Der Name Broom Service ist ein Wortspiel aus den englischen Begriffen Broom (Besen) und Room Service (Zimmerservice). Die Tatsache, dass ich den Raum für die Einleitung für eine solche Erklärung herschenke, sei Indiz dafür, wie wenige Personen ich bei meinen Testspielen gefunden habe, welche dies wussten oder es sich erschließen konnten. Ich bin daher der Meinung, dass ein deutscher Titel für den deutschen Markt besser gewesen wäre als ein verschenktes englisches Wortspiel.
Broom Service besteht aus sieben Spielrunden, die wie folgt ablaufen: Es wird ein Ereignis aufgedeckt, anschließend suchen sich alle Spieler verdeckt die vier Rollenkarten (aus zehn) aus, welche sie auszuspielen beabsichtigen. Das Ausspielen geschieht in Stichspielmanier, d.h. die Rolle, welche zu Beginn eines Durchgangs ausgespielt wird, muss - nacheinander im Uhrzeigersinn - "bedient" werden. Dies bedeutet, dass man verpflichtet ist, die entsprechende Karte auszuspielen, sofern diese sich unter den ausgewählten befindet. Hierbei gibt es stets zwei Möglichkeiten: Versuchen, eine Rolle "mutig" spielen zu dürfen, was die Chance auf eine stärkere Aktion mit sich bringt, aber auch das Risiko, dass ein nachfolgender Mitspieler die Karte auf der Hand hat und ebenfalls "mutig" ausspielt - er nimmt mir auf diese Weise die Aktion weg, denn nur der letzte "mutige" Ausspieler darf die Aktion tatsächlich ausführen, die Vorgänger sind zur Tatenlosigkeit verdammt. Dies kann umgehen, wer eine Rolle "feige" spielt und so umgehend die entsprechende, dann allerdings unverstärkte, Aktion ausführt.
Schauen wir uns die Rollenkarten einmal an: Drei Arten von Sammlern beschaffen uns neue Tränke und Zauberstäbe. Hier gilt: mutig = viel, feige = wenig. Es gibt vier verschiedene Hexen, jede ist in einer anderen Landschaftsart auf dem Spielplan aktiv. Feige gespielt, zieht man mit einer der beiden eigenen Hexenspielfiguren sofort in ein benachbartes Gebiet der entsprechenden Sorte. Mutig gespielt darf sie zudem noch an einen im Gebiet befindlichen Turm einen Trank ausliefern und die Belohnung dafür kassieren. Die beiden Druiden liefern an Türme im Flach- oder Hochland Tränke aus, mutig gespielt sogar mit einem Bonus von drei zusätzlichen Siegpunkten. Die Wetterfee schließlich zaubert mittels abzugebender Zauberstäbe eine Wolke weg, eine mutige Wetterfee wird mit drei Siegpunkten belohnt. Auf den Wolken sind Blitze, welche am Spielende nach einer Tabelle Siegpunkte bringen, außerdem versperren Wolken den Zugang zu einem Gebiet, solange sie sich dort befinden.
War Wie verhext!, welches denselben Mechanismus und dieselbe Thematik verwendete, fast schon ein lockeres Gruppenspiel, so ist Broom Service ein anderes Kaliber. Verantwortlich dafür: Der Spielplan, oder genauer: Die Handlungen auf selbigem. Sie bringen eine reizvolle Doppelbödigkeit ins Spiel. Es ist jetzt nicht nur die Frage, ob ich eine Rolle mutig oder feige spiele, nein, es ist bereits vorher schon die Frage, wie mutig oder feige ich meine Kartenhand gestalte. Mache ich dies eher vorsichtig, so wähle ich meine Karten so aus, dass ich mit jeder gewählten Karte zu jedem Zeitpunkt etwas anfangen kann. Habe ich Mut zum Risiko, so plane ich mit den vier Karten einen festen Ablauf - und werfe einem Mitspieler wüste Verwünschungen an den Kopf, der mir eine Karte zum falschen Zeitpunkt "aus der Hand zieht" und so meinen ganzen Spielzug zunichtemacht. Diese Emotionalität war schon die große Stärke von Wie verhext!. Durch die beiden Hexenfiguren lässt sich hier vermeintlich besser einschätzen, was die Mitspieler planen. Schön sind dann die Reaktionen, wenn sie doch die Karte ausspielen, welche man für sie nicht im Sinn hatte. Oder man spielt eine Rolle feige und die Nachfolgenden haben doch eine überraschend andere Auswahl getroffen und die fragliche Karte gar nicht auf der Hand - man hat also letzlich unbegründet auf die "mutige" Aktion verzichtet.
Das Staunen war groß in der Spielergemeinde, als Broom Service auf der Nominierungsliste des Kennerspieles des Jahres auftauchte. Meiner Meinung nach steht es dort zu recht, denn es trifft den Grad der Komplexität, welcher der "graue Pöppel" vertreten soll, perfekt: Mit den unterschiedlichen Aktionen und deren sich unterscheidende Ausspielweisen, kombiniert mit den verschiedenen Auswirkungen der Ereignisse, wären unerfahrene Familienspieler überfordert. Schönster Beleg dafür, welcher mir untergekommen ist: Eine Runde von Vielspielern, welche sich vehement über die Kennerspielnominierung beschwerte - um dann selbst im Spiel ständig die Kartenfunktionen zu verwechseln und damit durcheinanderzukommen…Zudem lässt sich die Komplexität noch steigern, indem man die beiliegenden Zusatzmodule nach und nach hinzunimmt, wozu auch ein alternativer, komplexerer Spielplan auf der Rückseite gehört. Gerade in kleiner Runde wird aus Broom Service dann ein richtiggehender Hirnverzwirbler. Der taktischen Dichte wegen bevorzuge ich denn auch das Spiel zu zweit und zu dritt, ohne, dass es zu viert und zu fünft stark abfiele.
Spielerisch habe ich an Broom Service nichts auszusetzen, bzw. mag es sogar sehr. Leider ist die Ausstattung nicht über Kritik erhaben: Zwei beidseitig bedruckte Spielübersichten für bis zu fünf Spieler wirkt arg knickerig. Auch ist der Spielplan deutlich kleiner, als die Schachtel es erlaubt hätte. Dies ist schade, da mit einem größeren Plan mehr Übersichtlichkeit ins Spiel gekommen wäre - vor allem beim Spiel auf der "unruhigeren" Rückseite hätte dies gut getan. So kommt es immer wieder zu taktischen Fehlern, weil Spieler schlichtweg übersehen, dass ein Turm doch noch zu einem bestimmten Gebiet gehört.
Man hat Broom Service keinen Gefallen getan, als man es im Vorfeld, selbst von offizieller Seite, als Wie verhext mit Spielbrett" bezeichnete. Es ist deutlich mehr als das, nämlich ein spannendes, hochinteraktives Spiel mit angenehmer taktischer Tiefe. Vielleicht hätte auch eine Wegbewegung vom - wenn auch passenden und bewährten - Thema und damit hergehend eine "erwachsenere" Gestaltung gut getan, denn von vielen Spielern wurde der erste Eindruck "Sieht aus wie ein Kinderspiel!" geäußert. Auch das oben angesprochene Verständnisproblem bezüglich des Titels half sicher nicht. So fristete Broom Service in der Spielerwahrnehmung eher ein Schattendasein nach dem Motto "Ich kenne Wie verhext, das genügt mir!" und wurde erst durch die Nominierung zum Kennerspiel verdientermaßen ins Licht und ins Spielerinteresse gezogen. (fk)
Steckbrief Broom Service |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Andreas Pelikan, Alexander Pfister | alea | 2 - 5 Spieler | ab 10 Jahre | 45 - 75 Minuten | Vincent Dutrait |