Ich bin böse. Ihr mögt Disney-Filme? Ihr fiebert mit Peter Pan? Ihr schwärmt für Arielle? Ihr haltet Robin Hood für einen Helden? Alles Quatsch! Diese Figuren, diese Scheinhelden, diese scheinbar Guten haben ausgedient. Die Gegenspieler übernehmen das Ruder: Malefiz verflucht das Land, Prinz John sammelt Münzen über Münzen und die Herzkönigin spielt erfolgreich Cricket. Endlich erschaffen wir eine gerechte, ausgeglichene Welt. Darauf haben wir Bösen lange warten müssen.
Nur halten wir Bösen nicht zusammen. Das kennt ihr aus vielen TV-Serien. Hier ist das nicht anders. Jeder Böse will noch schneller am Ziel sein als die anderen Bösen. Dafür übernehmen die Spieler einen von sechs Disney-Charakteren. Bevor es losgeht, ist Lesestunde angesagt. Zu jedem Charakter gibt es eine Broschüre, die erklärt, welches Ziel der Böse verfolgt und wie er es erreicht. Ich spiele Prinz John und möchte einfach nur reich werden. Mein Problem: Wenn ich Karten ausspiele, sorgen deren Kosten dafür, dass ich das Geld für den Spielsieg ausgeben muss. Neben mir sucht Captain Hook Nimmerland und Peter Pan, schräg gegenüber flucht Malefiz. Mir ist das egal, ich muss erst mal verstehen, was ich unternehmen kann. Auf dem Spielplan sind vier Orte. Prinz John bewegt sich zu einem und führt dort Aktionen wie Karte spielen, Machtchips erhalten oder Feind besiegen durch. Gefühlt dauert mein Spielzug nur Sekunden, die der anderen Minuten. Das Spiel ist zäh wie Kaugummimasse.
Obwohl jeder nur für sich böse ist, bekommen wir irgendwie mit, dass Malefiz drei ihrer vier Flüche gesprochen hat. Nun hetzen wir ihr die Guten auf den Hals, und tatsächlich gelingt es uns einen Fluch zu entfernen. Doch Malefiz kann schneller fluchen als die Hexe aus Dominion. Noch einmal schaffen wir es nicht, das Land vor Flüchen zu bewahren. Malefiz flucht ein letztes Mal. Nach gut zwei Stunden ist das Spiel vorbei. "Endlich", denken wir kollektiv. Dann stellt Malefiz fest, dass sie nicht regelkonform gespeilt hat. Egal, vorbei ist vorbei. Wir anderen sind auch nicht sicher, ob wir die Regeln eingehalten haben.
So leicht geben wir nicht auf. Der zweite Versuch wird zu dritt gestartet. Damit wollen wir die Wartezeiten verkürzen. Malefiz flucht erneut, die Herzkönigin, letztes Mal noch im Urlaub, errichtet ihre Crickettore und Prinz John hortet Geld. Die Tore stehen schnell, aber die Flüche sind einfach noch schneller. Stoppen geht zu dritt schwieriger. Als das Spiel zu Ende ist, verstirbt Prinz John chancenlos und in Armut. Das war auch nichts. Das Spiel klingt verlockend, die Grundidee ist andersartig und motivierend. Ich möchte dieses Spiel lieben. Daran hindern mich die Unübersichtlichkeit, weil ich die Tableaus der Mitspieler nicht im Auge behalten kann, die Unausgewogenheit der Charaktere und vor allem die lange Spieldauer und der repetitive Spielablauf, der das Spiel noch länger wirken lässt. Den anderen Spielern ergeht es genauso. Eine dritte Partei kommt nicht zustande.
Im Nachgang überlegen wir, für wen das Spiel ist. Für Kinder ist es zu komplex und die lieben die Guten. Da darf Peter Pan sicher nicht verprügelt werden. Erfahrene Spieler, an denen sich der Spielablauf richtet, sind nicht unbedingt Disney-Fans. Vor allem kennen sie viele Spiele und finden daher genügend, bei denen die Mechanik besser funktioniert. Wir überlegen weiter und kommen zu dem Schluss, dass dieses Spiel keine Zielgruppe hat.
Und nun bin ich richtig böse, weil das Spiel eine schöne Grundidee hat, sie mit dreidimensionalen Figuren und Bildern aus den Filmen unterstützt und dann einen Ablauf bietet, dessen Höhepunkt die viele Zeit zur Betrachtung jener Bilder ist. Außerdem bin ich böse, weil mein Liebling nicht dabei, die Oberböse: Cruella de Vil. Vielleicht wäre das Spiel ein wenig unterhaltsam, wenn ich den süßen... stopp blöden... Dalmatinern das Fell über die Ohren ziehen könnte, damit Cruella endlich den heißersehnten Pelzmantel bekommt. So habe ich leider nur zwei Mal das Spielende herbeigesehnt. (wd)
Steckbrief Villainous |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Prospero Hall | Ravensburger | 2 - 6 Spieler | ab 10 Jahre | 40 - 120 Minuten | Wonderforge |