bauern und Händler kümmern müssen. Oder verstärkt versuchen Pflanzen anzubauen, da die meisten Gartenplättchen neben Prestigepunkten auch noch Vergünstigungen bringen (Palastkarten, Karawanenkarten bzw. -plättchen usw.). Hier schlägt man also gegebenenfalls zwei Fliegen mit einer Klappe, aber das Ganze braucht etwas mehr Vorlauf und Vorarbeit.

Gartenplättchen

Welche Strategie man auch wählt, am besten ist es, sie alleine durchziehen zu können. Wenn noch ein weiterer Adliger in etwa die gleiche Linie verfolgt, wird es eng, für beide. Dann kann es nur heißen flexibel zu reagieren, Plan B hervorzuholen. Und an diesem Punkt sticht Amyitis andere hervorragende Spiele des Jahrgangs, wie Agricola, Race for the Galaxy, die im weitesten Sinne ähnlich angelegt sind, aus. Hat man dort einen vorgegebenen Kartensatz oder bekommt Karten, mit denen man auskommen muss (Stichwort: Kriege ich noch mal eine vernünftige Kartenkombination oder eine der Superkarten?), hat man hier alles selbst in der Hand, ausgenommen die Absichten und Züge der Mitkonkurrenten. Aber selbst die kann man noch einschätzen, da alle Resourcen offen liegen. Diese Art von Spiel liegt mir persönlich am meisten, denn ich habe gegebenenfalls den Fehler gemacht, nicht das Spiel. Und so reizt es die nächste besser zu gestalten. Ich werde jedenfalls Amyitis eine Menge Punkte bei der Wahl zum Deutschen Spielepreis geben.

Amyitis mag zwar zeitlich ein Nachfolger des Superspiels Caylus sein, aber es steht spielerisch nicht in der Nachfolge, sondern ist ein eigenständiges Spiel und auf eigene Art gut. Es ist ein sehr anspruchsvolles Familienspiel, nein, doch eher ein nicht zu komplexes Vielspielerspiel. Ein kleiner Glücksfaktor ist zwar vorhanden, aber weit mehr entscheidet das eigene Handeln über einen erfolgreichen Spielverlauf.

Was ich bisher gesagt habe, gilt nicht nur für eine Partie zu viert, sondern auch für eine zu zweit. Aber es ist ein anderes Spiel. Da man öfter an die Reihe kommt, kann man naturgemäß etwas mehr taktieren. Auch sind die Palast-, Karawanen- und Bankierkarten weniger ein Problem, da genug Karten zumindest für den Einstieg in die jeweilige Kartenreihe vorhanden sind. Die Bewertung für eine Partie zu dritt, liegt dann irgendwo dazwischen, aber generell gilt, dass Amyitis in jeder Besetzung gut zu spielen ist. Amyitis hat mich voll überzeugt. Ich kann es ohne Einschränkung weiterempfehlen und bin gerne zu einer weiteren Partie bereit. Was nicht bei allen Rezensionsspielen, die ich mehrmals spielen musste, der Fall war. (mw)

Steckbrief
Amyitis
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Cyril Demaegd Ystari 2 - 4 Spieler ab 12 Jahre 60 - 120 Minuten Arnaud Demaegd