"Schon wieder Florenz?" So fragten viele meiner Mitspieler beim Anblick des Schachtelcovers von "Firenze" (Firenze ist der italienische Name von Florenz). Oder nach den ersten Sätzen der Regelerklärung: "Schon wieder Türme bauen?" Ja, schon wieder Türme bauen! Immerhin passt dies historisch zu der italienischen Renaissance-Stadt, in der sich wohlhabende Bürger mit ihren prächtigen und wehrhaften Turmbauten gegenseitig auszustechen versuchten. Die Spieler schlüpfen in die Rollen von Bauleuten ("Bauherren"), die für die patrizischen Familien möglichst hohe Türme errichten, um Prestige zu gewinnen. Wer am Ende die meisten Prestigepunkte hat, gewinnt das Spiel. Dazu sammeln sie die benötigten Bausteine und versuchen mit Aktionskarten, die Konkurrenten auszubooten und Vorteile zu erlangen.
Der Spielplan zeigt sechs verschiedenfarbige Türme mit jeweils acht Etagen, die für Bauaufträge stehen. Am unteren Rand befindet sich eine Reihe von sechs Karten, die jeweils mit vier zufällig aus einem Beutel gezogenen Baustoffen bestückt sind. Jeder Spieler hat einen Bauplatz und eine gewisse Anzahl weißer Bausteine als Startkapital. Wer am Zug ist, kann aus den ausliegenden Aktionskarten wählen. Bis auf die Karte ganz links kosten sie in aufsteigender Folge 1-5 Baustoffe, die die Spieler aus ihrem Lager abgeben müssen, um die jeweilige Karte zu erhalten. Die Karten liefern nicht nur die nötigen Baustoffe, sondern sind auch zentrales Steuerelement. Zu unterscheiden sind Ereignisse mit negativen Auswirkungen, Gebäude, die Vorteile beim Bauen oder Rohstoffesammeln bringen, Personen, die die Bauleute bei ihrer Arbeit unterstützen oder wie der "Patrizier" vor unliebsamen Ereignissen schützen, Kirchenprivilegien, die einen Bonus an Prestige versprechen, sowie sog. Festkarten, die nur unter bestimmten Voraussetzungen wieder von der auf fünf beschränkten Kartenhand abgeworfen werden dürfen und die am Spielende Plus- oder Minuspunkte bescheren.
Der Spieler bezahlt die gewählte Karte, indem er die geforderte Anzahl von beliebigen Rohstoffen in linker Richtung auf die noch ausliegenden Karten verteilt. Damit steigt deren Attraktivität für die Mitspieler und auch negative Ereignisse oder Festkarten können so reizvoll werden, da sie mehr und unter Umständen dringend benötigte Baustoffe mit sich bringen. Die Karte wird entweder auf die Hand genommen (Personen- und Festkarten), ausgelegt (Gebäude und Kirchenkarten) oder direkt gespielt (Ereignisse). Dann besteht die Möglichkeit, einen beliebigen Baustoff auf einer in der Reihe verbliebenen Karte gegen drei beliebige Rohstoffe aus dem eigenen Lager einzutauschen. Schließlich darf der Spieler bis zu sechs Bausteine auf seinem Bauplatz verbauen (Bausteine bestimmter Turmfarben werden verbaut, weitere beliebige als Zahlungsmittel genutzt). Dabei kann er beliebig viele Türme beginnen (auch der gleichen Farbe), muss jedoch dabei eins bedenken: Sollte er in seinem Zug einen oder mehrere seiner Türme nicht um mindestens eine Etage erhöhen können, ist er gezwungen, diese(n) abzureißen. Die Hälfte seiner Steine (aufgerundet) geht verloren und wandert in den Vorrat, den Rest darf er zumindest in seinem Lager behalten. Für mittelfristige Strategien ist es also unumgänglich, die Auslage und die Bauaktivitäten der Mitspieler im Blick zu halten, um eine Chance zu haben, die nötigen Baustoffe in den Folgerunden zu erhalten.
Nach dem Bauen können mindestens dreistöckige Türme einer Farbe gewertet werden ("Bauaufträge erfüllen"), insofern die gleichfarbige Etage auf dem Spielbrett noch nicht besetzt ist. Der Spieler erhält die in der Mitte jedes Abschnitts abgedruckte Zahl als Punkte und deckt das Feld mit einem Siegel seiner Farbe ab. Vor Spielbeginn verstopfen bereits fünf neutrale Siegel einige Turmabschnitte - diese sind für die gesamte Partie nicht verfügbar. Hinzu kommen vier Balkone, die mit römisch I bis IV ausgezeichnet sind. Sie zu bauen, bringt mehr Prestige als gewöhnlich, doch muss hier eine strikte Reihenfolge beachtet werden: So darf z. B. Balkon II erst gebaut werden, wenn der Auftrag von Balkon I erfüllt wurde. Schließlich wird überprüft, ob der Spieler mehr als fünf Karten oder 10 Steine im Vorrat hat. Notfalls muss er Überzähliges abgeben.
Das Spiel endet, sobald ein Spieler alle seine Siegel auf den Plan gebracht hat. Dafür erhält dieser noch einmal fünf Bonuspunkte, die anderen sind danach jeweils noch einmal an der Reihe. In der folgenden Schlusswertung erhält man für die Mehrheit an Siegeln auf einem Turm 2 bis 5 Bonuspunkte. Bei gleicher Anzahl von Siegeln unterschiedlicher Spieler auf einem Turm, erhält derjenige den Bonus, der die höchste Etage besetzt hat. Schließlich werden Plus- oder Minuspunkte eventuell vorhandener Festkarten zu dem Punktestand hinzugerechnet, den man während des Spiels durch Erfüllen der Aufträge oder Boni durch Etagenplättchen und Privilegkarten erwirtschaftet hat. Bei Gleichstand teilen sich die Spieler den Sieg.
Vor allem die ersten "Firenze"-Partien verlangen den Spielern einiges ab, um einen Zugang zu finden. Das hat gar nichts mit den Regeln als solchen zu tun, sondern mit dem Handling von Karten und Bausteinen: diese werden nämlich auf die Karten gelegt und verdecken so entweder die schönen Illustrationen von Michael Menzel oder die Kartentexte, die eigentlich nur von einer Seite problemlos zu lesen sind. Ein beigelegtes Übersichtsblatt über die einzelnen Karten fängt dieses Defizit zumindest ein wenig auf.
Hat man die Klippe des Einstiegs jedoch gemeistert, eröffnet "Firenze" spannende Interaktion und einige taktische Möglichkeiten. Schnell stellt sich heraus, dass sich geduldiges Steinesammeln lohnt, um möglichst hohe Türme zu errichten, zumal für diejenigen, die zum ersten Mal Türme einer Hohe von 5 bis 8 Etagen errichten, Bonuspunkte und Privilegien winken. Trotzdem können Mitspieler geschickt Ereignisse lancieren, die die steinreichen Konkurrenten das Fürchten lehren (so sorgt z. B. das Ereignis "Hochwasser" dafür, dass jeder ein Drittel aller Steine im Lager verliert). Betont interaktive Karten wie der "Schmuggler" oder der "Saboteur" erlauben es einem, bestimmten Mitspielern zu schaden, indem man einfach Steine in den Lagern austauscht oder hohe Türme um eine Etage zu verkleinern. Doch auch Aufträge für niedrige Etagen können attraktiv sein, wenn man damit z. B. die Mehrheit bei einem Turm absichern kann.
Es spricht für das Spiel, dass es einige Möglichkeiten bietet, sich mithilfe von Gebäuden und Personen vor unliebsamen Ereignissen oder einem drohenden Abriss zu schützen. Hier ergibt sich ein reizvolles Dilemma: Baue ich zügig und nicht so hoch, sind meine Türme mehr oder weniger sicher, doch bringen nur wenige Punkte ein. Strebe ich nach Höherem, muss ich mit Rückschlägen rechnen. Insgesamt wirkt das Spiel trotz drohender negativer Effektive nicht destruktiv und selten muss ein Mitspieler frustriert sein, da er nie völlig abgeschlagen ist. Zur Not hilft der für gewöhnlich nicht attraktive Tausch von drei Steinen gegen eines in der Kartenauslage, um seine Türme vor dem Abriss zu retten.
"Firenze" ist vielleicht kein originelles Spiel. Für erfahrene Spieler sind Parallelen zu Small World, Thurn und Taxis oder Can't Stop offensichtlich. Diese Ähnlichkeiten sind da, doch ist die Verzahnung der Mechanismen sehr überzeugend und z. T. richtig clever. Vor allem das Spiel zu zweit hat seinen eigenen Reiz und bleibt häufig bis zum Ende spannend. Nach mehreren Partien sind dann auch die Skeptiker überzeugt: "Firenze" ist ein klasse Spiel, das in jeder Besetzung Spaß bereitet und hohen Wiederspielreiz besitzt. (thb)
Steckbrief Firenze |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Andreas Steding | Pegasus | 2 - 4 Spieler | ab 12 Jahre | 45 - 90 Minuten | Michael Menzel, Hans Georg Schneider |