Zwei bis vier Spieler ab zwölf Jahren, 75 - 150 Minuten, Autor: Alexander Pfister, Redaktion: Viktor Kobilke, volle vier Eggert-Tatzen. Klar, denkt sich der Kenner, das ist der Steckbrief von Mombasa! Soweit richtig, doch nur ein Jahr später bringt das Duo Pfister/Kobilke ein Spiel mit exakt identischen Rahmendaten heraus. Können sie den Erfolg von Mombasa, immerhin Gewinner des Deutschen Spielepreises, wiederholen?
Great Western Trail (im Folgenden GWT genannt) kommt nicht auf leisen Fuchstatzen, sondern auf donnernden Hufen: Denen der Rinder, die wir durchs Land treiben. Unser Ziel: Kansas City, wo wir nicht bloß unseren Lohn kassieren, sondern als fortschrittliche Cowboys gleich noch organisieren, wohin die Rinder dann per Bahn gebracht werden. Wichtigster Faktor hierbei ist der erreichte Zuchtwert. Er errechnet sich aus den Werten der verschiedenen Rinderrassen, die sich zum Zeitpunkt der Lieferung auf der Hand befinden. Mein Bestreben ist es also, beim Erreichen von Kansas City möglichst viele verschiedene Rassen auf der Hand zu haben. Zu Beginn hat jeder ein identisches Deck aus vier verschiedenen Rinderrassen, welches im Verlauf des Spieles mit weiteren, höherwertigen Rassen vom Rindermarkt ausgebaut wird. Der Zuchtwert bestimmt nicht nur, wieviel Geld ich für die Lieferung bekomme, sondern auch die Stadt, in welche ich die Rinder per Bahn liefern kann. Da jeder Spieler, mit Ausnahme der höchsten und niedrigsten Stadt, jeden Ort nur einmal beliefern kann, muss man für ein erfolgreiches Spiel nach und nach immer höhere Zuchtwerte erreichen. Zudem darf man bei jeder Lieferung nach eigener Wahl die verfügbaren Aktionen auf dem eigenen Tableau erweitern. An besonders wertvolle Aktionen, wie die Erweiterung der Schrittweite oder die Erhöhung des Handkartenlimits, kommt man jedoch nur mit der Belieferung höherer Städte.
Unser wiederkehrender Weg nach Kansas gestaltet sich stets unterschiedlich: Zu Beginn liegen nur sieben neutrale Gebäude auf dem Weg. Mit Fortschreiten der Partie bauen die Teilnehmer jedoch eigene Häuser, welche diverse unterschiedliche Aktionen ermöglichen - allerdings nur für den jeweiligen Besitzer. Für die anderen stellen sie nur Hindernisse dar, welche die begrenzte Schrittweite aufzehren und im schlimmsten Fall noch mit jedem Betreten oder Überschreiten Geld kosten. Als kleinen Trost kann man eine seiner Nebenaktionen, d. h. eine des persönlichen Tableaus, durchführen.
Die zahlreichen unterschiedlichen Aktionen zu beschreiben, würde hier den Rahmen sprengen und einschlafende Leser verursachen. Wenden wir uns lieber dem Spielgefühl auf dem großen Zug nach Westen zu: GWT ist ein strukturell einfaches Spiel, bei welchem die abzuarbeitenden Punkte jedes Spielzuges klar geregelt sind, nämlich
Komplex wird das Ganze durch die individuelle Zusammensetzung des Spielplanes. Da müssen gebaute Gebäude der Mitspieler ebenso in den persönlichen Planungen berücksichtigt werden, wie die benötigte Reihenfolge der Gebäudeaktionen für einen erfolgreichen Spielzug, respektive ein erfolgreiches Spiel. Ein unüberlegt platziertes Gebäude kann dabei zum dauerhaften Ärgernis und Hemmschuh für seinen Besitzer werden - genauso wie ein wohlüberlegt platziertes für die Mitspieler. Dieser hohe Interaktionsgrad gipfelt zum Ende des Spieles in der Abwägung, wie eilig es die Mitspieler wohl haben, nach Kansas zu kommen. Wieviele eventuell punktebringende Aktionen kann man sich auf dem eigenen Weg wohl noch erlauben, ohne das eigene abschließende Erreichen Kansas Citys und somit eine potentiell punkteträchtige abschließende Lieferung zu gefährden. Es kribbelt im wilden Westen! Die hohe Variabilität (sieben zufällig platzierbare neutrale Gebäude, sowie zehn eigene Gebäude mit zwei verschiedenen Seiten, welche zu Spielbeginn zufällig bestimmt werden können), der hohe Anspruch und der hohe Interaktionsgrad machen GWT zu einem weiteren Toptitel des offenbar perfekt eingespielten Mombasa-Duos. Zu jedem Zeitpunkt des Spieles gilt es, bedeutende Entscheidungen zu treffen, so beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt: Brauche ich jetzt den Handwerker, um höherwertige Gebäude bauen zu können? Oder ist der Ingenieur wichtiger, um die eigene Lok voranzutreiben (hat die Lok die belieferte Stadt noch nicht erreicht, zahlt man einen Geldbetrag. Zudem kann man sich entlang der Strecke in Bahnhöfe einkaufen, welche eine weitere Siegpunktquelle darstellen)? Vielleicht doch lieber der Cowboy, der es mir endlich ermöglicht, dieses schnuckelige Fünfer-Rind vom Rindermarkt zu kaufen!
Ein kleiner Wermutstropfen ist es, der GWT in der objektiven Bewertung ein kleines Stück hinter Mombasa landen lässt: In unseren Partien war es mehrfach der Fall, dass sich die eher simple Strategie "Viele Cowboys (steuern die eigene Kaufkraft auf dem Rindermarkt), viele Rinder (erhöhen den Zuchtwert und bringen selbst Siegpunkte mit)" gegen eigentlich anspruchsvollere Spielweisen, die es erforderten, den Spielplan zu "lesen", mitunter recht deutlich durchsetzte. Das ist schade, denn was nützt die ganze schöne Varianz, wann man sie derart erfolgversprechend umgehen kann. Subjektiv jedoch würde ich persönlich den Zug nach Westen Mombasa sogar vorziehen: Trotz der Tatsache, dass ich mehrere Male wie in einer zünftigen Saloon-Prügelei kräftig vermöbelt worden bin, ist mein Spielreiz ungebrochen. GWT ist eines der Spiele, die gefühlt hundsgemein sein können und einen nichtsdestotrotz am nächsten Morgen mit einem "Beim nächsten Spiel mache ich es besser!"-Gefühl aufwachen lässt - weil im Rückblick stets erkennbar ist, was man besser hätte machen können und was die kleinen Patzer waren, die das eigene Spiel aufs Abstellgleis geschickt haben. (fk)
Steckbrief Great Western Trail |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Alexander Pfister | eggertspiele | 2 - 4 Spieler | ab 12 Jahre | 75 - 150 Minuten | Andreas Resch |