"Grand Cru" ist ein Wirtschaftsspiel: Die Spieler sind Jungwinzer, die zu Beginn Kredite aufnehmen, um das notwendige Kapital für den Weinanbau und das Marketing ihrer Produkte zu haben. Das Spiel endet nach einer variablen Anzahl von Runden, wenn der erste seine Kredite zurückgezahlt hat bzw. wenn ein Spieler bankrott geht. Wer dann am Ende die meisten Vermögenswerte besitzt, gewinnt.
Doch vor den Erfolg hat der liebe Gott den Schweiß gesetzt.
"Grand Cru" läuft in Jahren ab, die jeweils in zwei Abschnitte zerfallen. Im ersten Teil können die Spieler in mindestens vier Aktionsrunden auf der Weinauktion mehr oder weniger günstige Weinreben und Ausbauten für das eigene Weingut erwerben, Weintrauben ernten und einkeltern (Weinklötzchen werden von den Reben in das erste Fass des eigenen Weinkellers gelegt), gereiften Wein zu aktuellen Marktpreisen verkaufen oder den Marktwert von bestimmten Weinen in die Höhe treiben.
Das Ende des Jahres (der zweite Abschnitt) naht, wenn frühestens in der vierten Runde oder später ein Winzer seine letzte Rebe abgeerntet hat oder alle passen. Es schließt sich das Weinfest an, bei dem die Spieler für den im Lauf des Jahres verkauften Wein Prestigepunkte erringen, die sie für Sonderaktionen einsetzen können (u. a. für eine Spätlese, einen weiteren Weinverkauf oder zur Manipulation von Weinpreisen). Schließlich reift der Wein, indem die Klötzchen in das nächste Fass rechts gerückt werden. Rebensymbole auf den Fässern zeigen an, welche Weine ihre Reife erreichen und auch wenn ein Wein verdorben ist und weggeschüttet werden muss. Vor Beginn des neuen Jahres mit neuen Trauben auf den Reben müssen die Spieler Zinsen für geliehenes Geld bezahlen und haben dann Gelegenheit, weitere Kredite aufzunehmen oder mit der Rückzahlung der Darlehen zu beginnen.
Wie nicht anders für ein Wirtschaftsspiel zu erwarten, müssen auch in "Grand Cru" Investitionen überlegt getätigt werden, um den größtmöglichen Profit aus dem eigenen Weingut herauszuholen. Je nach Situation, die von der Entwicklung des Markts und den Aktionen der Konkurrenz maßgeblich bestimmt wird, können unterschiedliche Strategien sinnvoll sein. Auf ein breites Angebot und maximalen Ausbau des Weinguts zu setzen (was auch eine Wertsteigerung mit Blick auf das Spielende bedeutet) kann bei ausreichend zur Verfügung stehenden Aktionsrunden und günstigen Preisen bei den Versteigerungen ein Weg zum Erfolg sein, aber auch die Konzentration auf eine oder zumindest wenige Sorten, die auf dem Markt hoch gehandelt werden, ist eine Option.
Bei allem muss ständig das Treiben auf den anderen Weingütern beobachtet werden, um früher als der andere am Markt zu sein oder die Pläne der Gegner zu vereiteln, indem man das Jahresende herbeiführt. Denn wenn der erste Spieler seine Weinreben vollständig abgeerntet hat, haben die anderen nur noch eine letzte Aktion und das Weinfest steht an. Manchmal genügt aber die bloße Drohung, dass ein Spieler die Runde schließen kann, um die Konkurrenz aufzuscheuchen. Absolut notwendig ist es daher, durch attraktive Ausbauten die Produktivität und den Absatz des eigenen Gutes zu steigern. "Erntehelfer" und "Reiche Ernte" helfen zum Beispiel, mehr Klötzchen pro Aktion in die Fässer zu bringen. Durch "Werbung" kann man den Preis einer oder mehrerer Weinsorten erhöhen, durch "Veredelung" die Reifung eines Weins beschleunigen. In der ersten Hälfte einer Partie richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Auktionen, bis sich das Spiel auf Ernte, Verkauf und Sonderaktionen beim Weinfest verlagert. Ausgesprochen reizvoll ist die Zweiteilung der Spieljahre, da durch das Weinfest eine weitere strategische Ebene eingezogen wird, die elegante und fein aufeinander abgestimmte Spielzüge erlaubt. So kann man als Spieler mit den meisten Prestigepunkten als erster die Sonderaktion wählen, die für die jeweilige Situation besonders attraktiv ist.
Die in Internetforen intensiv diskutierte "4-Aktionen-Strategie", die auf zeitiges Schließen der Runde nach nur vier Aktionen setzt, kann nur dem Spieler zum Sieg verhelfen, der sich die besten Ausbauten und die lukrativsten Weinreben sichern kann. Erfahrene "Grand Cru"-Spieler werden es nicht so weit kommen lassen. Ich persönlich habe in verschiedenen Testrunden mit etwa gleich starken Spielern stets erlebt, dass diese Strategie vereitelt oder nicht durchgehalten wurde. Dies mag auch daran liegen, dass kaum jemand bereit ist, die damit verbundene Qual eines nicht enden wollenden Spiels zu verantworten. Doch auch ohne solche Extravaganzen bleibt "Grand Cru" ein zeitintensives Spiel, für das man in einer Runde von vier bis fünf Spielern mehr als zwei Stunden einplanen sollte. Ideal sind Partien mit drei oder vier Mitspielern, zu zweit ist die Konkurrenz direkter, aber die Herausforderungen sind nicht so hoch wie bei mehreren Spielern.
"Gut Ding will Weile haben." Diese Weisheit trifft nicht nur auf guten Wein zu, dessen Qualität nicht unerheblich mit Reifung zu tun hat. Auch "Grand Cru" braucht Zeit, um bei den Spielern anzukommen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass "Grand Cru" erst zögerlich Fahrt aufnimmt, da die Weingüter in mehreren Runden erst einmal mit den Reben und Ausbauten bestückt werden müssen und die wertvollen Weine natürlich ihre Zeit brauchen. Das bildet sicherlich auch ein wenig die realen Bedingungen des Weinanbaus ab, doch kann es vor allem für Spielertypen, die es kurz und knackig mögen, recht zäh und trocken wirken. Auch die nüchterne, funktionale Gestaltung des Spielmaterials und die offensichtlich kostengünstige Ausstattung (einseitig bedruckte Geldscheine, labberige Weingut-Tableaus) stoßen auf geteiltes Echo.
"Grand Cru" hat unter sog. Vielspielern in recht kurzer Zeit stark gegensätzliche Reaktionen hervorgerufen. Die aktuelle Schnelllebigkeit des Internets und des Strategiespielsektors begünstigt extreme Tendenzen im Urteil. Das ist schade, denn das Spiel hat einiges zu bieten vor allem für diejenigen, die Wirtschaftsspiele mit klaren Mechanismen und hohen Anforderungen an Beobachtung mögen und dabei genügend Geduld aufbringen. (thb)
Steckbrief Grand Cru |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Ulrich Blum | eggertspiele | 2 - 5 Spieler | ab 12 Jahre | ca. 90 Minuten | Alexander Jung |