Village heißt zu Deutsch Dorf. Inka und Markus Brand entführen uns in ein solches und lassen vormoderne Zeiten wiederaufleben, in denen man bereits zur Berühmtheit wurde, wenn man den Dunstkreis seines Heimatdorfes um fünf Kilometer hinter sich gelassen hatte. Wer wie die meisten lieber daheim bleiben wollte, musste sich vor Ort in Handwerk, Religion oder Politik einen Namen machen. Wie das Leben so spielt (Untertitel) - das klingt nach einem Rezept für ein gelungenes Strategiespiel. Wird diese Erwartung erfüllt?
In Village begleiten die Spieler Ihre Familie im Lauf ihres Dorflebens in einem Zeitraum von bis zu vier Generationen. Sie beginnen mit vier Personen der ersten Generation, die sie vornehmlich im Dorf aktiv werden lassen.
Zu Beginn jeder Runde werden die Bereiche des Dorfs mit Einflusssteinen (im Folgenden auch Ressourcen genannt) in zufälliger Farbe, aber vorgebener Anzahl bestückt. Sie stehen für Können, Überzeugungskraft, Glaube und Wissen und werden bei weiteren Aktionen als eine von vier Währungen des Spiels (neben Zeit, Geld und Getreidesäcken) benötigt. Will man nun die mit einem Bereich verknüpfte Aktion ausführen, nimmt man sich eine der verfügbaren Ressourcen und legt sie auf seine Hoftafel, auf die auch Getreide und einsatzbereite Figuren gestellt werden.
Solange auf dem Brett noch Einflusssteine vorhanden sind, nimmt der Spiele eine Ressource und kann je nach Wahl Getreide produzieren, für Familienzuwachs sorgen, ein Familienmitglied im Handwerk ausbilden lassen, einen Verwandten für die geistliche Karriere vorsehen, jemanden ins Rathaus oder in die große weite Welt schicken. Für die einzelnen Aktionen verbrauchen die Spieler häufig auch Lebenszeit, die sie auf der Lebenszeitleiste ihres Hoftableaus abtragen. Wandert der Marker nach einer Umdrehung über die Brücke, stirbt ein altes Familienmitglied am Ende des Zuges (eine Figur mit der niedrigsten Nummer auf dem Spielplan). Je nach dem, wo die Figur zum Zeitpunkt ihres Todes gearbeitet hat, entscheidet sich, ob sie sich auf eine der begehrten Seiten der Dorfchronik einschreiben kann. In diesem Buch gibt es nämlich für jeden Bereich einen unterschiedlich großen Abschnitt. Am Ende des Spiels können die Spieler bis zu zwölf Siegespunkte für ihre Familienmitglieder in dieser Dorfhalle des Ruhms erhalten.
Werden und Vergehen - das ist der Rahmen, in denen die Aktionsmöglichkeiten von Village eingebettet sind. Da das Sterben zum natürlichen Ablauf gehört, müssen die Spieler regelmäßig für Nachwuchs sorgen, auch deshalb, um bis zum Spielende an Orten vertreten zu sein, die Siegpunkte bringen. Mit dem bei der Ernte erworbenen Getreide können sie Geld machen, die Kirchenkarriere ihrer Sprösslinge fördern oder beim Markttag lukrativen Handel treiben. In der Ratsstube winken Privilegien wie das Startspielrecht, Güter oder zwei Ressourcen der eigenen Wahl. Figuren, die hier bei Spielende aufgerückt sind und dann noch leben, bringen ihrem Spieler bis zu sechs Siegpunkte.
Ähnlich ist es in der Kirche: Wer einen Verwandten zum Theologiestudium schickt, wirft ihn zunächst in ein schwarzes Säckchen... Am Ende einer Spielrunde wird dann die Messe gelesen. Reihum können sich die Spieler entscheiden, gegen Zahlung von Geld gezielt ihre(n) Kandidaten bzw. blind Theologen zu fischen, bis insgesamt vier Figuren gezogen wurden. Vier schwarze Pöppel im Beutel dienen mögliche als Nieten. Mithilfe von Getreidelieferungen können die Familien nun ihre Leute in der Hierarchie aufsteigen lassen, um im Überlebensfall am Ende bis zu sechs Siegpunkte pro Kleriker einstreichen zu können. Am Schluss jeder Messe wird der Spieler mit den meisten Geistlichen in der Kirche außerdem sofort mit zwei Siegpunkten belohnt.
Handwerk hat goldenen Boden. Das gilt auch in Village. In den Handwerksgebäuden können gegen Abgabe von Einflussteinen in bestimmten Farbkombinationen oder auch von Getreidesäcken Güter (Schriftrollen, Pferd, Ochse, Planwagen, Pflug) erworben werden. In der Mühle wird darüber hinaus Getreide gemahlen, für das man Geld erhält. Ebenso gut ist es möglich, ein Familienmitglied zur Ausbildung in einen Betrieb zu schicken und das benötigte Gut produzieren zu lassen. Das kostet wie im richtigen Leben Zeit, hat aber den Vorteil, dass ein bereits ausgebildeter Verwandter in späteren Runden in kürzerer Zeit mehrmals liefern kann. Anstatt im Rathaus, auf Reisen oder bei der Getreideernte Vorteile zu bringen, können die Güter und Getreidesäcke auch während des Markttags an Kunden verkauft werden. Zu Beginn einer jeden Runde zeigen potentielle Kunden bereits die Waren an, die sie gerne hätten. Wenn nun ein Spieler den Einflussstein vom Marktbereich nimmt, läutet er den Markttag ein und kann als erster einen Kunden beliefern. Dafür erhält er ein Marktplättchen im Wert von 3-6 Siegpunkten, die am Spielende verrechnet werden. Nach Zahlung von einer Zeiteinheit und einem grünen Einflussstein (Überzeugungskraft) können alle Spieler reihum ebenfalls verkaufen, bis alle gepasst haben oder keine aktuellen Kunden mehr vorhanden sind.
Das Spiel endet, sobald entweder in der Dorfchronik oder auf dem anonymen Gräberfeld der letzte Platz besetzt wurde. Nun sind alle übrigen Spieler noch einmal an der Reihe und eine letzte Messe wird gelesen. Im Anschluss daran kommt es zur Schlusswertung, in der die bereisten Orte, die Figuren in Ratsstube und Kirche sowie Dorfchronik Ruhmespunkte bringen, zu denen die Siegpunkte durch Marktplättchen hinzuaddiert werden. Die ruhmreichste Familie ist Sieger.
Village ist ein originelles Strategiespiel, das von dem Dilemma lebt, seine Figuren zur rechten Zeit am rechten Ort zu haben und gleichzeitig auf mehreren Ebenen für größtmöglichen Ruhm zu sorgen. Die erste Familiengeneration kann sofort ab der ersten Runde eingesetzt werden, befindet sich aber naturgemäß am Schluss bereits im Jenseits. Deshalb lohnt es sich, frühzeitig für Nachwuchs zu sorgen, den man dann geschickt an die punkteträchtigen Positionen in Rat und Kirche zu hieven versucht. Hier müssen sie dann noch unter den Lebenden sein, wenn sie der Familienehre dienen wollen. Das Management von Ressourcen, Zeit und Getreide will mit Blick auf die filigran verzahnten Möglichkeiten gut geplant werden. Zwar möchte man mit seinen Figuren die zur Verfügung stehende Zeit optimal nutzen, allerdings lohnt sich häufig die gezielte Zeitverschwendung oder die Mitnahme eines ansonsten wertlosen Peststeins (Verlust von zwei Zeitpunkten), um seine Leute zur rechten Zeit versterben zu lassen, um den vielleicht noch letzten freien Platz in der Dorfchronik besetzen zu können.
Diese komplexen Zusammenhänge erschließen sich sicherlich noch nicht im ersten Spiel. Hier herrscht angesichts der vielfältigen Möglichkeiten häufig noch Stirnrunzeln. Doch bereits bei der zweiten oder dritten Partie wird man findiger und lernt, die reizvollen Wechselwirkungen zwischen den Aktionen zu durchschauen. Sicherlich ist die Marktaktion bei entsprechender Güterausrüstung stark, doch bedarf es weiterer Stärken in anderen Feldern (z. B. Reise, Kirche, Chronik oder Rathaus), um am Ende siegreich zu sein. Das gezielte Nehmen der Einflusssteine mit anschließendem Auslösen der Aktionen begünstigt das strategische Planen und gibt dem Spiel interaktiven Pfeffer, wenn man z. B. dem Gegner die dringend benötigten Steine wegschnappt oder den Markttag zu einem für die anderen ungünstigen Zeitpunkt ausruft.
Village funktioniert in jeder Besetzung. Zu zweit kann man eine Partie in nur 45 min absolvieren, zu viert sind auch schon einmal zwei Stunden drin. Allein der Verwaltungsaufwand im Zweierspiel (schnelle Runden mit jeweils neuem Auslegen von Einflusssteinen) gefiel nicht jedem Testspieler. Gleichbleibend ist in jeder Besetzung die fieberhafte Spannung, ob man seine Ziele erreichen kann oder doch das Nachsehen hat. Zum positiven Spielgefühl tragen die stimmige thematische Einbettung und die gelungene Ausstattung bei: Hier haben wir endlich ein Spiel des Lebens, das seinen Namen verdient, weil es auch Alter und Tod gebührend berücksichtigt. Aber keine Angst: das Spielkonzept bietet dabei famose Unterhaltung.
Für mich ist Village wegen seiner reichhaltigen Möglichkeiten, des lang anhaltenden Spielspaßes und des ansprechend umgesetzten Themas eines der besten Strategiespiele dieses Frühjahrs. Dass es auch den schwarzen Humor provoziert, versteht sich von selbst. In der richtigen Runde haben die Sprücheklopfer leichtes Spiel: Wer nicht stirbt zur rechten Zeit, muss sehen, welches Grabfeld übrig bleibt. Auch das macht Village aus! (thb)
Steckbrief Village |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Inka Brand, Markus Brand | eggertspiele | 2 - 4 Spieler | ab 12 Jahre | 60 - 90 Minuten | Dennis Lohausen |