Mombasa und Great Western Trail von Alexander Pfister sind bisher an mir vorbeigegangen. Ihre Spieldauer von 150 Minuten schreckte mich ab, da ich Spiele bis zu 90 Minuten bevorzuge. Auch die Themen seiner Spiele lagen mir nicht.
Maracaibo hingegen lockte mich, und so wagte ich mich an dieses große Spiel.
Im 17. Jahrhundert mache ich mich auf, als Kapitän in der Karibik Ruhm und Erfolg zu erlangen. Einfluss bei den Kolonialmächten Frankreich, England und Spanien und die Erforschung des lateinamerikanischen Kontinents von Cumana in Venezuela bis La Ceiba in Honduras bringen mich diesem Ziel näher. Verbesserungen meines Schiffes bringen mir Vorteile und erweitern meine Handlungsmöglichkeiten.
Gespielt werden vier Durchgänge auf einem Rundkurs mit 20 Haltepunkten: Dörfern und Städten. In meinem Zug fahre ich eine Streck von bis zu sieben Haltepunkten.
Lande ich in einem Dorf an, darf ich je nach Fahrstrecke 1 bis 3 Aktionen durchführen. Diese bringen mir anfangs Geld oder die Möglichkeit, Karten auszuspielen.
Diese Karten sind das Kernstück des Spiels und haben zwei Funktionen. Zum einen ist jede Karte eine Handelsware. Zum anderen sind sie Vorhaben, das heißt, das Anstellen von Personen, zum Beispiel einen Matrosen, und das Errichten von Gebäuden wie einen Hafen. Die Vorteile dieser Vorhaben wirken nach dem Ausspielen konstant. Weitere Vorhaben sind Gehilfen. Diese kann ich nur nutzen, wenn ich an dem Ort, an dem sie angestellt sind, anlege. Um diese Vorhaben durchzuführen, d. h. die Karten auszuspielen, muss ich in der Regel Geld bezahlen, gelegentlich kommen andere Bedingungen hinzu.
Ende ich in einer Stadt, kann ich, wenn noch möglich, Waren abliefern, und so mein Schiff verbessern. Dies gibt mir neue Aktionsmöglichkeiten, Geld, Punkte… Danach stehen mir die stadteigenen Aktionen zur Verfügung. In drei Städten sind sie fest vorgegeben, in den vier anderen werden sie zufällig ausgelost.
An einigen Stellen können noch Quests liegen. Hier muss man etwas abgeben um eine Belohnung zu bekommen.
Das Erforschen des Kontinents ist etwas schwieriger. Sicher kann man nur zweimal in einem Durchgang forschen. Gehilfen, Angestellte und Quests können weiteres Forscherzüge ermöglichen.
Hat der erste Spieler Feld 20 erreicht, haben alle anderen Spieler noch einen Zug. Dann gibt es in einer Zwischenwertung Einkommen aus Geld und Punkten. Ein Grund-Geldeinkommen hat jeder weiteres einkommen bekommt man durch Auswirkungen ausgespielter Vorhaben. Dabei ist oft das Vorhandensein eines bestimmten anderen Vorhabens Bedingung für die Auszahlung.
Hier ein Beispiel:
Der Matrose erlaubt mir ein zusätzliches Einkommen von zwei Gold, besitze ich einen Hafen, gibt es weitere zwei Gold Einkommen.
Der Hafen bietet kein eigenes Einkommen.Besitze ich aber das Werkzeugplättchen, das zum Beispiel der Entdecker, ein Gehilfe, mitbringt, gibts es vier Punkte, mit der Krone weitere zwei Punkte.
Nach dem vierten Durchgang werden die Einflüsse bei den einzelnen Kolonialmächten, die durch Kämpfe oder andere Aktionen erreicht werden, mit Punkten belohnt. Die Vorhaben bringen weitere Punkte.
Das Spiel ist so vielschichtig, dass die obige Beschreibung nur einen groben Eindruck geben kann.
Alles in Maracaibo ist eng verzahnt. So gibt mir eine Entdecker in Cumana (Bild obem) Geld und Entdeckerschritte auf dem Kontinent. Diese bringen wieder Geld oder Punkte oder beides oder Einfluss oder Kampfkraft…
Diese Verzahnung macht den Einstieg in das Spiel sehr schwer. Mehr als eine Stunde kämpften wir uns durch den Regeltext, befor wir überhaupt starten konnten. Bis wir das Spiel komplett verstanden hatten, war viel Sucherei in der Regel notwendig - nur die Faszination des Spielerlebens hielt uns bei der Stange. Das Durchhalten wurde durch ein eindrucksvolles Spielerlebnis belohnt.
Während ich bei den meisten Spielen nach zwei Stunden äußerst ungeduldig werde, habe ich sogar vierstündige Partien mit Neulingen genossen. Auch nach vielen Spielen sind wir noch immer weit von 30 Minuten pro Spieler entfernt.
Wenn es mal etwas länger dauert, kommt keine Langeweile auf. Ich beobachte, was die anderen Spieler machen, freue mich, wenn sie meine Pläne für den nächsten Zug nicht vereiteln, oder fange sofort an, neu zu überlegen, wenn sie es doch tun.
Die Vielfalt der Karten, von denen immer nur ein Teil ins Spiel kommt, die unterschiedlichen Stadtaktionen und ihre Auslageorte - jedes Spiel ist anders als das vorhergehende.
Ich muss meine Handkarten und den Plan gut lesen, um eine erfolgreiche Spielweise zu entwickeln. Mal erscheint eine Karte übermächtig, in einem anderen Spiel bringt sie nicht viel. Schon die ersten Schiffsverbesserungen wollen richtig ausgewählt werden. Will ich ein höheres Handkartenlimit oder lieber einfach Bares, oder vielleicht doch eine neue Dorfaktionsmöglichkeit?
Viele Entscheidungen müssen getroffen werden, jede hat Einfluss auf den weiteren Verlauf. Viele Strategien und Taktiken wollen ausprobiert werden. Schon das Basisspiel ist so reizvoll, dass wir erst spät das mittlere und schwere Spiel angingen.
Nun haben wir zu zweit die Kampagne gestartet - sie macht einen Riesenspaß. Das Thema ist in der jetzigen Situation mit Corona makaber. Eine Seuche breitet sich in der Karibik aus, und wir sollen helfen. An manchen Stellen werden wir gefragt, was wir, aus einer Auswahl von Möglichkeiten heraus, tun wollen, und diese Entscheidungen beeinflussen den weiteren Verlauf der Kampagne.
Es ist eine Kampagne, die sich entwickelt, kein Legacy-Spiel. Da sich nur die Auslage verändert, kann die Kampagne mit anderen Spielern und auch mit veränderter Spielerzahl problemlos weitergespielt werden. Außerdem kann auch ganz gezielt eine Episode der Story angegangen werden.
Das Spiel hat mich gepackt: Ich will immer mehr ausprobieren, welche Strategien erfolgreich sind und wie ich andere ausbremsen kann.
Ein Beispiel: Der Hafen ist oft eine sehr starke Karte, doch nur, wenn das Spiel lange dauert, und viele Personen, die sich auf den Hafen beziehen, ins Spiel kommen. Macht ein Mitspieler lange Züge, kann der Hafen seine Vorteile nicht vollständig ausbauen.
Das habe ich schmerzhaft erfahren.
Ich freue mich schon auf das nächste Kampagnenspiel, es wird nicht lange auf sich warten lassen. Wenn die Kampagne vorbei ist, werden wir sicherlich einige der Episoden noch einmal nutzen, um zu sehen, wie sich eine andere Entscheidung als zuvor auswirkt -.
Maracaibo ist kein Spiel für jemanden, der es nur einmal spielt. Das Spiel will erforscht werden. Man muss sich mit ihm vertraut machen - wie der Fuchs es dem kleinen Prinzen in Antoine de Saint-Exupérys bekanntem Buch erklärt. (bd)
Steckbrief Maracaibo |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Alexander Pfister | dlp Games | 1 - 4 Spieler | ab 12 Jahre | 30 - 120 Minuten | Fiore GmbH |