Mittwochs ist für mich einer der wichtigsten Tage auf der Spiel in Essen. Abseits vom großen Gedränge kann man in der Neuheitenschau Spiele in Ruhe betrachten und ausgiebige Erklärungen erhalten. So ist mir im letzten Jahr 'Die Werft' der Czech Games Edition bei Heidelberger äußerst positiv aufgefallen, mit dem Wunsch mir das Spiel näher anzuschauen. Dass die Rezension erst jetzt erscheint und damit den Essen Jahrgang abschließt, ist persönlichen Gründen geschuldet. Ich kann mich nur entschuldigen, Euch dieses wunderbare Spiel so lange vorenthalten zu haben.
Wie der Name des Spiels schon vermuten lässt, sind die Spieler Besitzer einer Werft. Nicht einer, die moderne Kreuzfahrtschiffe auf Kiel legt, oder gewaltige Containerschiffe baut, sondern im 19. Jahrhundert noch Segelschiffe, vielleicht schon Dampfschiffe für die Kunden herstellt. Versehen mit den verschiedensten Ausrüstungsgegenständen und unterschiedlichen Crewmitgliedern gehen die fertig gestellten Schiffe dann irgendwann auf Jungfernfahrt, wobei sie durch Inspektoren auf ihre Verwendbarkeit geprüft und bewertet werden. Müßig zu erwähnen, dass der Besitzer mit den meisten Siegpunkten gewinnt.
Bevor es losgehen kann, ist eine Menge Aufbauarbeit auf zwei Spielplänen zu leisten. Ich zähle die einzelnen Punkte hier auf, auch um damit zu zeigen, wie vielfältig das Spiel ist. Der Güterzugstapel, der Schiffsbug-, -mittelteil- und -heckstapel, der Kanalstapel sind bereitzustellen, die acht Aktionsplättchen zu platzieren, der Ausrüstungsring, der Crewkreis, das Handelssechseck vorzubereiten, die Arbeitskraft-, Ausrüstungs- und Crewplättchen zu sortieren und schließlich jedem Werftbesitzer je drei grüne bzw. blaue Regierungsaufträge und 6 Geld zu verteilen. Puh. Dazu kommt dann noch das individuelle Hafentableau mit den Werftplätzen, reichlich Ablageplatz und Wertungsinformationen.
Die Regierungsaufträge sind nicht unwichtig für den weiteren Spielverlauf. Wenn man auch nur je einen in die Wertung bringt, so bestimmen sie doch im gewissen maße die Aktivitäten. Bei einem Auftrag mit 1-8-15-22 Punkten für die entsprechende Anzahl der Schiffe aus fünf Teilen wird man wohl keine kleinen Segelyachten bauen. Zwei Punkte für jeden Soldaten in der eigenen Flotte lässt einen Handelsschiffe mit Kaufleuten eher links liegen. Mit dem Wissen um die geheimen Regierungsaufträge geht es dann frisch ans Werk.
Wer an der Reihe ist, wählt zunächst eins der Aktionsplättchen und legt das zuletzt gewählte nach vorne. Damit ist gleichzeitig auch ein Zeitfaktor ins Spiel eingebaut, denn erreicht wieder ein Plättchen das markierte Startfeld ist eine Zeiteinheit abgelaufen. Ich versuche durch Erklären der einzelnen Aktionsplättchen die wunderbar ineinander greifenden Spielmechanismen darzustellen. Hoffentlich gelingt es.
Eine hinten liegende Aktion bedeutet, dass sie länger nicht gewählt wurde. Eine solche zu nehmen wird dadurch attraktiv, dass es noch zusätzlich einen Gulden für jeden weiter vorn platzierten Konkurrenten gibt. Geld, das man vielleicht brachen kann, um einen zusätzliche, beliebige Aktion für sechs Gulden zu kaufen.
Ist ein Schiff schließlich fertig gestellt, wird es bewertet. Zunächst wird seine Geschwindig-keit festgestellt. Ein Dampfschiff mit optimierter Schraube ist natürlich schneller als eine kleine Segelyacht, weitere Segel und/oder Schornsteine erhöhen die Geschwindigkeit und damit die Punkte. Aber die hohe Geschwindigkeit nützt nichts, wenn kein entsprechendes Kanalnetz vorhanden ist. Weitere Punkte gibt es für Crew und Ausrüstung. Schließlich noch solche, wie oben beschrieben, für Inspektoren. Da können durchaus bei einem größeren Pott mal an die 25 oder mehr Punkte zusammen kommen. Bei kleinen Segelyachten muss es dann die Masse machen und der entsprechende Regierungsauftrag.
Ich hoffe, ich konnte vermitteln, dass man bei Die Werft auf eine ganze Menge achten muss, aber auch reichlich Entscheidungsspielraum hat. Daher wird es über die Spieldauer (Daumenwert sind 35-40 Min./Mitspieler) auch nie langweilig. Ständig müssen Spielsituationen im Auge behalten und Entscheidungen getroffen werden. Damit sollte auch klar sein, dass die ersten Partien mehr zum Lernen denn zum Spielen dienen. Dies schreckt, aber keineswegs ab, will man doch gerne noch eine weitere Partie anhängen. Dann hat sich einem auch die Spielregel geöffnet, die beim ersten Lesen doch eher holprig daherkommt.
Die Werft ist einkomplexes, dennoch eingängiges, wunderbar funktionierendes Strategiespiel, das ganz ohne Würfel oder Ereigniskarten auskommt. Es ist damit eher für den Vielspieler ausgelegt, der schon einmal das eine oder andere Optimierungsspiel hinter sich gebracht hat. Die Einflussmöglichkeiten dazu sind zahlreich, wenn auch die Regierungsaufträge die grobe Richtung vorgeben. Mein erster Eindruck in Essen hat sich voll und ganz bestätigt. Die Werft kann ich nur empfehlen, wenn auch das Thema vielleicht nicht so ansprechend ist wie bei Agricola. Aber dafür ist es mal was anderes. (mw)
Steckbrief Die Werft |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Vladimir Suchy | Czech Games Edition | 2 - 4 Spieler | ab 11 Jahre | ca. 120 Minuten | Filip Murmak |