Ich darf mich und meine Zeit kurz vorstellen. Wir sind in Paris im Jahre 1779. Mein Name ist Monsieur Dupont. Heute feiere ich meine goldene Hochzeit und blicke zurück auf mein Leben. Vor 50 Jahren erkannte ich die Veränderungen, die die damalige Zeit mit sich brachte. Ich wollte ein Imperium aufbauen und eine Familie - damals war ich noch unverheiratet - mit viel Reputation haben.
Es begann alles anders. Ich heiratete Arianne, ein Kurtisane: Blond, gute Mitgift, gutes Aussehen, wenig Ansehen. Schon bald nach der Hochzeit gebar sie mir eine Tochter. Ich gründete derweil mein erstes Unternehmen. Es florierte und trug so zu unserem Wohlstand bei. Mit dem ersten Erfolg lernte ich andere erfolgreiche Menschen kennen. Einer von ihnen war Eustachy, ein polnischer Diplomat. Er war gesund und hatte ein gutes Einkommen, oder anders ausgedrückt, er war eine gute Partie. Das gleicht seine eigenwillige Frisur und die große Nase aus. Auch wenn es noch ein wenig dauern würde, arrangierte ich schon einmal die Ehe mit meiner Tochter. Derweil wollte ich mehr Kinder. Wir gingen zu einem Arzt und hofften, nicht auf einen dieser Kurpfuscher zu treffen. Wir hatten Glück und bekamen Zwillinge, ein Pärchen. Dies war der Anfang des Aufstiegs unserer Familie …
… schauen wir zurück in die Zeit meiner Silberhochzeit. Die Ehe mit Eustachy ist vollzogen, und ich habe den ersten Enkel. Inzwischen wohnen sie in einem stattlichen Herrenhaus. Hingegen trifft ein schwerer Schicksalsschlag meinen Sohn. Seine Frau Fehmi, eine türkische Tulpenhändlerin, stirbt im Wochenbett. Die Tochter überlebt. Später wird sie die Geschichte ihrer Mutter erfahren und beschließen, unverheiratet zu bleiben. Mein Sohn hat später wiedergeheiratet. Mit Sonja hat er eine Frau mit der richtigen Einstellung. Sie meint, aus Geld resultiert Reputation. Recht hat sie. Inzwischen ist auch meine zweite Tochter verheiratet, doch ich will Sie nicht weiter mit Details aus meiner Familie langweilen …
… kommen wir zurück zum heutigen Tag. Meine Enkel sind erwachsen. Viele sind verheiratet und haben selbst Kinder und ich somit Urenkel. Zwei große Tage im meinem Leben verdanke ich Thomas und seiner Frau, meiner Enkelin. Zuerst wurde er zum Herzog ernannt, später weihte meine Enkelin einen großen öffentlichen Park ein. Um Reputation zu erlangen, sind solche Spenden für das Gemeinwohl unerlässlich. Sie sind aufwendig, bringen dafür aber unsere Familie in den Mittelpunkt des Geschehens. Ich hätte auch zusätzliche Aufgaben annehmen können, um weitere Reputation zu erlangen. Ich bevorzuge es jedoch, meine eigenen Pläne zu verfolgen und habe deshalb darauf verzichtet …
… ich gebe gern noch einen kleinen Ausblick auf die Zukunft, sozusagen mein Epilog. Inzwischen habe ich viele Urenkel und Urenkelinnen und so manche Ehe, vorrangig mit Adligen, ist arrangiert. Ich werde die Hochzeiten nicht mehr erleben. Was ich aber weiß, das meiste in meinem Leben ist so verlaufen, dass es meinen Zielen diente.
In jedem Spiel "das Vermächtnis" erleben wir eine solche persönliche Geschichte. Abgewickelt wird sie als Worker-Placement-Spiel. Es gibt dort private Aktionen wie heiraten oder Kinder bekommen, die jedem Spieler zur Verfügung stehen und öffentliche Aktionen wie Titel erwerben oder Unternehmen gründen, um den die die Spieler konkurrieren.
Über drei Generationen, bei der jede folgende über mehr Aktionen verfügt, entsteht so auf den Spieltisch bei jedem Spieler sein individueller Stammbaum. In diesem Spiel bekommt der Ausdruck Entwicklung eine ganz neue Facette, weil es hier nicht um Stärke oder Produktion geht. Mit dem Stammbaum entwickelt der Spieler etwas, was es auch in seinem realen Leben gibt und taucht dennoch, ob des Szenarios im Frankreich zur Hoch-Zeit des Adels, in eine Spielwelt mit eigenen Regeln ein.
Das unverbrauchte Thema wird vor allem durch die Personen unterstützt. Liebevoll ist jede Person mit einem eigenen Konterfei dargestellt und bringt individuelle Eigenschaften mit. Die zusätzliche kleine Beschreibung gibt den Spielern eine Vorstellung von der Person auf der Karte. Hier sind die Personen keine "Massenware", sondern Individuen, die das Spielerlebnis erhöhen.
Auch die Taktik hängt an den Personen. Wer seine Kinder und Enkel richtig verheiratet, wird das Spiel erfolgreicher bestreiten. Die Wahl der Aktionen und die persönliche Präferenzen runden ein Spiel ab, das in jeder Besetzung gut funktioniert. Ich persönlich spiele es lieber zu zweit oder zu dritt, weil es dann zügiger und nicht ganz so eng bei den öffentlichen Aktionen zugeht. Apropos zwei Spieler: Dieses Spiel kann ich hier besonders empfehlen. (wd)
Steckbrief Das Vermächtnis |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Michiel Hendriks | Pegasus | 1 - 4 Spieler | ab 10 Jahre | 45 - 75 Minuten | Mateusz Bielski |