Das Szenario für dieses im Grunde abstrakte Spiel ist denkbar einfach: Atlantis versinkt im Meer. Deshalb müssen die Bürger ihre Stadt verlassen und auf das sichere Festland gelangen. Doch geht es bei diesem Wettlauf nicht nur darum, schnell zu sein, sondern dabei auch die wertvollsten Schätze zu retten.
Die Schätze, von denen es sieben verschieden gibt, sind auf Plättchen abgebildet und dort mit einem Wert von 1 bis 7 versehen. Aus diesen Plättchen wird ein Weg aufgebaut, wobei an einigen Stellen zwei Plättchen übereinander liegen. An das eine Ende des Wegs kommt Atlantis, an das andere das Festland und in der Mitte befindet das zunächst einzige Wasserplättchen.
Jeder Spieler führt drei Bürger aus Atlantis. Dies geschieht durch Karten, die ebenfalls einen der sieben Schätze zeigen. Für einen Zug wählt man eine Karte und einen Bürger und zieht ihn dann entlang des Weges so weit, bis er ein Plättchen mit dem abgebildeten Schatz erreicht. Ist das Feld bereits von einem anderen Bürger besetzt, muss noch eine Karte gespielt werden und der Bürger zieht weiter. Steht er allein auf einem Feld (oder auf dem Festland) endet der Zug und der Spieler bekommt das erste freie Plättchen hinter dem Bürger. Entsteht dabei eine Lücke im Weg, wird diese mit einem Wasserplättchen aufgefüllt.
Das "steigende" Wasser hindert die Bürger auf ihrer Flucht in Richtung Festland. Sie können zwar einfach über das Wasser herüberziehen, müssen dafür aber bezahlen. Der Preis wird durch die beiden Landfelder neben dem Wasser bestimmt und ist so hoch wie der Wert des geringerwertigen Schatzes. Bezahlt wird mit bereits erhaltenen Schätzen oder aber mit Karten, die immer den Wert 1 haben. Alternativ kann ein Spieler auch seine (einzige) Brücke auf das Wasser setzen. Von nun an überqueren alle Bürger dieses Wasserfeld kostenlos.
Damit die Flucht aus Atlantis fortgesetzt werden kann, benötigt der Spieler nun noch einen Nachschub an Karten. Den gibt es auf zweierlei Art: Zu Beginn des Zuges kann der Spieler einen Schatz in Karten tauschen, wozu der Wert des Schatzes halbiert und gegebenenfalls abgerundet wird. Am Ende des Zuges erhält der Spieler eine Karte. Für jeden eigenen Bürger, der das Festland bereits erreicht hat, gibt es noch eine weitere Karte.
Das Spiel endet, wenn sich die drei Bürger eines Spielers auf dem Festland befinden. Die andere Bürger haben es nun eilig: Sie ziehen sofort zum Festland. Dafür müssen keine Karten gespielt werden, und es gibt auch keine Schätze mehr. Nur Wasserfelder müssen immer noch bezahlt werden. Wer mit Schätze und Karten dann den höchsten Wert erzielt, ist der Retter von Atlantis.
Als ich von dem Spiel hörte, war sofort mein Interesse geweckt und das gleich aus zwei Gründen.
Zum einen findet sich hier der Mechanismus wieder, bei dem ein Weg während des Spiels aufgezehrt wird, wobei die entstehenden Löcher erstmals thematisch aufgefüllt werden. Diesen Mechanismus gab es bisher in drei von der Jury Spiel des Jahres mit Listenplätzen ausgezeichneten Spielen: Tutenchanmun, VerfliXXt! und Big Points, welches von meiner Frau und mir stammt.
Zum anderen erinnert der Zugmechanismus stark an Cartagena, das wie Atlantis von Leo Colovini stammt: Karte spielen und dann eine Figur auf das nächste Feld mit diesem Symbol setzen.
Genau diese beiden Vergleiche geben auch das Spielgefühl wieder. Atlantis spielt sich wie eine Mischung aus Big Points und Cartagena. Es hat dabei eine höhere Komplexität als Big Points, was auch zu einer längeren Spieldauer führt. Gegenüber Cartagena ist es einfacher, weil die Figuren immer nur in Richtung Festland ziehen. Das macht es übersichtlicher und weniger taktisch als Cartagena und ist thematisch passender.
Nicht jeder kennt Big Point und Cartagena. Dann mag es besonders interessant sein, weil hier zwei gute Mechanismen verquickt werden: Das Herzstück in Atlantis ist die Rettung zum Festland. Das Spiel fördert den Wettlauf, denn gerettete Bürger bringen Karten. Hingegen verursachen Bummelanten durch die Wasserfelder Kosten, die eine horrende Summe ergeben können. Doch Geschwindigkeit allen führt nicht zum Sieg, weil die Gegenstände dafür zu wertvoll sind.
Insgesamt ergibt sich ein leicht erlernbares Wettlaufspiel mit angenehmer Spieldauer und -tiefe. Der abstrakte Mechanismus wurde thematisch gut eingekleidet und bietet zahlreiche Entscheidungsmöglichkeiten, ist aber soweit begrenzt, dass ein flotter Spielablauf gewährleistet bleibt.
Die Reaktionen meiner Mitspieler auf Atlantis waren durchweg positiv. Ein Spieler fasste es kurz so zusammen: "Mit wenigen Regeln hat man hier ein gutes taktisches Spiel." Ich schlisse mich dem an. (wd)
Steckbrief Atlantis |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Leo Colovini | Amigo | 2 - 4 Spieler | ab 10 Jahre | ca. 30 Minuten | Michael Menzel |