Ich schaue bis in die 90iger Jahre zurück. Damals schrieb ich zusammen mit meiner Frau einen Vergleich von Magic- die Zusammenkunft und Die Siedler von Catan - das Kartenspiel. Eine Gemeinsamkeit beider Spiele, bei den Siedlern das Turnierspiel vorausgesetzt, war die Konstruktion eines Decks: Die Auswahl einer begrenzten Anzahl von Karten aus einem Fundus, und mit dieser wurden dann die Spiele bestritten.
Als ich zur Vorbereitung auf die Spiel '08 die Regeln von Dominion las, fühlte ich mich ein Stück weit in die Zeit der Deckkonstruktion zurückgesetzt. Doch hier war es anders: Das Deck wurde erst während des Spiels aufgebaut. Für mich klang dies verlockend, denn damit entfiel die lange Vorbereitungszeit, die eine gute Deckkonstruktion erforderte. Zudem bot Dominion für alle Spieler die gleiche Ausgangslage, anders als es früher bei Magic - die Zusammenkunft der Fall war. Dominion gefiel nicht nur mir, und so wurde es ein großer Erfolg - und Spiel des Jahres 2009.
Dies war dann auch das Jahr, in dem ein anderes "Wir-bauen-ein-Deck-im-Spiel" -Spiel erschien: Thunderstone, das im Herbst 2010 dann auf Deutsch erschien. Wer nur darauf achtet, dass bei beiden Spielen ein Deck gebaut wird, das am Ende viele Siegpunkte enthalten sollte, wird in Versuchung kommen, beide Spiele als gleich und aufgrund der Erscheinungsjahre Thunderstone als Abklatsch von Dominion zu brachten. Hier muss ich gestehen, selbst ich war in dieser Situation, wobei ich doch als Rezensent vorurteilsfrei an ein neues Spiel gehen sollte.
Ich kann es vorweg nehmen: Es gibt Gemeinsamkeiten - und es gibt noch mehr Unterschiede; vor allem im Spielgefühl. Jetzt greife ich vorweg und dabei sollte ich einfach vorne anfangen. Dort stehen die Gemeinsamkeiten und vor allem die größte und auffälligste: Aufbau, Ablauf und Zielsetzung.
Der Aufbau besteht aus der Auslage diverser Karten. Ein Grundstock an Basiskarten liegt immer aus. Dazu kommen zufällig ausgewählte Karten, die der Verbesserung meines Decks dienen. Schließlich gibt es die Karten, die Siegpunkte bringen und die daher über den Spielsieg entscheiden. Nun bekommt jeder Spieler ein Startdeck. Dies besteht ausschließlich aus Basiskarten, die dazu sehr schwach sind. In meinen Spielzügen erwerbe ich regelmäßig neue Karten, die auf den Ablagestapel kommen. Nach meinem Spielzug lege ich meine Karte, auch die ungenutzten, ebenfalls dorthin ab, und ziehe eine komplett neue Kartenhand. Sollte mein Nachziehstapel nicht reichen, wird der Ablagestapel gemischt. Darüber kommen die neu gekauften Karten später auf meine Hand. Als Spieler kann ich jederzeit entscheiden, Karten mit Siegpunkten zu erwerben. Diese zählen bei Spielende für den Sieg, sind in der Regel aber so, dass sie mir während des Spiels nicht oder nur wenig helfen.
Nachdem ich das gemeinsame Grundgerüst beider Spiele, das Anlass für diesen Vergleich war, beschrieben habe, wende ich mich nun den Unterschieden zu. Der auffälligste Unterschied ist das Thema. Während die Spieler bei Dominion sich ins Mittelalter begeben und ihre Ländereien ausbauen, begeben sie sich bei Thunderstone in ein Dungeon, um dort Monster zu bekämpfen und ihnen die Schätze zu rauben. Diese Thematik schlägt sich dann sowohl in der Komplexität, im Spielablauf und natürlich in den Darstellungen nieder.
Die Unterschiede in der Komplexität zeigen sich schon direkt zu Beginn. Die Startkarten bei Dominion bestehen aus zwei verschiedenen Karten, bei Thunderstone sind es hingegen vier. Entsprechend benötigt Thunderstone mehr Startkarten (12:10) und auch die Kartenhand ist während des Spiels um eine Karte größer (6:5). Diese eher technischen Unterschiede sind die Grundlage für die wesentlichen Unterschiede im Spielablauf.
Bei Dominion ist alles Tun darauf ausgerichtet, pro Spielzug eine möglichst hohe Kaufkraft zu entwickeln. Dadurch kann ich besonders teure und damit in der Regel gute Karten kaufen - sei es durch die Funktion oder die Anzahl der Siegpunkte. Bei Thunderstone muss der Spieler zweigleisig fahren: Für die Ausstattung und zum Anheuern von Helden muss er ins Dorf gehen und benötigt Gold. Die meisten Siegpunkte hingegen gibt es im Dungeon für das Besiegen von Monstern. Dafür benötigt der Spieler kein Gold, sondern Licht und Kampfkraft, die sich dazu noch in normale und magische unterteilt. Doch nicht nur die Komplexität macht einen Unterschied, sondern auch der Weg. Dabei beginnt der zunächst einmal ähnlich. Wenn man eines dieser Spiele nur wenige Male gespielt hat, findet sich schnell ein Weg zum Erfolg: Bei Dominion kaufe ich möglichst das kaufkräftige Gold und bei Thunderstone heuere ich starke Helden wie die Barbaren an. Erst im Laufe der Zeit lernt man die Vorzüge anderer Wege kennen. Bei Dominion besteht er oft darin, sich viele Karten zu beschaffen. Dazu baut man sein Deck so aus, dass man einerseits mehr Aktionen hat und diese andererseits nutzt, um Karten nachzuziehen. Durch dieses Plus an Karten brauchen die einzelnen Karten nicht so kaufkräftig zu sein. Außerdem wird das Deck dabei verlässlicher, denn je mehr Karten ich auf der Hand habe, je besser und zielgerichteter kann ich agieren - auch gegen den Zufall der Kartenverteilung.
Dieser Weg ist in Thunderstone fast unbekannt. Nur in Ausnahmefällen wird eine Karte nachgezogen. Daher ist es hier besonders wichtig, eine goldlastige Kartenhand für das Dorf oder eine schlagkräftige Truppe für das Dungeon zu besitzen. Um dies zu erreichen besitzt Thunderstone zwei Mechanismen, die es so in Dominion nicht gibt. Zum einen können Helden gelevelt werden, d. h., wenn ein Spieler genügend oft erfolgreich im Dungeon gekämpft hat, kann einer seiner Helden aufsteigen und verbessert dadurch seine Fähigkeiten. Nur einzelne Karten wie die Mine ermöglichen in Dominion ein ähnliches Vorgehen. Zum anderen kommt es bei Thunderstone häufiger vor, dass die Kartenhand weder für das Dorf noch für den Dungeon geeignet ist. In einem solchen Fall darf man einfach eine Karte aus seiner Hand aus dem Deck entfernen. Thunderstone hat also per Regel einen dauerhaft eingebauten Entsorger, der notwendig ist und auch regelmäßig genutzt wird.
Dominion ist das vom Regelumfang her das einfachere der beiden Spiele. Die ausschließliche Ausrichtung auf Kaufkraft erlaubt einen einfachen Einstieg in das Spiel. Unterstützt wird dies von prägnanten Bezeichnungen der Karten, auch wenn dabei die Funktion nur bedingt klar wird und der Ablauf überwiegend abstrakt erscheint. Dies gilt vor allem für die siegpunktbringenden Ländereien. Thunderstone hingegen ist sehr thematisch. Wer sich ein wenig in der Fantasywelt auskennt, erkennt sofort das Prinzip des Hack & Slash, zu Deutsch frei übersetzt Monster töten, Schätze rauben. Dem ist das Design angemessen und die Gegenstände und Personen unterstützen sehr gut die Funktion der Karte. Dafür ist das Regelwerk umfangreicher und vor allem der Aufenthalt im Dungeon erfordert geschickte Rechenkünste und viel Übersicht.
Bleiben noch zwei kleine, aber wichtige Unterschiede: Zwei bis vier Spieler können Dominion in der Grundversion spielen, bis zu sechs mit der zweiten Basisausstattung. Erfahrungsgemäß tendieren aber Spieler dann dazu, die Gruppe für zwei parallele Spiele aufzuteilen. Thunderstone lässt sich mit bis zu fünf Spielern spielen. Da hier Kettenzüge fehlen, ist dies auch gut machbar. Während die Spieldauer bei Dominion abhängig von der Auswahl der Karten und vor allem durch die Spielerzahl stark schwankt, ist sie bei Thunderstone recht konstant. Spiele bei Dominion dauern meist zwischen 30 und 90 Minuten; mein persönlicher Rekord liegt bei zwei Stunden für ein Zwei-Spieler(!)-Online(!)-Spiel. Bei Thunderstone schwankten die Zeiten zwischen 45 und 75 Minuten, wobei die meisten Spiele recht genau eine Stunde dauerten.
Zum Abschluss ein paar persönliche Worte über die Spiele. Ich mag sie beide sehr gern. Ich war zunächst kritisch, ob mir zwei vom Grundprinzip gleiche Spiele gleich gut gefallen könnten. Da ich Dominion deutlich länger kenne, richtete sich diese Kritik zuerst an Thunderstone. Ich kann sagen, dass diese Kritik, die eher ein Vorbehalt war, zerstreut worden ist. Beide Spiele können sehr wohl nebeneinander bestehen. Dies liegt auch daran, dass ich einerseits anspruchsvolle Familienspiele, wie es Dominion eines ist, mag, als auch tiefe Wurzeln in der Fantasywelt habe. Dies erleichtert mir den Zugang zu Thunderstone und ich erlebe das Spiel teilweise als Rollenspiel. In diesem Sinn bin ich froh, dass es beide Spiele gibt. (wd)
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Externe Links: Dominion-Welt (die offizielle deutsche Dominion Seite) Dominion-Welt auf Facebook Dominionseite des Kartenherstellers Carta Mundi
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