Mylady und die MusketiereMylady und die Musketiere

Jeder sollte die drei Musketiere kennen, die Helden aus dem gleichnamigen Roman von Alexandre Dumas -wirklich jeder!? Ich denke schon, obwohl ich eingestehen muss, dass ich das Buch nie gelesen, dafür aber umso mehr der zahlreichen Verfilmungen gesehen habe. Es enthält die Helden, von denen man als Kind einer zu sein wünscht und die einen als Erwachsenen für ein paar Stunden in eine Traumwelt voll Anmut und Grazie, des Guten und des Bösen entführt.

Die Museketiere bei den DiamantnadelnNun endlich ist es soweit. Wir übernehmen die Rolle eines Musketiers. Wir werden die Kämpfe führen. Wir werden uns nach England begeben. Und wir werden die Ehre der Königin retten. Und weil wir nicht immer nur Held sein können, sondern auch ein Wolf in uns schläft, dürfen wir manchmal auch das Böse verkörpern und in die Rolle der Lady de Winter schlüpfen.
Hier werden nun im wahrsten Sinn des Wortes die Rollen verteilt. Für jeden der Spieler steht ein Musketier parat und bei Bedarf hilft auch Tréville, der Hauptmann, mit aus. Einer der Spieler kann Lady de Winter spielen, doch das Spiel sieht auch einen Automatismus für sie vor, so dass ihre Rolle auch unbesetzt bleiben darf.

Widersacher fordern DuelleBettler verlangen GeldUnabhängig von der Rollenverteilung spielen die Musketiere wie im Roman gegen die Machenschaften und Intrigen der Lady de Winter. Und genau damit beginnt das Spiel. An drei Orten stiftet Mylady Unfrieden. Da wäre zunächst einmal Paris: Hier wird, ein Waffenhändler begrüßt, Constanze entführt oder sogar erdrosselt - sollten die Musketiere tatenlos zusehen. Und damit diese es nicht zu leicht haben, gibt es in Paris auch Widersacher und so manchen Hinterhalt.
Ähnlich läuft es im Louvre ab, doch richten sich hier die Intrigen gegen die Ehre der Königin. Die Fechtkunst hilft hier nur wenig. Zwar gibt es Widersacher, doch erfordern die Intrigen der Lady de Winter Bildung und Charme, Tapferkeit und Edelmut. Doch auch hier heißt es Vorsicht, denn Mylady kann hier ebenso Hinterhalte legen.
Außerdem gibt es den hart umkämpften Ort La Rochelle. Hier hilft nur Kampfkraft - Degen gegen Degen. Und weil Mylady hier schon einen Vorteil hat, muss sie hier ohne Widersacher und Hinterhalte auskommen.
Die Musketiere hingegen haben vor allem ihr Augenmerk auf die Diamantnadeln. Vier Abenteuern müssen sie bestehen, die Herberge zur Goldenen Lilie, die Überfahrt nach England samt Rückkehr nach Paris sowie die Galerien im Louvre. Wenn das letzte Abenteuer bestanden ist, haben die Musketiere gewonnen. Die Wege zum Sieg sind für Lady de Winter vielseitiger, aber nicht so direkt: Sie kann La Rochelle zu Fall bringen oder die Ehre der Königin. Auch kann sie Constanze ermorden oder aber einfach die Zeit verrinnen lassen.

Charakterbogen d'ArtagnanFür die Umsetzung bekommt jeder Spieler einen Charakterbogen, ähnlich denen, die es in Rollenspielen gibt. Dort sind Werte für vier Charaktereigenschaften vermerkt, eine besondere Fähigkeit sowie ein geheimer Fechtstoß. Letzteres erlaubt es Kämpfe zu gewinnen, ohne selbst Schaden zu nehmen.
Mylady de Winter hingegen hat ihre Widersacher, Hinterhalte und Intrigen auf Karten. Einen Teil bekommt sie von Beginn an als Grundstock. Weitere Gemeinheiten bekommt sie bei Richelieu oder bei sich zu Hause. Neben ihrem intriganten Verhalten hat sie noch eine Waffe - Roquefort, ihr Leibwächter. Er kämpft immer dort, wo Mylady sich aufhält und hindert die Musketiere am handeln.
Die Musketiere agieren in Aktionen, die von planerischen Aktivitäten wie Bewegung oder Ausrüstung kaufen oder tauschen bis zu den entscheidenden Tätigkeiten des Kämpfens und der Annahme einer Herausforderung gehen. Letzteres ist recht einfach gelöst: Die Herausforderung gibt die Art der Charaktereigenschaft an sowie einen Wert. Der Musketier muss diesen Wert erreichen. Zu seinem Grundwert kann er sich einmalig eine Steigrung erkaufen und für den Rest muss er Karten mit der entsprechenden Eigenschaft ausspielen.
Myladys Leibwächter RoquefortDie Kämpfe nehmen viel Raum ein und sind ein wenig komplexer. Grundlage sind Würfel, die bei Mylady je zur Hälfte ein Schild odereinen Degen zeigen. Bei den Musketieren gibt es noch zusätzlich eine Lilie, so dass jedes Symbol zu einem Drittel gewürfelt wird. Wie viele Würfel geworfen werden, hängt bei Mylady vom Widersacher ab. Ein Musketier wirft mindestens drei Würfel und kann dies durch Karten auf bis zu sechs erhöhen. Nach dem Wurf wird auf den geheimen Fechtstoß geprüft. Dieser besteht bei einem Musketier aus zwei Lilien und einem weiteren Symbol und fällt er, gewinnt der Musketier den Kampf sofort. Ansonsten werden Degen der einen mit Schilden der anderen Partei verrechnet. Übriggeblieben Degen verursachen Schaden, der den Kampf sofort beendet. Ein Musketier verkraftet ein paar Hiebe, kann aber bei zu viel Schaden kampfunfähig werden. Ein Widersacher stirbt bei einem Treffer. Dies ist aber nur der wichtigste Teil eines Kampfes, den durch eine Pistole, ein Kürass oder eine Toledoklinge können sich die Musketiere weitere Vorteile verschaffen.

Erhöhung von CharmeDoppelkampfkarteAls ich die Regeln gelesen hatte, erwarte ich ein Spiel wie Der Herr der Ringe - ohne Lady de Winter wie das Basisspiel und mit ihr stellte ich es mir vor wie mit der Sauron-Erweiterung. Von der Grundkonstruktion ist dies auch so, doch nicht vom Spielgefühl.
Mylady und die Musketiere ist ein umfangreiches und komplexes Spiel, dessen Regeln nicht eingängig sind. Dies beginnt beim Aufbau und im ersten Spiel benötigten wir immer wieder die Spielregel. Das hinderte am Spielfluss, jedoch nicht an den Diskussionen der Musketiere. Ich spielte die Mylady und meine Handlungen beschränkten sich auf wenige Aktionen und einem äußerst geringem Zeitanteil im Spiel. Trotz der interessanten Diskussionen der Musketiere war der Spielspaß als Lady de Winter begrenzt. Daran änderte auch der Sieg nichts.
Im nächsten Spiel war ich dann einer der Musketiere. Nun diskutierte ich heiß mit meinen Mitspielern. Das Spiel setzt einen bei einer einigermaßen geschickten Mylady so unter Druck, das jede Aktion gut geplant sein will. So wurde es wieder ein langes und vor allem sehr anstrengendes Spiel. Mein Eindruck wurde von den Mitspielern bestätigt und ebenso mein Eindruck von der Rolle der Mylady, die der diesmalige Spieler ebenfalls als zu wenig beschäftigend empfand.
SpielplanWenn also die Rolle der Mylady nicht so aufregend ist, ist es vielleicht besser, sie außen vor zu lassen. Schließlich gibt es ja ein automatisiertes Vorgehen. Das Spielgefühl für die Musketiere änderte sich nicht. Es bleibt anstrengend und für mich und viele meiner Mitspieler ist das Spiel so anstrengend, dass es den Spielspaß überschattet.
Weil dem so ist, wird es bei nur drei Spielen bleiben. Es ist selten, dass ich damit eine Rezension schreibe, weil ich so nicht die Tiefe des Spiels erfahren habe. Für verschiedene Fragen werde ich keine Antworten bekommen: Ist das Spiel ausgewogen? Wie läuft das Spiel, wenn alle Spieler es bereits kennen? Wird es eingefahrene Taktiken geben? Sind die Musketiere gleich stark? Hier klingt auch ein bisschen Wehmut mit, weil meine Neugierde nicht befriedigt werden wird.
Wie man daran sieht, ist mir das Spiel nicht gleichgültig. Es ist einer der seltenen Fälle, wo äußerlich alles, wirklich alles stimmt: Geschichte und Flair, Aufmachung, die Zeichnungen, der Ablauf und sogar die Diskussionen über die Handlungen waren so, wie ich sie mir ursprünglich vorgestellt habe. Es ist das seltene Ereignis, das alles für mich stimmt, ich es immer wieder durchdenke und dann nur der Spielspaß nicht stimmt. Zuletzt hatte ich so etwas bei Indus.

Es ließ mir keine Ruhe. Ich redete mit den Mitspielern, fragte nach ihrem Befinden und dann diskutierte ich das Spiel ausführlich mit meiner Frau. Ich wollte dem Phänomen ein wenig auf die Schliche kommen. Aus unserer Sicht sind verschiedene Gründe dafür verantwortlich:

  • Constanze in ParisErstens hat das Spiel sehr viele Regeln. Jeder Schritt, jede Karte, jeder Hinterhalt muss genauestens betrachten werden. Das kostet Kraft, die später fehlt, und Aufmerksamkeit, die vom Spiel abgezogen wird.
  • Zweitens ist vieles hier sehr abstrakt. Die Eigenschaften heißen Edelmut und Tapferkeit, doch sie bleiben abstrakt, werden auf Nummern und Werte reduziert. Genauso sind Widersacher Zahlen und wären nicht die Würfel im Kampf, das Ganze wäre sehr steril.
  • Drittens sind sich die Musketiere ähnlich, trotz eines persönlichen Vorteils. Da fehlt dann die genaue Identifikation, was in Spiel zu zweit noch gesteigert wird, weil dann jeder mehr als einen Musketier spielt.
  • Und viertens und zuletzt gibt es noch etwas Persönliches. Trotz aller Vorkenntnisse fehlen mir die Details. Das gilt nicht nur für die Musketiere, sondern auch für die weiteren Figuren und Ereignisse im Spiel. Dies ist die Basis, damit die obigen Gründe stark wirken können und so bei mir das Aufkommen von genügend Spielspaß verhindern.

Hart umkämpft: La RochelleDamit stellt sich für mich die Frage, für wen das Spiel ist und darauf gibt es zwei Antworten: Zum einen sind das die Kenner der Musketiere, die in deren Welt so leben wie ich es in der Welt von Tolkien tue. Sie können vermutlich die Details mehr genießen und empfinden das Spiel deutlich stärker als Rollenspiel. Zum anderen sind es Spieler, die ein komplexes, überwiegend kooperatives Spiel suchen. Sie würden die Musketiere nur als Hintergrund verstehen um den Spaß am Diskutieren zu haben, weil sie das Optimum mit jeder Aktion erreichen möchten.
Vielleicht gibt es eine dritte Gruppe, bei der ich es nicht beurteilen kann: Franzosen. Denn es ist das Spiel eines französischen Verlags zu einer französischen Literaturvorlage. Und trotz Globalisierung unterscheiden sich die Kulturkreise in Europa weiterhin. (wd)

Steckbrief
Mylady und die Musketiere
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Francois Combe, Gilles Lehmann Ystari 1 - 5 Spieler ab 12 Jahre 60 - 90 Minuten Frédéric Cérani, Arnaud Demaegd