Stefan Feld auf allen Kanälen: von den drei Spielen, die der Autor in dieser Saison (2010/11) veröffentlicht hat, sind die beiden ‚großen' (Luna und Burgen von Burgund) von der Jury "Spiel des Jahres" empfohlen und das vielleicht unscheinbarste auf die Nominierungsliste für den neuen Preis "Kennerspiel des Jahres" gesetzt worden: Strasbourg. Dort steht es neben 7 Wonders und Lancaster. Das ist wahrlich eine illustre Gesellschaft und die Nominierung für den geneigten Käufer unter den "Kennern" damit fast schon eine Kaufempfehlung. Und natürlich juckt es nun auch dem Rezensenten in den Fingern: Hält das Spiel, was die Nominierung verspricht?
In Strasbourg (dt. "Straßburg") schlüpfen die Spieler in die Rolle von Patrizierfamilien, die miteinander um Machtpositionen in fünf Zünften konkurrieren. Es gewinnt derjenige, der in fünf Runden durch geschicktes Taktieren die meisten Prestigepunkte erwerben konnte, indem er u. a. möglichst viele Familienmitglieder in den Zunftvierteln der Stadt unterbringt, sich an Kapellen und den unterschiedlich prestigeträchtigen Bauwerken der Stadt ansiedelt oder Aufträge erfüllt. Vor Spielbeginn werden davon fünf pro Spieler verteilt, mindestens einen muss man behalten. Diese Aufträge - 25 verschiedene an der Zahl - verheißen bis zu 12 Siegpunkte, je nach Schwierigkeitsgrad. Dabei geht es z. B. darum, mit seinen Familienmitgliedern in bestimmten Sektoren der Stadt vertreten zu sein, an bestimmten Bauwerken zu stehen oder am Ende das meiste Geld zu besitzen. Sollte man einen Auftrag nicht erfüllen können, muss man einen Abzug von drei Prestigepunkten hinnehmen.
In den Aktionsphasen müssen die Familien ihren Einfluss geltend machen. Dies geschieht mit Einflusskarten, von denen während des Spiels insgesamt 24 Stück pro Spieler (je viermal mit Wert von 1-6) ausgespielt werden. Mit diesen Karten bietet man vor allem um die Mehrheit bei den Zünften, um diese im Stadtrat zu vertreten, deren Waren zu horten und/oder ein Familienmitglied für Geld in das entsprechende Stadtviertel zu postieren. Wer die meisten Einflusspunkte vorweist, kann als Zunft-"Meister" alle drei Optionen nutzen, der zweite hat als "Geselle" mit Ausnahme des Ratssitzes die gleichen Möglichkeiten, der dritte muss sich als Lehrling zwischen den beiden letztgenannten Alternativen entscheiden. Während der fünf Spielrunden kann man jeweils dreimal um die Vorherrschaft in einer Zunft streiten. Es bedarf also der Aufmerksamkeit, um für wichtige Entscheidungen gerüstet zu sein. Da man für die Ansiedlung in der Stadt in der Regel Geld benötigt, ist es wichtig, Waren zu sammeln und diese bei einer von drei Gelegenheiten pro Runde den Kaufleuten zu verkaufen. Doch Vorsicht: Veräußern darf nur der, der die meisten Einflusspunkte vorweisen konnte. Neben Zünften und Kaufleuten spielen auch Kirche und Adel eine bedeutende Rolle: Wer den Adel im Rat kontrolliert, darf am Ende der Runde ein vor Spielbeginn zugeordnetes Bauwerk (Wert 2-6) auf eines der Baufelder der Stadt legen, um die Punktezahl möglichst seinen Familienmitgliedern zugutekommen zu lassen. Wer sich zu Beginn eines Durchgangs der kirchlichen Unterstützung versichert hat, erhält das Recht, eine Kapelle zwischen den Stadtfeldern zu errichten, die den Punktwert der benachbarten Bürger um 1 steigert.
Am Ende jeder Runde erhalten die Spieler für jedes Familienmitglied im Rat 1 Siegpunkt. Wer hier die meisten Figuren eingesetzt hat, erhält ein Privileg, das Ende des Spiels 1 Punkt wert ist oder während der Partie eingesetzt werden kann. Wozu? Dazu bedarf es eines Blicks auf die Verwendung der Einflusskarten.
Wie bei so vielen Spielen ist die thematische Einkleidung eher zweitrangig, wenngleich die Bedeutung des Zunftwesens für Straßburg belegt ist und mindestens zwei Bauwerkplättchen bekannte Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigen (das Kammerzellhaus und natürlich das Straßburger Münster). Der Thematik vorgeordnet ist der Spielmechanismus des ‚blinden Bietens' um Einfluss, der uns hier allerdings in einer etwas modifizierten Form begegnet. Anders als bei manchen Spielen dieser Art haben die Spieler in Strasbourg mehr Entscheidungs- und Planungsmöglichkeiten. Zu Beginn jeder Runde - in der Planungsphase - ziehen sie zunächst beliebig viele Einflusskarten von ihrem Vorratsstapel. Da man im Spiel mit 24 davon auskommen muss und einmal gezogene Karten in der Regel nach einmaliger Verwendung aus dem Spiel sind, ist hier Augenmaß gefragt, denn man möchte ja im letzten Durchgang nicht ohne Karten dastehen. Die gezogenen Karten können nur in kleine Päckchen sortiert werden, auch einzelne können verdeckt ausgelegt werden: Dies sind die Gebote, mit denen man in das kommende Geschehen eingreifen kann. Nun werden die einzelnen auf der Rundentafel angegebenen Bietstationen durchgegangen. Beginnend mit dem Startspieler können die Spieler nun ein Päckchen aufdecken oder passen. Durch die Abgabe eines Privilegs darf man sogar "schieben" und vor Gebotsabgabe erst einmal schauen, was die Gegner so auslegen. So kann man die Gefahr, mit hohen Karten zu verlieren, ein wenig senken. Wer durch Einfluss Vorteile erhält, muss die eingesetzten Karten aus dem Spiel nehmen. Alle anderen können eine Karte ihres Gebots unter ihren Vorratsstapel zurücklegen.
Strasbourg ist ein ausgesprochen spannendes Spiel, das sehr interessante Möglichkeiten bietet. So erfordert bereits die Auswahl der Aufträge zu Beginn einiges an Überlegung. Es mag durchaus sinnvoll sein, nur einen hochwertigen Auftrag zu behalten, wenn die übrigen kaum zueinander passen wollen. Bei mehreren Aufträgen, von denen aller Voraussicht nach die meisten erfüllt werden können, sind dahingegen drohende Minuspunkte leichter zu verschmerzen. Nach ein bis zwei Partien bekommt man dann langsam ein Gefühl dafür, in welchen Runden man seinen Einfluss möglichst stark machen muss. Doch auch in offensichtlich aussichtslosen Fällen kann es ratsam sein, Karten aufzubieten, da man eine dann ja wieder in seinen Vorrat zurücklegen und in späteren Runden noch einmal einsetzen kann. Erfahrene ‚Straßburger' richten den Blick auch stärker auf die Mitspieler und ihre Pläne. Wenn es gelingt, diese zu durchkreuzen und gleichzeitig sein eigenes Prestige zu mehren, ist die Freude groß. Die aufschiebende Wirkung der Privilegien ist auch aus diesem Grund nicht zu verachten. In den letzten beiden Durchgängen steigt schließlich die Spannung, ob es einem noch gelingt, die eigenen Aufträge zu erfüllen. Falls sich bereits früh herausstellt, dass dies nicht mehr gelingen kann, sollte man seine ganze Energie darauf setzen, auf anderem Wege Siegpunkte zu sammeln. In eine solche Situation gerät man schnell in einer Partie in Vollbesetzung (fünf Spieler), da hier naturgemäß der Zufall unerbittlicher zuschlägt. Vor Überraschungen ist man auch in kleinerer Runde nicht gefeit, doch kann man sich durch geschickte Planung dagegen rüsten.Trotz allem ist Strasbourg ein Spiel, das auch eine gewisse Frusttoleranz erfordert, weil man damit rechnen muss, dass die eigenen Ziele von den lieben Mitspielern torpediert werden.
All diejenigen, die gerne Bietspiele spielen und dabei auf taktische Spielräume (z. B. durch Einsatz der Privilegien) Wert legen, sind bei Strasbourg gut aufgehoben, zumal Ausstattung und Service bei Pegasus einfach stimmen. Zwar reicht es aus meiner Sicht nicht ganz an seine Konkurrenten "7 Wonders" und "Lancaster" heran, aber ‚Kenner' und andere unterhält es trotzdem prächtig. (thb)
Steckbrief Strasbourg |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Stefan Feld | Pegasus | 3 - 5 Spieler | ab 12 Jahre | 60 - 90 Minuten | Alexander Jung, Hans Georg Schneider |