Orléans ist ein gutes Spiel, keine Frage! Deshalb kann eine Rezension ungewollt einen falschen Eindruck vermitteln, wenn eine Vielzahl kleinerer Mängel ausführlich beschrieben wird. Für den Interessierten sind sie deshalb an dieser Stelle separat nachzulesen. Vorauszuschicken ist, dass es sich bei einzelnen Punkten auch um eine Frage des Geschmacks handeln kann, wiederum andere Aspekte sind offensichtlich verbesserungswürdig. Zudem wird bei dem folgenden Überblick keine Vollständigkeit angestrebt.
Fangen wir an mit den Ortskarten, die insgesamt von überraschend unterschiedlicher Qualität sind. Da gibt es unbestritten starke wie das Badehaus, das Laboratorium oder den Pferdewagen. Zugleich finden sich aber einige Karten, die so unattraktiv sind, dass sie in fast allen Testpartien keines Blickes gewürdigt wurden: Es fehlen z. B. weitere Ortskarten, die eine Reihe von eher schwachen Produktionsgebäuden aufwerten. Generell ist eine stärkere, mehrdimensionale Verzahnung der unterschiedlichen Elemente wünschenswert, um z. B. dem Warensammeln durch zusätzliche Ortskarten eine bestimmte Richtung zu geben oder das Geld zu einem wirklichen Zahlungsmittel etwa für Gebäude zu machen.
Die jeweils dreimal vorhandenen Ereignisse stellen kaum eine größere strategische Herausforderung dar, auch die Pest, die zum Verlust eines Personenplättchens führen kann, schreckt nur den Unvorbereiteten. Nicht alle Elemente sind zu Ende gedacht: So ist zu Beginn des Spiels die Stundenglaskarte Wallfahrt als obligatorisch vorgeschrieben. Diese verbietet den Spielern, die als Joker fungierenden Mönche seinen Gefolgsleuten hinzuzufügen, doch können die Spieler in der ersten Runde wegen fehlender Personen ohnehin nicht die Aktion Kloster nutzen.
Die Beobachtungen lassen sich fortsetzen: Die bei einer Pleite angedrohte und in der Regel ausführlich beschriebene Folter durch Strafabgabe von Kontoren, Gefolgsleuten etc. spielt für erfahrene Spieler so gut wie nie eine Rolle. Sie bewusst in Kauf zu nehmen, ist in den Testpartien fast nie ernsthaft in Betracht gezogen worden, weil man Abgaben in der Regel früh auf sich zukommen sieht und das Spiel genügend Gelegenheit bietet, kurzfristig an Geld und/oder Waren zu kommen.
Vor allem die Fülle der Ortskarten und die umfangreichen Regelungen zur Folter versprechen Vielschichtigkeit und Möglichkeiten, in der Spielpraxis werden diese Versprechungen aber nur zum Teil eingelöst. Hier hätte eine zeitintensivere Redaktion des Endprodukts zu eleganteren und spielerisch überzeugenderen Lösungen führen können. (thb)
Zurück zur Rezension.
Steckbrief Orléans |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Reiner Stockhausen | dlp games | 2 - 4 Spieler | ab 12 Jahre | ca. 90 Minuten | Klemens Franz |