Ein Spiel zu rezensieren, fällt mir deutlich schwerer, wenn ich vor der Veröffentlichung bereits als Testspieler das Spiel kennen gelernt habe. Bei diesem Spiel war ich gleich zwei Mal Testspieler, einmal in der Anfangsphase, einmal kurz vor der Veröffentlichung. Nun bei der Rezension muss ich diese Spiele ausblenden und mich auf das Spiel konzentrieren, wie es der Käufer bekommt.
Weil das Spiel komplex und umfangreich ist, gebe ich zunächst einen Überblick, bevor ich dann auf die Details des Spiels eingehe. Auf den Feldern pflanzen wir sechs verschiedene Gemüsesorten an. In jedem der neun Jahre, die wir spielen, ernten wir von diesen Feldern. Das geerntete Gemüse sind jedes Mal unsere Ausgangsnaturalien, aus denen wir möglichst viel Käsch - chinesisches Geld - machen möchten und mit dem wir unsere pflanzliche Zukunft gestalten.
Pro Jahr bekommen wir zwei Unterstützungen in Form von Karten. Sie zeigen Felder, Marktstände, Helfer sowie Stamm- und Laufkunden. Unsere Unterstützung wird einfach in unsere Auslage gelegt und wartet dort, bis wir sie benötigen.
Der Hauptteil des Spiels besteht dann aus unseren Aktionen. Neue Gemüsesorten können wir im Laden erwerben oder an den Marktständen ertauschen. Das geerntete Gemüse verkaufen wir in der Regel an unsere Kunden. Stammkunden kaufen bei uns vier Mal ein, erwarten aber auch eine prompte Lieferung oder verlangen bei Nichtlieferung eine Entschädigung. Laufkunden hingegen kaufen ein einziges Mal. Als Notlösung bleibt der Verkauf in unserem Laden.
Ansonsten können wir noch auf leeren Feldern aussäen, die vielfältigen Möglichkeiten unserer Helfer nutzen und noch einmal Unterstützung in Form zweier Karten erwerben.
Als Abschluss erwerben wir für unsere Käsch Wohlstand, der am Ende des Spiels über den Sieg entscheiden wird.
Schauen wir uns das alles nun ein wenig genauer an. Zu Spielbeginn besitzen wir 10 Käsch und ein Stammfeld. Wir kaufen von unsrem Geld eine der drei preiswerten Gemüsesorten und säen sie aus. Die Aussaat ist dabei denkbar einfach: Ich lege ein Gemüse aus meinem Besitz auf das Feld und schwuppdiwupp füllt sich das Feld mit Gemüse aus dem Vorrat. So kommen neun Früchte für die neun Runden auf mein Stammfeld.
Damit beginnt nun das Spiel, wobei ich zunächst von jedem bepflanzten Feld eine Frucht nehme und auf meinen Karren lege. Danach bekomme ich ein neues Feld. Die Felder sind so angelegt, dass auf großen Feldern nur preiswerte Sorten angepflanzt werden können während kleinere Felder immer wertvollere Sorten erlauben.
Als nächsten bekommen wir unsere Unterstützung. Dazu hat jeder Spieler vier Karten auf die Hand. Die Tischmitte dient als Kartenpool, der zu Beginn noch leer ist. Reihum kann der Spieler nun eine seiner Handkarten in den Pool legen oder aber er entscheidet sich für seine Unterstützung: Dann nimmt er eine Karte aus dem Pool und eine Karte aus seiner Hand, die seine Unterstützung bilden werden. Die restlichen Handkarten kommen in den Pool. Die Unterstützung wird sofort in die eigene Auslage gelegt. Wer am längsten seine Wahl hinauszögert, wird dann Startspieler für die Aktionsphase.
In der Aktionsphase agiert jeder Spieler mit seinem Geld, Gemüse und seiner Unterstützung, wobei er sämtliche Aktionen in beliebiger Reihenfolge ausführen darf.
Möchte der Spieler Gemüse bekommen, das er nicht auf seinem Karren hat, gibt es dazu zwei Möglichkeiten. Er kann es für Käsch im Laden kaufen oder er kann es am Marktstand ertauschen. So ein Tausch geht entweder zum Kurs von 1:1 oder von 2:1, abhängig vom Marktstand und dem Wert des Gemüses.
Ein Grund für neue Gemüsesorte ist der Anbau einer neuen Sorte. Dies geschieht wie zu Spielbeginn, indem ein Gemüse auf ein leeres Feld gelegt wird. Das Feld wird dann gleichfalls mit Gemüse aus dem Vorrat aufgefüllt.
Weiteres Gemüse kann verkauft werden. Im Laden erzielt man nur einen geringen Preis, daher sind Kunden zu bevorzugen. Stammkunden fordern vier Jahre lang zwei bestimmte Gemüse. Einmal lassen sie sich vertrösten, danach bekommen sie zwei Käsch als Entschädigung. Im Laufe der Zeit zahlen sie dabei immer mehr für das Gemüse. Laufkunden hingegen wünschen einmal drei Bestimmte Gemüse. Der Preis, der erzielt wird, richtet sich nicht nur nach dem Gemüse, sondern auch danach, ob man mehr oder weniger Laufkunden als Stammkunden hat, denn wer bei vielen Stammkunden auch noch Laufkundschaft bedient, erhält zwei Käsch extra.
Eine besondere Aktion ist der Doppelpack, den ein Spieler nur einmal pro Jahr kaufen darf. Der Preis wird durch die Anzahl der Marktstände und Helfer bestimmt. Nachdem der Preis entrichtet wurde, bekommt der Spieler zwei Karten. Wie viele er davon behält, ist seine Entscheidung. Eine Karte wird sofort ausgelegt, während zwei Karten übereinander gelegt werden. Die zweite Karte kann somit erst genutzt werden, wenn die erste Karte erledigt ist.
Nun gibt es noch die vielen Helfer. Jeder stellt eine kleine Ausnahme zum Regelwerk dar und verschafft dem Spieler einen individuellen Vorteil. Helfer werden immer dann eingesetzt, wenn sie benötigt werden. Einmal genutzt, begeben sie sich in Richtung Ablagestapel.
Zum Abschluss der Aktionen verwandelt der Spieler Geld in Wohlstand. Die Wohlstandsleiste zeigt Felder, die von 1 bis 20 durchnummeriert sind. In jedem Jahr kostet das erste Feld genau ein Käsch. Jedes weitere Feld kostet soviel Käsch wie die aufgedruckte Zahl.
Nach neun Jahren endet das Spiel. Der Spieler mit dem meisten Wohlstand ist Sieger. Bei Gleichstand entscheidet das Geld.
Das Regelwerk umfasst viele Details, so dass die Beschreibung hier nur einen grundlegenden Einblick geben kann. Aufgrund der Komplexität und den vielen Möglichkeiten dauert eine Partie auch zwischen 2,5 und 3,5 Stunden. Die Spielerdauer hängt dabei auch von der Spielerzahl ab.
Zu viert wird die Aktionsphase parallel in zwei Paaren ausgeführt, um so die Spieldauer in Grenzen zu halten. Leider verpasst man dadurch die Hälfte des Spiels.
Bei drei Spielern wird die Aktionsphase nacheinander ausgeführt. Leider führt dies zu erheblichen Spielpausen, die sich gegen Ende des Spiels immer mehr Strecken.
So wird schnell klar, dass "Loyang" konzeptionell am besten zu zweit zu spielen geht und nach meiner Erfahrung dies die einzige Konstellation ist, ist der das Spiel einen gewissen Unterhaltungsgrad erreicht.
Das Spiel bietet denn auch weniger Unterhaltung als Arbeit. Damit ich als Spieler ein gutes Ergebnis erreiche, muss ich mehrere Runden im Vorhinein planen. Überwiegend heißt dabei das Ziel, ein paar Stammkunden zu besitzen und trotzdem noch Laufkunden zu bedienen. Also kalkuliere ich meine Lieferungen anhand des zu erwartenden Gemüses durch, was intensive Gedächtnisleistung erfordert. Die zwei bis vier neue Unterstützungen, die ich bekomme, erfordern dabei, dass ich meine Optimierung zwei Mal pro Runde erneuere. So ist das Spiel einfach nur anstrengend.
Hinzu kommen viele kleinere Mängel, von denen das fehlende Inlett der offensichtlichste ist; allein schon, weil so beim Öffnen der unbezogene Karton zu sehen ist. Die Aufbewahrung des Materials ist nach Geschmack des Besitzers entweder chaotisch oder in Ziptüten.
Ein weiteres Manko ist die fernöstliche Welt. Erfahrungsgemäß besteht hier wenig Identifikation und bei einem Spiel mit vielen abstrakten Mechanismen ist dies noch schwerer. Dabei bringen die Grafiken sogar das chinesische Flair gut herüber.
Als letztes möchte ich auf die Regel eingehen: Hier muss viel vermittelt werden, den die Details sind viele. Das haben auch Verlag und Autor erkannt und eine Regel in Erzählform herausgebracht, doch wurde sie nicht dem Spiel beigelegt. Das ist auch nicht weiter schade, denn erzählerisch ist diese Regel nicht Weil ich die Erzählregel vor dem ersten Spiel bereits bekommen hatte, habe ich sie zunächst gelesen, bin aber nach einer halben Seite auf die normale Regel umgestiegen. Meiner Meinung nach benötigt ein solches Spiel auch keine Erzählregel, denn wer solch ein Spiel erwirbt, sollte mit komplexen Regeln vertraut sein.
Was bleibt bei mir ist die Erkenntnis, dass meine Hoffnung auf ein gutes Spiel zerstört ist. Ich hatte gehofft, hier ein Spiel wie Agricola zu finden, bei dem die Kartenmenge überschaubar und vor allem ausgeglichen ist. Bezüglich der Karten lag ich auch richtig.
Erhalten habe ich ein funktionierendes Spiel, das bisher niemand meiner Mitspieler ein zweites Mal mit mir gespielt hat. Das Spiel ist zu anstrengend und für die Spielzeit können durchaus zwei andere der vielen guten taktischen und strategischen Spiele gespielt werden - was dann wohl in Zukunft auch passieren wird. (wd)
Steckbrief Vor den Toren von Loyang |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Uwe Rosenberg | H@ll Games | 1 - 4 Spieler | ab 10 Jahre | 60 - 120 Minuten | Klemens Franz |