Eines der Spiele, auf die ich mich jedes Jahr freue, ist das "große" Spiel aus dem Hans im Glück Verlag. Dabei ist das Wort "groß" gar nicht mal korrekt, denn die Schachtel ist gar nicht so groß; sie ist kleiner als die meisten Schachteln, in denen viele Verlage ihre Flaggschiffe präsentieren und vor allem enthält sie wenig Luft. Letzteres führt im Umkehrschluss dazu, dass die Spiele einiges an Material enthalten und so eine gute Grundlage für ein vielseitiges Spiel gegeben ist.
Dieses Jahr (2004) trägt das "große" Spiel Goa den Namen einer indischen Provinz, die bis 1961 portugiesische Kolonie war. Wir begeben uns noch sehr viel weiter in die Zeit zurück und versuchen uns als Gewürzhändler. Dabei starten wir zunächst recht erbärmlich: gerade mal vier Schiffe für den Transport stehen uns zur Verfügung und für die Gründung von Kolonien konnten wir man auch nur zwei Kolonisten gewinnen. Während die meisten Spieler den Gewürzhandel mit 10 Talern beginnen, hat wohl einer seine Firma bereits angemeldet: Er bekommt drei Taler weniger, dafür aber die Startspielerflagge.
Das Spiel besteht aus zwei völlig unterschiedlichen Teilen: Einer Versteigerungsphase und einer Entwicklungsphase. Jede dieser Phasen durchlaufen wir acht Mal, wobei wir in der Mitte eine organisatorische Halbzeit einlegen. Im Spiel beginnt jeder der acht Abschnitte mit der Versteigerung, dann folgen die Entwicklungen. Für das Verständnis drehe ich die Phasen einmal um und erkläre zunächst, wie die Entwicklungen ablaufen. Jeder Spieler besitzt dazu ein Fortschrittstableau, auf dem sein aktueller Entwicklungsstand in fünf Kategorien angezeigt wird. Dieses Tableau ist die Basis für sechs mögliche Aktionen. Eine Aktion, die Weiterentwicklung, erfordert Schiffe und Gewürze: Für die erste Entwicklung in einer Kategorie benötigt man ein Schiff und ein bestimmtes Gewürz, für die zweite Entwicklung zwei Schiffe und zwei Gewürze und so weiter. Je weiter man in einer Kategorie entwickelt ist, desto höher der Ertrag in der Kategorie. Die drei Kategorien Schiffbau, Ernte und Handel bringen Schiffe, Gewürze und Taler. Die Kategorie Expedition gibt dem Spieler Karten für Zusatzaktionen oder für die Veränderung von Aktionen. Die letzte Kategorie Kolonisation bringt, anders als die vorherigen Kategorien, keine Kolonisten, sondern bietet Unterstützung bei der Gründung von Kolonien.
Damit kommen wir zu den Plantagen und den Versteigerungen. Damit Gewürze angebaut werden können, benötigen die Spieler Kolonien und/oder Plantagen. Diese beherbergen ein bis drei Gewürze. Während man Kolonien in der Entwicklungsphase gründet, werden die Plantagen versteigert. Für die Versteigerungen werden 25 Plättchen ausgelegt. Jede Runde werden so viele Plättchen versteigert, wie es Mitspieler gibt. Hinzu kommt noch das Startspielerplättchen, das dem Gewinner der Versteigerung eine zusätzliche Aktion in der Entwicklungsphase erlaubt. Das Versteigerungssystem sorgt dafür, dass die Spieler gegenseitig Einfluss auf die zu versteigernden Dinge bekommen. Neben den bereits erwähnten Plantagen werden dort auch Plättchen versteigert, die dem Spieler jede Runde ein Schiff, einen Kolonisten oder ein Gewürz geben. Dann gibt es noch Plättchen, für die man einmalig Kolonisten, Schiffe, Zusatzaktionen oder Expeditionskarten bekommt. Im zweiten Abschnitt kommen dann noch mächtige, einmal nutzbare Plättchen hinzu.
Das Spiel besteht aus, wie schon geschrieben, aus acht Durchgängen. Jeder Durchgang besteht aus drei bis fünf Versteigerungen (je nach Spielerzahl), gefolgt von drei Entwicklungsaktionen (plus eventuellen Zusatzaktionen). Nach dem achten Durchgang endet das Spiel und es gewinnt der Spieler mit den meisten Punkten. Diese erhalten die Spieler überwiegend für die Entwicklungsstufen auf dem Tableau. Es gibt weiterhin Punkte für gegründete Kolonien, für kleine Plantagen, ersteigerte Plättchen mit Siegpunkten, für das meiste Geld sowie ungenutzte Expeditionskarten.
Die obige Spielbeschreibung ist nur ein Abriss des wirklichen Geschehens, dass durch weitere Regeln und Möglichkeiten verfeinert ist. Die Grundtendenz ist aber bereits erkennbar. Die Interaktion mit anderen Spielern findet immer während der Versteigerungen statt, während anschließend alle Spieler versuchen, mit den ihnen gegebenen Möglichkeiten für eine gute Entwicklung zu sorgen. Diese Abwechslung von interaktiven und introvertierten Phasen prägt das Spiel.
Goa bietet zunächst viele Möglichkeiten des eigenen Handels sowie über die Versteigerungen Einflussnahme auf die Aktionen der Mitspieler. Dies ist, gerade bei einem komplexen, taktischem Spiel sehr zu begrüßen. Genau hier aber liegt auch der Moment, an dem mich Goa enttäuscht hat. Nach Magellan (2002) und Amun-Re (2003) liegt wieder ein Spiel vor, das als zentralen Spielmechanismus die Versteigerung bietet. Auch der durch die Plättchen anders gestaltete Weg der Versteigerung kann bei mir nicht die Ermüdung bezüglich Versteigerungsspielen kompensieren. Dazu kommt bei mir der Kritikpunkt, dass die einzelnen Aktionen während der Entwicklungsphasen sich im Erfolg nur marginal unterscheiden. Jeder Spieler entwickelt sich ein wenig weiter und erhält dafür in der ein oder anderen Form Siegpunkte. Am Ende hat dann ein Spieler die meisten, doch wie sagte ein Mitspieler zu mir "Warum es die Unterschiede jetzt gibt, ist mir nicht klar." Dies zeigt, dass ein zielgerichtetes Agieren nur bedingt stattfindet. Zuletzt habe ich noch ein persönliches Erlebnis: In meinen bisherigen fünf Spielen gewann immer der Spieler, der schnell in Schiffbau und Ernte investierte. Ob andere Taktiken auch zum Erfolg geführt werden können, weiß ich nicht, denn ich habe es nicht erlebt und Schiffe und Gewürze werden nun mal für den Fortschritt benötigt. Bei mehr als zwei Stunden Spieldauer - die angegebenen 90 Minuten wurden bei uns nie eingehalten - ist das Verlangen, es noch mal mit anderen Taktiken zu probieren, bei mir nicht unbedingt gegeben.
Wenn dies nun alles recht negativ klingt, so hängt dies sicher auch mit meiner Erartungshaltung zusammen. Goa ist ein handwerklich sauberes Strategiespiel, stellt aber in meinen Augen kein Highlight dar, wie es sie sonst so oft bei Spielen aus dem Hans im Glück gegeben hat. Dazu trägt auch die Gestaltung bei. Die Grafik ist praktisch, aber ich kann mich mit den vielen Pastelltönen nicht anfreunden und habe ohnehin keinen guten Zugang zu der künstlerischen Gestaltung von Oliver Freudenreich. Das Inlett, das einen zu kleinen Ausschnitt für den Spielplan bietet, ist da nur noch das I-Tüpfelchen. So werde ich dieses Jahr viel, viel lieber zu Sankt Petersburg aus dem gleichen Verlag greifen oder als strategisches Spiel zu Raja von Phalanx und hoffe, dass der Hans im Glück Verlag in Kürze ein strategisches Spiel ohne Versteigerung herausbringt. (wd)
Steckbrief Goa |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Rüdiger Dorn | Hans im Glück | 2 - 4 Spieler | ab 12 Jahre | ca. 90 Minuten | Oliver Freudenreich |