Es ist über ein Jahrzehnt her, seit sich Forscher nach Tikal begeben haben. Nun machen sie sich erneut auf, denn in der Region wurde ein Tempel entdeckt.
Unsere Forscher machen sich auf in das Gebiet rund um den Tempel. Da jeder Forscher seine eigenen Interessen vertritt, richtet sich zunächst jeder ein Camp ein. Hier werden später die Schätze und die Informationen aufbewahrt. Für den Aufenthalt im Tempel wird nun der Rucksack gepackt, dessen Inhalt zunächst aus zwei Schlüsseln besteht.
Die Erforschung des Gebiets und des Tempels wird auf zwei Arten vorangetrieben: Als erstes fahren die Forscher mit einem Einbaum um den Tempel herum. Dabei entdecken sie viele nützliche Dinge wie Geheimgänge, Schätze, weitere Schlüssel, aber auch Pläne für die weiteren Räume in der Tempelanlage. Unterwegs treffen sie dabei an zwei Stellen auf das Wasserflugzeug, welches die Schätze abtransportiert. Um den Tempel zu umrunden, muss leider ein Waldstück durchquert werden; ein unangenehmes Unterfangen, weil hierbei oft ein Schlüssel verloren geht.
Nachdem der Einbaum gefahren ist, bewegt sich der Forscher im und an der Tempelanlage. Um durch die Räume zu gelangen, benötigt er die Schlüssel für die Türen, oder er benutzt einen der seltenen Geheimgänge. Am Zielort angekommen, beginnt er mit der Forschung, was in den meisten Fällen mit Prestige belohnt wird. In den Altarräumen lassen sich zudem noch Informationen und Schätze finden. Besonders viel Prestige erlangt man in den Geheimräumen außerhalb des Tempels und in der einmaligen Geheimkammer im Tempel.
Das simple Grundprinzip "Mit dem Einbaum fahren und dabei etwas entdecken, anschließend den Forscher bewegen und Prestige bekommen" ergibt ein tiefgehendes Strategiespiel. Um dies zu verstehen, schauen wir uns die Bestandteile ein wenig genauer an.
Für die Fahrt mit dem Einbaum liegen Plättchen am Fluss. Sechs Stationen dienen als Anlaufstellen. Die Reichweite meines Einbaums erlaubt mir, ein beliebiges Plättchen zu erreichen. Leider beginnt damit auch das Dilemma, denn lange Strecken führen mich oft durch den Wald, und das führt zum Verlust eines Schlüssels, die in diesem Spiel buchstäblich eine Schlüsselrolle spielen. Dazu kommt die Entscheidung, was ich genau machen will. Besorge ich mir Geheimgänge, kann ich damit später viele Punkte machen. Lege ich Teile des Tempels aus, bestimme ich dessen Topographie. Dies führt zu besseren Bewegungsmöglichkeiten und dies indirekt zu mehr Prestige. Schätze sind ein weiteres Gut und bringen Prestige, doch benötige ich dazu eines der Wasserflugzeuge. Außerdem schwankt die Menge Prestige, die ich dafür bekomme. Durch Karten mit Besonderheiten erhalte ich Handlungsmöglichkeiten außerhalb der allgemeinen Regeln. Zuletzt gibt es die Schlüssel, die ich einerseits benutzen kann oder aber auch als Funde im Camp aufbewahren kann, was mir Prestige bringt. Die Einbaumfahrt bestimmt die strategische Ausrichtung, ist aber zeitweise auch von taktischen Zwängen geprägt.
Die Bewegung des Forschers dient nun dazu, mit der eigenen Strategie Prestige zu gewinnen. Für die Bewegungsfreiheit werden Schlüssel benötigt, die dazu im Rucksack sein müssen. Das bringt, im Gegensatz zu Schlüsseln im Camp, kein Prestige. Oft rennt der Forscher zwischen den farbigen Räumen hin und her. Die Forschung wird danach bemessen, ob er als erster den Raum erforscht und wie viele gleichfarbige Räume er bereits erforscht hat. In den Altarräumen hat der Forscher dann eine Auswahl zwischen Prestige, Schätzen und Karten. Zuletzt gibt es noch die Geheimräume außerhalb des Tempels. Sie sind nur mit einem Geheimgang zu betreten und bringen viel Prestige oder bei weniger Prestige zusätzlich eine Karte. Wenn alle Räume ausgelegt sind, steht auch der Ort der Geheimkammer fest. Dort gibt es dann besonders viele Prestigepunkte. Auch hier gilt: Je früher ein Forscher den Raum erforscht, desto mehr Punkte gibt es. Die Erforschung dient überwiegend der Prestigegewinnung. Damit ist dies der Teil, mit dem die Strategie zum Erfolg - oder auch zum Misserfolg - geführt wird.
Damit es aber nicht einseitig wird, gibt es eine Zwischen- und eine Schlusswertung. Bei beiden bringen die Schlüssel im Camp Prestige. Außerdem gibt es Prestige für die Altarräume, wenn man sie erforscht hat. Da hier bei Gleichstand die Schlüssel im Camp entscheiden, bekommen sie für die Wertungen eine doppelte Bedeutung. Bei der Schlusswertung gibt es dann zusätzlich noch Punkte für Schätze, die nicht mit dem Wasserflugzeug abtransportiert wurden und für einige Karten.
Tikal II wartet neben den Autoren vor allem bei der Auslage des Tempels mit Gemeinsamkeiten zu Tikal auf. Waren es damals Treppen, die Aktionspunkte kosteten, sind es nun Türen, die Schlüssel erfordern. Natürlich ist auch die Hintergrundgeschichte für beide Spiele ähnlich, und beides sind Strategiespiele.
Der wesentliche Unterschied liegt für mich im Spielgefühl bedingt durch den Ablauf. Bei Tikal hatte ich Aktionspunkte, was zu langen Überlegungen führte, um das Optimum aus meinem Spielzug herauszuholen. Hier nun ist der Ablauf strikt, was zu einem wesentlich schnelleren Ablauf führt und sich bei aller Strategie auch ein Stück weit "aus dem Bauch heraus" spielen lässt. Unterstützt wird der zügige Spielfluss durch die Möglichkeit, seinen eigenen Spielzug schon überwiegend während der Spielzüge der anderen Spieler planen zu können: Für die Einbaumfahrt selektiere ich die für mich interessanten Plättchen heraus und im Tempel kann ich schon planen, wie ich in meinem nächsten Zug Prestige gewinnen will.
Was die Strategien angeht, so möchte ich hier nicht viel verraten, denn es ist ein Teil des Spielspaßes, die diversen Möglichkeiten zu erkunden, zu vermischen und den Erfolg davon zu sehen. In meinen Spielen war schon jede der Strategien erfolgreich: Viele Schätze sammeln, Geheimgänge nutzen, Schlüssel im Camp lagern und Altarräume aufsuchen sowie Prestige aus den farbigen Räumen gewinnen. Es genügt dabei nicht, eine Strategie stur durchzuspielen, sondern man muss sie geschickt kombinieren. Nur eines haben sie alle gemeinsam: Die Kunst mit wenig Schlüsseln im Rucksack auszukommen, denn jeder überflüssige Schlüssel im Rucksack kostet wertvolles Prestige.
Ein Spieler mag eine Strategie bevorzugen, aber er muss dennoch flexibel sein. Das liegt am vorhandenen, wenngleich geringen Zufallsfaktor. Bei farbigen Räumen, Schätzen und Karten wählt der Spieler eines aus drei Teilen aus. Das ist in der Regel ausreichend, um etwas Passendendes zu finden. Und weil die beiden anderen Dinge wieder oben auf den Stapel zurückgelegt werden, erwirbt er zusätzliches Wissen, das er später nutzen kann.
Mit Tikal II liegt ein Spiel vor, das sich aus der Menge der vielen Strategiespiele wohltuend hervorhebt. Jenseits von Roh- und Baustoffen und der fast zwangsläufig folgenden Errichtung von Gebäuden bringt uns das Spiel in eine Forscherwelt und bietet uns damit ein ganz anderes Szenario. Diese Andersartigkeit wird auch im Äußeren hervorgehoben. Das geht vom Cover über das Schachtelformat bis hin zum perfekten Innenteil. Vervollständigt wird der sehr gute Eindruck durch die Konstruktivität: Was ein Spieler einmal erreicht hat, bleibt ihm erhalten. So gibt es nur Fortschritt, was zu einem positiven Spielgefühl beiträgt. Konkurrenz entsteht durch die Plättchen, durch die Altäre und durch das zusätzliche Prestige, wenn man einen Raum als erster erforscht, jedoch gibt es keine Interaktion, die auf Zerstörung hinausläuft.
Es gibt inzwischen sehr viele gute Strategiespiele pro Jahrgang. Das gilt insbesondere in diesem Jahr. Tikal II ist bei mir das derzeit am häufigsten gespielte Strategiespiel und ob seiner Qualitäten wird das auch so bleiben. (wd)
Steckbrief Tikal II |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Wolfgang Kramer, Michael Kiesling | GameWorks | 2 - 4 Spieler | ab 13 Jahre | 60 - 120 Minuten | Vincent Dutrait |