Mit Marco Polo verbinden wir seine Reisen von Venedig in den Fernen Osten. Entlang der Seidenstraße, aber auch weiter südlich, trieb er Handel und brachte so viele exotische Gewürze nach Europa. Diese historische Gegebenheit ist Gegenstand zahlreicher Spiele, so auch hier.
Legen wir den Spielplan vor uns aus, der aus zwei Teilen besteht. Im oberen Bereich sehen wir eine Karte mit Städten. Im Nordwesten befindet sich Venedig, die Heimatstadt Marco Polos. Im Südosten liegt Sumatra, eine Insel, die heute zu Indonesien gehört. Ein Wegenetz verbindet nah- und fernöstliche Städte. Dabei sind vier Routen von Ost nach West vorherrschend: Im Norden führt ein Weg über Moskau nach Beijing, die Stadt, die wir im Deutschen Peking nennen. Einer der beiden mittleren Wege führt über Samarkand und viel Gebirge, der andere entlang der Südküste Asiens nach Beijing. Im Süden schließlich geht es über eine Landpassage in Afrika und viel Wasser Richtung Sumatra. Für die Reise benötigen Wir Geld. Damit wir am Zielort Handel treiben können, sollten Waren in unserem Besitz sein.
Für unsere Ausstattung gibt es den unteren Teil des Spielplans.Den größten Raum nimmt der Markt ein. Dort können Kamele, die treuen Begleiter Marco Polos, sowie Gewürze, Seide und Gold als Handelswaren erworben werden. Weiterhin gibt es hier Handelsaufträge, aber auch zwei Möglichkeiten, an Geld zu kommen. Zuletzt finden wir hier ein "Reisebüro" mit dem wir eine Reise auf den Spuren des Marco Polo durchführen.
All die Begehrlichkeiten, die uns feilgeboten werden, können wir über Würfel bekommen. Jeder Spieler besitzt dazu fünf solcher Objekte. Je nach Aktivität sind ein bis drei Würfel notwendig. Für die Aktion ist immer der niedrigste Würfel entscheidend. Er bestimmt, wie viele Waren ich bekomme und auch, wie weit ich Reisen darf. Bin ich nicht der erste Spieler, der in einer Runde die Aktion durchführt, muss ich zusätzlich noch Geld in Höhe dieses niedrigsten Würfels bezahlen.
Wenn wir nun Reisen, kostet dies erst einmal Geld. Danach bewegen wir uns entlang der Seidenstraße oder seinen Parallelwegen. Wir zahlen unterwegs Kamele, um Gebirgspässe zu überwinden und benötigen Geld für die Fährpassagen, um auf dem weiten Meer voranzusegeln. Erreichen wir am Ende unserer Reise eine Stadt, bauen wir dort ein Kontor. In einer Kleinstadt bekommen wir ein wenig Versorgung, die meistens aus Geld und Kamelen besteht. Sie gibt es in jeder der fünf Runde erneut. In einer Großstadt bekommt nur der erste Ankömmling einen Bonus. Dafür bietet jede Stadt einen ganz individuellen Handel, der ab sofort nutzbar ist. Jeder Handel besteht, wie auch bei der Erfüllung von Aufträgen, aus einem Tausch: Wir geben bestimmte Dinge, oft Waren, ab und erhalten dafür anderes, wie zum Beispiel Geld oder Siegpunkte.
Bei diesem Spiel sind viele Elemente gut verzahnt. Die abwechslungsreiche Startauslage und ein durchdachtes System gegen Ungerechtigkeiten und für gute Planung führen zu einem Spiel, welches die Zeit wie auf einer Reise vergehen lässt. Wir finden hier einen neuen, leicht erklärbaren, aber nicht leicht zu beherrschenden Einsatzmechanismus. Dem gegenüber stehen die Reisen, mit denen am meisten ein Gefühl für das Thema des Spiels aufkommt.
Die Wege an Geld und Waren zu kommen, sind vielfältig wie die Wege, über die wir reisen. Wer kein Geld hat, kann es sich für einen wertvollen Würfel besorgen. Waren stehen dann jedem zur Verfügung, weil ein Spieler mit Geld nicht an einer Aktion gehindert werden kann. Das gleiche gilt für Reisen. Bei allem sind Entscheidungen zu treffen, denn nur wenig von dem, was man sich vornimmt, lässt sich in die Realität umsetzen. Wie im Leben kann ein Reisender nur an einem Ort aufhalten und wie so oft sind Rückreisen langweilig und teuer. Es gilt neue Städte zu entdecken. Vielleicht ist es besser, lieber die gebotenen Möglichkeiten zu nutzen und die teure Weiterreise erst einmal zu verzichten. Vielleicht aber sind auch der Handel mit Waren und die Erfüllung von Aufträgen der richtige Weg, wohlwissend, dass in Beijing eine Menge schöner Siegpunkte warten.
Die vielen Entscheidungsmöglichkeiten sind reizvoll, weil das Spiel eine Menge Abwechslung bietet. Die Versorgungen der Kleinstädte liegen jedes Mal anders aus. Für die Großstädte gibt es so viele Handelsmöglichkeiten, dass es erst nach vier Spielen zu einer Wiederholung kommen muss. Weiterhin übernimmt jeder Spieler die Rolle eines Charakters aus der damaligen Zeit. So hat jeder Spieler eine andere Eigenschaft und sollte im Spiel eine darauf ausgerichtete Strategie spielen.
Diese Abwechslung gepaart mit dem innovativen Mechanismus für den Einsatz der Würfel machen den Reiz aus - sowohl in einer einzelnen Partie als auch den Wiederspielreiz. Während die Regeln in jedem Spiel gleich bleiben, ändert sich das Spiel von seinen Abläufen. Wie man beim Golf das Grün lesen können sollte, ist es hilfreich, wenn man hier die Auslage richtig einschätzt. Entsprechend viel gibt es bei Marco Polo zu entdecken: Der starke Charakter aus dem letzten Spiel ist mit einem Mal durchschnittlich. Und welche Strategie erfolgreich sein wird, zeigt sie gemeinhin erst am Ende des Spiels. So spiele ich das Spiel am liebsten mit Spielern, die diesen "Forscherdrang" teilen, die auch mal experimentieren mögen und die vor allem nicht durch langes Überlegen den letzten Siegpunkt aus den Waren quetschen wollen.
Marco Polo gewann dieses Jahr den Pfefferkuchel und wurde von der Jury "Spiel des Jahres "als Kennerspiel empfohlen. Ich lehne mich einmal weit aus dem Fenster und prophezeie, dass ich hier die Rezension über den Sieger des Deutschen Spielepreises 2015 geschrieben habe. (wd)
Steckbrief Auf den Spuren von Marco Polo |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Daniele Tascini, Simone Luciani | Hans im Glück | 2 - 4 Spieler | ab 12 Jahre | 40 - 100 Minuten | Dennis Lohausen |