Wir sind Spieler, Spieler aus Leidenschaft. Wir sind Rezensenten, Rezensenten aus Leidenschaft. Wir schreiben gern über Gesellschaftsspiele. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir lieber über gute als über schlechte Spiele schreiben und am allerliebsten über jene, die wir ganz besonders gern spielen. Für ein wenig Abwechslung darf es auch mal ein Verriss sein, doch im Grunde ist dies eine lästige Arbeit. Bevor wir eine herbe Kritik schreiben, muss hier sehr genau recherchiert werden und dies heißt, ein unbeliebtes Spiel viele Male spielen und dann noch die Zeit opfern, die Rezension zu verfassen.
Dieser Jahrgang, vor allem meinen wir damit die Neuerscheinungen aus Nürnberg, war vielfach unerfreulich. Viele Spiele enthielten Mängel. Teilweise waren die Mängel bereits nach einem oder zwei Spielen offensichtlich. Wir fragen uns: "Wieso kommen solche Spiele auf den Markt?" und "Wie hat der Verlag denn dieses Spiel getestet?" Wir haben die Schwächen mal ein wenig klassifiziert und schauen einmal was denn so schiefgelaufen ist.
Am harmlosesten sind noch die Langweiler, die mit immer gleichen Spielzügen und wenig Spannung aufwarten. Sie können immerhin mit Funktionstüchtigkeit aufwarten. Paradebeispiel dieser Gruppe ist Parade (Schmidt), doch der blöde Sack (Kosmos) steht dem ins nichts nach. Karten legen und Würfeln bis zum Umfallen, nein zum Spielende. Bei Norderwind (Kosmos) braucht es wenigsten einige Partien bis auffällt, dass alle Planung nichts nutzt, verhindert der Zufall ein Anlaufen der Städte.
Beliebt sind auch immer wieder Regelfehler. Wenn zwei Mal unendlich im Ergebnis Null ergibt, sollte das in der Regel stehen. Tut es aber nicht, zumindest nicht bei Helios (Hans im Glück). Die Regel von Tortuga (Queen Games) war so schräg in ihrem Text, dass wir und viele andere das Spiel falsch spielten und mit der ersten Regelauslegung war es grottenschlecht. Dann erst hat sich eine Gruppe in Oberhof hingesetzt und die Regel erarbeitet, Betonung auf Arbeit. Danach funktionierte das Spiel, wenn gleich der Spielspaß im Mittelmaß blieb. Immer wieder beliebt ist der Hinweis der Verlage auf das Internet oder auf die Rückfragemöglichkeit beim Verlag. Nicht in diesem Jahrgang, aber schon früher wurden wir von Lookout Games scharf angegriffen, weil wir Mängel in der Rezension beschrieben statt wie angegeben den Verlag konsultierten. Fassen wir zusammen: Es ist anscheinend immer noch nicht klar, dass die Regel einer der wichtigsten Bestandteile eines Spiels ist und mit großer Sorgfalt erstellt werden muss. Und vor allem: Ein Hinweis auf das Internet ist kein Freibrief.
Schlechte Grafiken sind ein anderes Thema. Wer schon mal einen Prototyp gespielt hat, weiß, mit welchen Grafiken ein Spiel spielbar ist. Eine ästhetische Grafik, wir lassen mal den Begriff undefiniert stehen, hingegen hilft beim Verkauf und wenn sie wirklich gut ist, unterstützt sie den Spielablauf. Schön ist die Grafik des Spielplans von Burgenland (Ravensburger), aber die langen Strecken werden immer wieder übersehen. Verwechslungsgefahr ist auch ein Thema. Dieses Mal begegnen wir ihr bei Fungi (Pegasus). Die Pilze sind toll gezeichnet. Es erfordert aber einiges an Konzentration, sie auseinanderzuhalten, Konzentration, die wir lieber auf das Spiel verwenden möchten. Also liebe Verlage: Spielt doch mal mit euren Grafiken. Dann müsste man so etwas doch merken!
Besonders hässlich sind Regeln, die ein Spiel aushebeln. Der Startspielervorteil bei Faulpelz (Kosmos) ist groß und als letzter in der Spielreihenfolge sitzen ist schlecht. Da würfelt man lieber die Startreihenfolge aus und nimmt dies direkt als Spielergebnis. Das spart Zeit und Frust.
Ähnliche Fehler gibt es in allen großen Logik-Spielen des Jahrgangs: Bei Xalapa (Huch & friends) ist es oft am besten, nichts zu tun und zu Beginn der Runde nur die Sanduhr umzudrehen. Dimension (Kosmos) forciert bei einem dreidimensionalen Spiel eine Bauweise in einer Ebene und bei Enigma (Zoch) dienen Rätsel dazu, Carcassonne-ähnlich Plättchen zu legen und Figuren zu setzen. Wohl dem, dessen mickrige drei Figuren verbaut wurden.
Bei so vielen Fehlern bietet es sich doch an, ausländische Spiele, die bereits erfolgreich sind, zu adaptieren. Das geht fehlerfrei? Weit gefehlt. Bei Banana Split (Amigo) hat die Redaktion erkannt, dass die Originalregel nicht funktioniert und sie geändert. Und was kam heraus? Wieder ein nicht funktionierendes Spiel. Immerhin hat man das Niveau gehalten.
Wir haben in einigen Fällen die Verlage angesprochen. Die Reaktionen fielen sehr unterschiedlich aus. Bei Start frei (Carrera) kann man in bestimmten Fällen mit seinem Rennwagen schneller sein als der Streckenbau. Darauf angesprochen kam sinngemäß die Antwort "Das kam so selten vor, das haben wir nicht in die Regel aufgenommen". Wir schätzen die Ehrlichkeit der Antwort, fühlen uns dennoch als Spieler und Rezensent verar…, weil ein Mangel bekannt ist und nicht behoben wurde. Schlimmer noch die Reaktion eines anderen Verlags, als wir ihm mit einem gravierenden Mangel bei einem Familienspiel konfrontierten: "Bei der Zielgruppe lohnt keine Regel, um das zu beseitigen." Wir drücken das anders aus. Familien werden mit minderwertiger Ware beglückt. Aus unserer Sicht eine erschreckende Haltung, denn wer an ein solches Produkt gerät, wendet sich in seiner Freizeit sicher lieber wieder dem Fernseher oder der Spielkonsole zu und so gehören Gesellschaftsspiele dann in dieser Familie der Vergangenheit an.
Wie die Reaktion richtig ausfällt, zeigen zwei andere Beispiele. Bei Qwixx - Das Kartenspiel (Nürnberger Spielkarten) war die Farbe der Rückseite identisch mit einer der Spielfarben. Keine 24 Stunden nach Veröffentlichung unsere Rezension kam die Rückmeldung, dass die Kritik berechtigt sei und dies in einer zweiten Auflage geändert würde. Heftiger traf es Azteka (Huch & friends). Zwei fehlende Wörter zerstörten das Gleichgewicht des Spiels komplett. Wir wurden per E-Mail über die korrekte Regel informiert. Dazu kam der Hinweis, dass allen jetzt ausgelieferten Spielen eine korrigierte, korrekte Regel beiliegt. Die Reaktion ändert nichts an dem ursprünglichen Mangel, wohl aber an der Verbreitung und begrenzt den Schaden auf ein Minimum.
Es mag an unserer immer schnelllebigeren Zeit liegen, dass solche Mängel auftreten. Vielfach werden Produkte nur wenige Male genutzt, dann muss etwas Neues her. Geht man als Verlag von einer solchen Konsumentenhaltung aus, genügt es völlig, "ein buntes, auffälliges Produkt" herzustellen, das gekauft wird. Es muss nur kurzfristig gefallen. Schließlich kann man hoffen, dass die Mängel nicht auffallen oder zumindest erst dann, wenn die Zeit der Nutzung quasi abgelaufen ist. Die Schnelllebigkeit erfordert gleichzeitig immer mehr Produkte. Jedes Jahr erscheint eine große Anzahl Spiele, die alle redaktionell betreut werden müssen. Uns scheint es, dass die Redaktionen nicht mehr die Zeit bekommen, ein Produkt zu betreuen und es so oft nicht ausreichend getestet und unter viel Zeitdruck auf den Markt kommt.
Unreife, unausgegorene Produkte vergraulen den Käufer und stellen somit nicht nur eine Gefahr für bestimmte Produkte dar, sondern für eine ganze Sparte. Das Gesellschaftsspiel muss sich viele andere Freizeitaktivitäten durchsetzen und konkurriert beim Geldbeutel mit vielen anderen Produkten. Hier kann nur Qualität überzeugen. Deshalb die eindringliche Bitte an alle Verlage: Gebt euren Redakteuren die Zeit, ein Spiel wirklich marktreif zu machen und unterlasst es, den schnellen Euro mit halbfertigen oder gar unfertigen Spielen zu machen. (redaktion)
P. S.: Wir kennen aus jedem Jahrgang nur einen Teil der Neuerscheinungen. Außerdem ist die Liste der uns bekannten Spiele mit Mängeln nicht vollständig. Wir mögen uns nicht vorstellen, wie viele weitere Spiele nicht die Qualität aufweisen, die wir von einem solchen Produkt erwarten.