NoriaNoria

In vielen Fällen höre oder lese ich etwas über ein Spiel, bevor ich es in den Händen halte oder gar spiele. So war es mit Noria, und was ich vorher hörte, ließ Spannung in mir aufkommen. Ich kenne manches Spiel, bei dem die Aktionen über ein Rondell vergeben werden. Hier nun, so las ich, baut jeder Spieler ein persönliches Rondell nach seinen Vorstellungen.

Damit springe ich in die Welt von Noria, die im Steam Punk Universum angesiedelt ist. Unsere Ausstattung besteht aus drei Flugschiffen. Jedes transportiert einen der drei Grundstoffe: Energie, Myzel oder Obsidian. Um weitere Flugschiffe zu bekommen, reisen wir zu den fliegenden Inseln. Dort können wir auch Fabriken errichten, in denen wir Flugschiffzubehör produzieren. Automatisch erlangen wir dabei Wissen.

Grundstoffe, Fliegerzubehör und Wissen sind nicht nur Wirtschaftsfaktoren, sondern auch fester Bestandteile der Politik. Sie ist einzig und allein für das Endergebnis verantwortlich. Sechs Wertungsskalen, im Spiel Pfade genannt, schreitet der Spieler voran, wenn er die benötigten Grundstoffe oder Zubehörteile abgibt. Zu jedem Pfad gibt es einen Multiplikator, der zu Spielbeginn auf Null steht. Er kann bis zu vier Mal erhöht werden, was durch graue Steine dargestellt wird. Gebe ich genügend Wissen ab, erhöhe ich an einem Pfad den Multiplikator, wodurch der Pfad wertvoller wird. Dazu entferne an einem anderen Pfad einen der grauen Steine. Damit sinkt das Potential an diesem Pfad, weil sich die Anzahl der möglichen Erhöhungen reduziert hat.
Das Ende des Spiels tritt nach einer festen Rundenzahl ein. Nun werde die Fortschritte auf den Pfaden mit dem jeweiligen Multiplikator zu Teilergebnissen verrechnet. Deren Summe entscheidet über den Sieg.

Der Ablauf, der hier sehr vereinfacht dargestellt ist, wird über ein Aktionsrad gesteuert. In ihm liegen Scheiben, die sieben unterschiedliche Aktionen ermöglichen. Drei von ihnen bringen jeweils Grundstoffe, die anderen ermöglichen das Reisen, die Produktion und den Fortschritt auf den Pfaden. Die letzte Scheibe erlaubt es, die Aktion einer anderen Scheibe ein weiteres Mal auszuführen.
Damit ein Spieler sein Aktionsrad individuell ausbauen kann, gibt es Scheiben zu kaufen. Diese legt er in sein Aktionsrad. Die Aktion der neuen Scheibe kann er ausführen, sobald sie an einem Platz liegt, der dies erlaubt. Für noch mehr Flexibilität sorgt die Möglichkeit, zu Beginn seines Spielzugs das Aktionsrad zu manipulieren, indem ich entweder ein Rad drehe oder Scheiben tausche.
Dieses Aktionsrad ist die große Innovation in Noria. Sie gibt den Spielern viel Freiheit durch individuelle Gestaltungsmöglichkeit. Die Zusammensetzung des Aktionsrades ist ein spielentscheidender Faktor. Der Entscheidung beim Kauf neuer Scheiben wird nach meinen Beobachtungen dennoch leicht und schnell gefällt. Die Gründe dafür sind vielfältig. So sind die Aktionen einfach, und die Spieler merken, an welchen Aktionen sie akuten Bedarf haben. Dazu sind viele Schieben flexibel, weil sie zwei Aktionen ermöglichen, aus denen im Spielzug eine ausgewühlt werden muss. Wer innovative Mechanismen liebt, kommt mit dem Aktionsrad voll auf seine Kosten.

Ist das Aktionsrad die große Innovation, so ist die Politik die andere. Der Mechanismus für die Multiplikatoren, einmal erhöhen, einmal eine potentielle Erhöhung verhindern, gibt den Spielern eine mächtige Entscheidung. Damit nun nicht einige Spieler die Entscheidungen aussitzen, gibt es eine feine Regelung für die Fortschritte auf den Pfaden: Für jeden Spieler, der bisher mehr Schritte getätigt hat, muss ich einen Grundstoff zusätzlichen zu den Kosten des Schrittes abgeben. Warte ich also ab, um von den Entscheidungen meiner Mitspieler zu profitieren, werden die Schritte für mich teurer. Wer innovative Mechanismen liebt, kommt mit der Politik erneut voll auf seine Kosten. Zwei davon in einem Spiel sind selten, weshalb das Spiel auf Freunde von Innovationen einen besonderen Reiz ausübt.

Die neuen Mechanismen dominieren das Spiel, die Steam Punk Welt steht dahinter zurück. Während des Spiels werden sie und ihre Flugschiffe nur am Rande wahrgenommen. Die Illustrationen zeigen diese Welt. Die filigranen Landschaften und Flugschiffe von Michael Menzel und die gröberen Icons von Klemens Franz ergänzen sich wohltuend. Die Befürchtungen über zwei Zeichenstile, die im Vorfeld der Veröffentlichung geäußert wurden, waren unbegründet.

Wer in einem Expertenspiel ein Erlebnis sucht, ein Abtauchen in eine andere Welt mit ihren Regeln und Unwägbarkeiten, sollte Noria besser ignorieren. Wer innovative Mechanismen liebt, insbesondere wenn sie viel Freiheit bieten und gut aufeinander abgestimmt sind, findet hier sein persönliches Kleinod. (wd)

Steckbrief
Noria
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Sophia Wagner Edition Spielwiese 2 - 4 Spieler ab 12 Jahre 70 - 120 Minuten Michael Menzel